Erschöpfte Drachen

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Auf Berk hatte sich seit dem ersten Drachenfliegen nicht viel getan. Die meisten Wikinger gingen ihren üblichen Beschäftigungen nach und taten das Drachenfliegen als eine einmalige Sensation ab, die so schnell nicht wiederholt werden würde. Keiner konnte sich nicht wirklich vorstellen, auf diesen Wesen zu reiten, immerhin waren sie sicherlich unberechenbar in der Luft und hätte auch runterfallen können. Die Freundschaft mit den Drachen am Boden reichte vielen aus. Auch Grobian war nicht der Meinung, dass er auch Drachen fliegen sollte. Bei seinem faulen Muffel konnte er sich das auch nicht richtig vorstellen. Der Drachen war so träge und faul, dass er sich manchmal für einen Tag nicht bewegte. Nur wenn es seine liebsten Felsbrocken gab, wurde er aktiv.

„Mensch Muffel. Du bist mir'n fauler Drache." Der Dorfschmied hatte sich neben seinen Drachen gesetzt, der friedlich schlief. Die Esse ging langsam aus, was aber kein Problem war. Die Nacht zog auf Berk herein und viele der Wikinger hatten schon ihre Häuser aufgesucht. Fackeln erhellten den Dorfplatz und die letzte Schicht an den Wachtürmen wurde zugeteilt. Auch die Drachen hatten sich verzogen und schliefen.

„Man, das wird ne schöne Nacht.", sagte der Wikinger zu sich selbst, als er sich erhob und einen kleinen Rundgang durch seine Schmiede machte. Alles wirkte friedlich. Sein Werkzeug war auch dank Händler Johann wieder komplett und die Schmiede sah der auf Berk immer ähnlicher. Er erinnerte sich gern zurück. Damals, bevor die Berserker die Insel angegriffen und die Hälfte des Dorfes abgeschlachtet hatten. Sein bester Freund, Haudrauf, war damals mit ums Leben gekommen. Es war ein schwerer Tag für den Dorschmied gewesen. Aber jetzt war er wenigstens in Walhalla und konnte seine Frau wieder sehen.

Grobian humpelte nach draußen und betrachtete den sternenklaren Himmel. Die Sonne war längst untergegangen und die Nacht hatte ihre dunkle Fahne geschwungen. Er dachte an Hicks. Was er wohl jetzt machen würde? Vielleicht hatte er die Behausung des großen Überwilden schon gefunden, wenn es sie gab. Der Dorfschmied kannte die Geschichten von legendären Drachen, die größer als eine Insel waren. Da gab es zum einen den Roten Tod, der sich gerne in Vulkane einnistete. Oder der Brüllende Tod. Ein Drache, der alle hundert Jahre auftauchte und die Inseln des Archipels heimsuchte. Grobian hatte dies immer in das Reich der Fantasie abgetan, denn solche Großen Drachen hatte er selber noch nie gesehen. Keiner der Händler auf Berk hatte jemals von solchen Wesen berichtet. Für ihn waren es nur Gerüchte, aber wenn Hicks diesen Überwilden finden würde, dann würde auch Grobian glauben zu wagen, dass es solche Drachen geben könnte.

Genauso verwunderte es ihn mit der Drachenmagie. Davon hatte er auch einige Legenden gehört, doch meist nur von Wikingern, die einige Schluck zu viel Met getrunken hatten. Drachen waren doch einfache geflügelte Echsen. So hatte man es ihm immer gelehrt, aber durch Hicks Verwandlung und seine Künste in der Drachenmagie, wurde er eines besseren belehrt. Die Zeiten hatten sich geändert. Wikinger hatten mit den Drachen Freundschaft geschlossen, die Drachen hatten magische Kräfte und die legendären Drachen sollte es auch geben. Da hatte sich sehr viel geändert und für viele Wikinger würde es zu viel sein. Aber Grobian dachte sich nicht mehr viel dabei. Es war gut, so wie es sich entwickelt hatte. Die Drachen als Freunde der Wikinger ließen viel mehr Zeit und Raum für andere Sachen. Das Dorf hatte sich schnell erholt und mit Astrid als Anführerin würden sie sicherlich bald wieder stark sein. Nur Hicks müsste zurückkehren, dann wäre alles wieder perfekt.

Der Dorfschmied schaute weiter in den Himmel. Eine letzte Wolke, die bei Seite wich, ließ das Mondlicht auf die Insel scheinen. Alles wurde in einen leicht hellen Schein getaucht und fast hätte man Gedacht, dass die Sonne gleich wieder aufgehen würde.

Grobian mochte zwar ein hartgesottener Wikinger sein, aber er mochte diese schönen Nächte. Dann setzte er sich am liebsten abseits des Dorfes hin und spielte auf Seiner Panflöte. Dumm nur, dass er diese auf Berk zurücklassen musste. Es würde sicherlich die Zeit kommen, dass er eine neue bauen könnte.

„Beim Barte des Thors, was is'n das?" Plötzlich regte sich etwas im Mondlicht. Ein Flügelschlagen. Es mussten einige Drachen sein, die hier durchfliegen würden. Aber dann wurden aus einigen hunderte und aus hunderten tausende. Grobian verstand nicht ganz, was hier gerade vor sich ging. Und es sah auch nicht aus, als ob die Drachen weiter fliegen würden. Die ersten setzten schon zur Landung an und machten es sich auf dem Dorfplatz gemütlich. Sie schienen nicht angreifen zu wollen. Eher suchten sie einen Ort zum rasten.

Grobian gefiel das ganze gar nicht. Diese Insel war doch kein Rastplatz für Drachen. Und schon gar nicht für eine solche Menge. Die hatten doch alle kein Platz hier. Und was ist erst mit den Schafen? Grobian versuchte die Drachen mit seinen Gesten zu verscheuchen.

„Husch! Verzieht euch. Sucht euch ne eigene Insel, hier ist schon besetzt!" Doch statt die Drachen zu verscheuchen schienen seine Bewegungen wie ein einladendes Winken zu wirken. Auf einmal landeten dutzende Drachen gleichzeitig auf dem Dorfplatz. Gronckel, Nadder, und viele andere Drachen die er kannte und nicht kannte. Bald schon hatten sich mehrere hundert im Dorf niedergelassen, die anderen drum herum.

„Oh man. Astrid wird mir die Hölle heiß machen, wenn sie das sieht.", murmelte der Dorfschmied, als sich die letzten Drachen im benachbarten Wald niedergelassen hatten. Weiter kam Grobian nicht, denn die Wikingerin wurde vom Lärm draußen geweckt und öffnete schlagartig, die Tür.

„Was ist....bei Thor! Grobian, hast du die ganzen Drachen angeschleppt?!" Der Wikinger zuckte mit den Schultern. „Ich kann nix dafür. Die waren auf einmal da!"

Astrid konnte es nicht fassen. Wo kamen denn diese ganzen Drachen her? „Was sollen wir denn mit denen machen? Ich meine die können wir nicht hier lassen." – „Aber verscheuchen bring nix. Die fliegen kurz hoch und setzen sich dann einfach woanders hin.", entgegnete ihr der Schmied.

„Ja, aber irgendwas müssen wir doch machen. Wenn der Rest des Dorfes mitbekommt, dass die gesamte Insel mit Drachen zugepflastert ist, rasten die aus. Ich glaube nicht, dass die Drachenfreundschaft so viele Drachen aushält." Astrid hatte ihre Bedenken, aber als Grobian einen genaueren Blick auf die Echsen warf, konnte er sehen, warum sie alle hier so urplötzlich landeten.

„Ich glaube, die hab'n nen sehr langen Flug hinter sich. Schau sie dir doch mal an, Astrid. Die fallen gleich tot um, so erschöpft sind die. Ich vermute mal, die sind vor irgendwas geflohen." Auch Astrid warf einen Blick auf die Drachen und Grobian hatte Recht. Sie sahen wirklich nicht gut aus. Aber da stellte sich eine weitere Frage: Was konnte tausende von Drachen in die Flucht schlagen?

Der Fluch des NachtschattensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt