Astrids Ultimatum

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Hicks konnte gerade gar nicht fassen, was da mit seinem Körper passierte. Seine Hand hatte sich schwarz verfärbt. Seine Haut wurde ganz schuppig und diese kleinen Pickel, die sie übersäten, wurden rauer und rauer. Kein zweifel. Es hatte begonnen. Hicks würde sich in wenigen Tagen, vielleicht auch gar Stunden in einen Nachtschatten verwandeln. Daran war nun jetzt in diesem Moment nichts mehr zu ändern gewesen. Der Fluch war ausgesprochen und selbst der Beschwörer, der Nachtschatten, der sich in Hicks Seele gemütlich gemacht hatte, konnte das nun nicht mehr aufhalten.
Erstarrte schaute Hicks auf seine Hand. Er konnte es immer noch nicht fassen. Zum Glück war schon sein Vater außer Haus gewesen, denn dem wollte er es eigentlich erst später sagen. Es würde schlimmer werden und schon bald könnte er es nicht mehr verdecken. Hicks würde zum Nachtschatten werden. Die Fingernägel, die sich langsam zu Klauen verwandelt haben, waren der Beweis. Sie hatten langsam und Stück für Stück die Form jener dieses Drachen angenommen.
Hicks und Astrid schauten sich tief in die Augen. „Hicks es hat begonnen.", kam es nur zögerlich und sehr leise, als ob es jeder hören konnte, von ihren Lippen. Sie war bisher die einzige Person gewesen, die das Geheimnis von Hicks, dem jungen Meister, der doch so lange darauf gewartete hatte, endlich einen Nachtschatten töten zu können.
„Astrid, es wird schon alles gut gehen." Er schritt schnell noch einmal rauf in sein Zimmer und holte sich von dort lange lederne Handschuhe, die er schnell über seine Hände zog. „So, fürs erste wird es nicht auffallen, so lange es noch nicht mein Gesicht erreicht, ist alles in bester Ordnung." Hicks versuchte Astrid mit diesen Worten etwas zu beruhigen, denn er wusste, dass sie sich fürchterliche Sorgen machte. Und er selbst glaubte auch nicht an die Worte, die gerade aus seinem Mund kamen. Sinnlose Sätze der Beruhigung, die scheinbar nur seiner Freundin etwas brachten,dem jungen Meister jedoch nicht. Ihn plagte immer noch das unwohle Gefühl, nachdem er im Bad fest gestellt hatte, dass der Fluch tatsächlich in kraft treten würde und er wirkte ja bereits.
Aber versuchte er es mit jedweder Kraft zu verdränge, brachte seinen Handschuh nochmals richtig in Position und sagte ganz einfach zu Astrid: „gehen wir Astrid. Das Dorf braucht uns und außerdem willst du doch Rotzbackes Abholung nicht verpassen." Mit einem Lächeln versuchte er seine Bedrücktheit zu verbergen und signalisierte Astrid, dass er so lange noch ein Mensch war, er auch seine pflichten gegenüber dem Dorf zu erfüllen hatte. Schließlich müsste heute der Unterricht für die Anfänger beginnen. Sie sollten die nächste Generation werde, die Drachen jagen und töten würden. Aber Hicks wusste durch seinen Traum, dass sie so auf die Schnelle keinen Drachen mehr zu Gesicht bekommen würden, denn er hatte ja gesagt, dass alle Drachen von einer Königin hypnotisiert worden waren und er diese getötet und die anderen Drachen wieder aus ihrem Bann befreit hatte. So müssten sie auch nicht mehr über die Dörfer herfallen. Die Frage über das all über den Köpfen schwebende Warum, war gelöst, doch was war jetzt mit der Akademie. Hicks hatte keine Drachen mehr und zu fangen würde es auch keine geben. Er müsste somit reine Theorie unterrichten, obwohl die Praxis eh viel spannender war. Na ja. Er hatte immer noch Mehltaus und seinen Parkuhr, mit dem er seine Schüler an ihre Grenzen bringen könnte. Das war ja wenigstens ein Anfang.
Und so verschwanden die gedankten über Hicks Verwandlung in einen Nachtschatten, denn er hatte anscheinend viel wichtigere Dinge zu tun gehabt, als sich jetzt Sorgen über seinen verfluchten Körper zu machen. In zweierlei Hinsicht.
Astrid hingegen plagte die ganze zeit über ein anderes Gefühl. Sie machte sich ernsthafte Sorgen um Hicks. Dem Mann, dem sie die ewige Liebe geschworen hatte. Vor ein paar Tagen erst angenähert und in der letzten Nacht Sex. Das ging zwar ziemlich schnell, doch für Wikingerverhältnisse war das langsam. Einige besprangen ihre Frauen schon gleich nachdem sie ihre Liebe gestanden hatten. So gaben sich Hicks und seine Liebe ein bisschen Zeit. Und die liebe in ihr wuchs. Sie konnte es nicht fassen, dass sie bald einen Nachtschatten lieben würde. Natürlich war es Hicks und sie würde ihn genau so lieb haben, wie jetzt, doch war diese Vorstellung doch etwas surreal. Es war so, als ob sie gegen alle Traditionen ihres Volkes verstoßen würde. Im Grunde tat sie das auch, doch war ja Hicks, auch wenn er sich in einen der tödlichsten Drachen aller Zeiten verwandeln würde, immer noch ein Mensch. Seine Gedanken und sein Bewusstsein würden erhalten bleiben. Das hoffte sie zumindest, denn das konnte man bis jetzt noch nicht abschätzen. Aber selbst wenn, würde sie einen Weg finden, ihren Drachen zu zähmen, koste es was es wollte. Sie liebte Hicks und viel lieber würde sie einen Drachen lieben, als irgend jemand anderen auf dieser Welt. So viele Jahre über hatte sich bei ihr die Liebe zu ihm aufgestaut und jetzt sollte dies schon wieder unterbrochen werde. Nein. Das musste sie verhindern. Auch wenn es heißen würde, dass sie ihr Dorf, ihre Familie, ja sogar ihre Identität aufgeben müsste. Für Hicks war ihr kein preis zu hoch.
Etwas fester ergriff sie seine Hand. Immer noch schwebten ihr so viele Gedanken durch den Kopf, dass sie gar nicht wusste, wo ihr dieser Stand. Und gleichzeitig so viele Fragen. Wie würde es sich anfühlen einen Nachtschatten zu küssen, wenn er sie noch lieben würde. Was würde passieren, wenn sie wieder intim werden wollten? Oder was würde passieren, wenn er einfach nur noch Dracheninstinkte besitzen würde und sie angriff? Auf all diese Fragen konnte sie jetzt noch keine einzige Antwort finden. Sie dachte, sich, dass es die zeit mit sich bringen würde, denn das wäre die einzige Möglichkeit, es heraus zu finden. Und so lange er ja noch ein Mensch war, könnten sie all die schönen Dinge des Lebens tun, wenn Hicks nicht so versessen darauf gewesen wäre, seine Emotionen mit dem Alltag der Wikinger überdecken zu wollen. Sie spürte doch ganz genau, dass er versuchte eine Maske auf zu bauen. Eine Maske, die die tiefe Verzweiflung verbarg und mit der er versuchte, ganz normal zu wirken. Doch er musste sich öffnen. Der Nachtschatten hatte ihm im Traum gesagt, dass er von allen verstoßen werden würde. Sicher hatte diese scheußliche Kreatur damit auch gerechnet, dass Hicks in solch ein emotionales Loch fallen würde, doch nicht mit Astrid Hofferson. Sie wollte Licht ins dunkle bringen und dem Nachtschatten, der sich in Hicks Gedanken eingenistet hatte, zeigen, wo der Hammer hängt, denn sie müsste Hicks dazu überreden, es seinem Vater zu sagen. Ja gar dem ganzen Dorf, damit sie wissen würden, was mit dem Sohn des Häuptlings passieren würde. Damit sie ihn so akzeptieren würde, wie er war und damit er weiter in Frieden auf Berk leben könnte. So und nicht anders war ihr Plan, doch dafür musste sie Hicks Maske durchbrechen. Diese Maske, die einen Schleier von Zufriedenheit, Pflichtbewusstsein und Ehrgeiz erzeugte. Doch sie wusste genau, dass das Hicks nicht war. Nicht in diesen Momenten jedenfalls.
Schritt um Schritt gingen sie weiter zum Hafen herunter. Schon aus der ferne konnten sie erkenne, dass siech viele Dorfbewohner versammelt hatten, um dem Spektakel, dass der eins beste Krieger Berks, jetzt als versuchter Vergewaltiger und krimineller abtransportierte werden würde. Auf die Insel der Verbannten, wo ihm die Hölle auf Erden bevorstehen würde. Astrid als auch Hicks freuten sich über diesen Anblick, denn endlich könnten sie guten Gewissens schlafen. Sie hatten ein wenig Angst gehabt, dass dieser Perversling ausbrechen, in Haudraufs Haus einbrechen und Hicks töten würde, da er ihn vor dem ganzen Dorf lächerlich gemacht hatte. Er hatte ihm schließlich dreimal so hart in die Eier getreten, dass unmöglich Nachkommen damit in die Welt setzen könnte.. und das war mehr als nur gut so.
„Hicks. Wie schön dich zu sehen. Komm lass dich mal ansehen." Auf einmal kam ein Mann aus der Menge. R hatte eine etwas angerostete Rüstung aus einfachem Eisen und einen schwarzen zerzausten Bart. Er war sehr groß und kräftig Gebaut. Ein Wikinger, wie er im Buche steht. „Alvin, schön dich auch mal wieder zu sehen." Hicks löste den Griff aus Astrids Händen und schritt aus den Gefängniswärter der Insel der Verbannten zu. Früher hatten sie krieg miteinander geführt, doch als man sich an einen Tisch setzte und einmal nach Hicks Methoden verhandelte, da wurden schnell die Differenzen aus der Welt geschafft und seitdem harmonierte Berk mit dieser Insel. Auch bei den anderen hatte sich Alvin beliebt gemacht. Bei vielen Stämmen kam er regelmäßig und entsorgte den menschlichen Abfall. Besser bekannt unter Mördern, Dieben oder Vergewaltigern. Dann sperrte er sie gegen einen guten preis auf seiner Insel ein.
„Meine Güte Hicks du bist seit unserer letzten Begegnung ganz schön gewachsen. Wie machst du denn das bloß. Als mit uns verhandelt hast, da warst du doch gerade erst fünfzehn und wie alt bist du jetzt?" - „20. ich bin zwanzig Jahre alt." - „Bei Odin ein junger stattlicher Mann ist aus dem kleinen jungen geworden. Und ist das da hinter dir etwas die kleine Astrid?" - „Ja, das bin ich." Kam es lächelnd von ihr zurück. Alvin ging auf sie zu, nahm ihre Hand und gab ihr höflich einen Handkuss. „Ich bin erstaunt. Ich dachte gerade die Göttin Freyja steht persönlich hier." - „Oh danke."
Früher hatte sie Alvin nicht sehr gemocht, doch als sie mit ihm Frieden geschlossen hatten, zeigte sich der Anführer der Verbannten plötzlich von einer ganz anderen Seite. Er war höflich, badete sich regelmäßig und zog auch andere Sachen an. Teure Gewänder aus Seide, denn der Handel mit Gefangenen hatte ihn zu erheblichem Reichtum gebracht.
Und nun konnte Astrid ihn eigentlich richtig gut leiden. Und selbst seine Handküsse waren nicht sehr ekelig, da er wie ein Gentleman es nur andeutete.

Und dann kam Rotzbacke. In Ketten vorgeführt, wurde er in den Laderaum von Alvins Schiff gebracht. Schnell und hastig, denn die Einwohner Berks spuckten schon auf dem Sohn von Kotzbacke, welcher beschämt das ganze Geschehen von einer dunklen Nische aus beobachtete. Der ganze Stolz der Familie war dahin gewesen und nun würde er von Berk ins Exil gehen. Was hatte er hier noch verloren, denn sein Sohn hatte keine Ehre mehr. Schon manche Anmachversuche waren grenzwertig gewesen, aber das war nun zu viel. Rotzbacke war nicht mehr sein Sohn. Aus und ende. Ein letztes Mal schaute Rotzbacke aus den Gittern des Schiffes und blickte traurig aus Astrid. Die hatte jedoch keinen Funken Mitleid mit ihm und drehte sich mit einem wütenden Blick weg. Zum Glück hatten sie ihn schnell an Bord gebracht, denn dann hätte die junge Wikingerin ihn sicher Umgebracht, so viel Wut staute sich gerade in ihr auf.
Doch sie beherrschte sich.
„Also bis dann Hicks. Muss noch zu den Berserkern einen. Ebenfalls einen verräterischen Sohn namens Dagur abholen. Man sieht sich und wünsche dir viel Glück mit Astrid. Ihr seid wirklich ein wundervolles Paar." - „Ja bis dann Alvin." Der Verbannte ging wieder auf sein Schiff, ließ veranlassen, dass die Segel gesetzt werden würden und schipperte schließlich gemütlich und mit der Tatsache, dass er durch diesen gefangenen wieder einen Beutel voller Silbermünzen eingenommen hatte, von dannen.

Schnell verschwanden wieder die Wikinger vom Ort des Geschehens und widmeten sich wieder ihren üblichen Aktivitäten. Und auch Hicks machte sich mit seiner Astrid auf den Weg zur Arena.
Sie waren auf halber Strecke und abseits des Dorfe, da fasste sich die junge Wikingerin allen Mut zusammen und drängelte Hicks in eine Ecke. Perplex und völlig verwirrt, schaute er sie an und fragte schließlich, als sie abseits des Weges waren, wo sie niemand hören konnte: „Was soll das Theater?" - „Was das Soll!?" Sie schaute ihren Liebsten streng an. Ihre Augen fixierten ihn regelrecht. „Du bist im Begriff, dich in einen Nachtschatten zu verwandeln und du hast es nur bisher mir gesagt. Wenn du willst, dass die Prognosen dieses Nachtschattens in Erfüllung gehen sollen und dich alle hassen würden, dann schweige ruhig weiter.Doch ich werde es nicht tun. Hicks Haddock. Ich stelle dir hiermit ein Ultimatum. Wenn du nicht bis heute Abend, allen gesagt, hast, was mit dir passiert, dann sage ich es. Denn ich will mit dir weiter leben. In Frieden und mit dem Rest des Dorfes zusammen. Und das willst du doch auch."
Jetzt brach die Maske. Astrid hatte es endlich geschafft. Hicks war traurig. Er konnte es nicht verbergen und seine Freundin hatte recht. Er musste es gestehen, sonst würde er wirklich gejagt werden. Wenn er alle Dorfbewohner rechtzeitig aufklären könnte, kann hätte man auch eine Chance, dass ein Nachtschatten friedlich zusammen mit den anderen leben könnte. Und Astrid hatte es ihm angedroht, es aus zu plaudern und in solchen Sachen meinte sie es tot ernst.
So schritten sie mit gemischten Gefühlen weiter zur Arena. Der Unterricht sollte erst einmal normal verlaufen. Er würde es Abend gestehen. Oh wie schwer ihm diese Worte fallen würden.

Der Fluch des NachtschattensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt