Das Haus eines Drachentöters II

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Sie hatten in einem kleinen Waldstück abseits des Hauses zur Landung angesetzt. Ohnezahn hielt es für sicherer, nicht auf dem freien Feld herunter zu gehen. Man konnte nie wissen, ob Wachen der Berserker in der Nähe waren. Doch die Gegend sah, aus, als wäre niemand seit Mehltaus Tod hierhergekommen. Das Haus sah unberührt und heruntergekommen, wie vorher aus. Entweder hatten es die Berserker nicht gefunden oder für nicht wert gehalten, geplündert zu werden. Für Hicks wäre es umso besser, denn dann würden all die Waffen und Hilfsmittel immer noch unter den Fußbodendielen liegen. Drachentöterwaffen frei Haus.

„Und wie willst du jetzt vorgehen, Hicks?" Ohnezahn war ein wenig besorgt, dass man ihre Anwesenheit doch bemerkt haben könnte. Aber Hicks beruhigte ihn.

„Wir schleichen uns herüber und gehen beide ins Haus, wenn einer Wache steht, würde das auffallen, falls doch jemand vorbeikommt. Ich werde die Bodendielen entfernen und die Waffen herausholen, die wir brauchen und machen uns wieder vom Acker?" – „Gut."

Hicks wagte sich als Erster aus den Büschen. Immer noch kein Anzeichen, dass Berserker in der Nähe waren. Sicherlich hatten sich die meisten schon schlafen gelegt und die Wachen draußen an den feuern waren die letzten, die noch wach waren. Vorsichtig und leise schlich er von Deckung zu Deckung. Selbst Ohnezahn musste sich mit seinen feinen Ohren anstrengen, ihn wahrzunehmen. Als Drachentöter musste er wirklich ausgezeichnet gewesen sein, dachte der Drache so nach. Er hatte ihn ebenfalls zur Strecke gebracht.

Hicks bewegte sich mit den Schatten, die der Mond warf, weiter Richtung Haus. Jetzt war er sicher, dass hier kein einziger Berserker anwesend war. Er hätte längst etwas hören müssen, doch da war nichts. Er verließ seine Deckung und lief, wie er es immer früher getan hatte, zum Haus seines alten Meisters. Es war niemand außer den beiden hier. Kein Berserker, nicht einmal ein Schrecklicher Schrecken, der fauchen würde, war zu hören. So totenstill, war selbst hier oben selten gewesen. Dann machte er sich an die Tür des Hauses. Sie war weder verriegelt, noch klemmte sie. Es war für Hicks ein Leichtes in das Haus einzudringen und es zu durchsuchen.

Er schaute hinter den Vorhängen, unter dem Bett. Er sah sich selbst im Dachstuhl um, um einen Hinterhalt ausschließen zu können. Nichts. Überall hatte sich eine dicke Staubschicht niedergelassen. Es sah wirklich so aus, als ob niemand diesen Ort für Jahre betreten hätte. Nicht einmal die Berserker mussten dieses hausgeplündert haben. Auf dem einen Tisch lag immer noch die Farbe und die Nadel, mit denen Mehltau Hicks seine Tätowierung verpasst hatte. Kurz erinnerte er sich an das damalige Gespräch mit seinem Alten Meister und fasste sich an die Brust. Das Tattoo war mit der Auflösung des Fluches verschwunden. Aber wenn das alles hier vorbei wäre, würde er sich vielleicht wieder eines stechen. Vielleicht einen Nachtschatten.

Dann ging er wieder zur Tür und signalisierte Ohnezahn, dass die Luft rein war. Sofort schlich sich der Nachtschatten über verschiedene Büsche zu Haus und huschte durch die Tür. Hicks verschloss sie sofort, um den Anschein zu erwecken, dass niemand hier sein würde.

„Ich fühle mich hier nicht sehr wohl, Hicks. Können wir das schnell hinter uns bringen und verschwinden?" Beim Anblick der an der Decke hängenden Äxte und Schwerte, überkam dem Nachtschatten ein ungutes Gefühl. Noch nie war in dem Haus eines Drachenjägers gewesen. Eine komische Situation.

„Keine Sorge, Ohnezahn. Wir blieben nicht lange.", versuchte Hicks ihn zu beruhigen. Mit diesen Worten drehte er sich um und wandte sich dem Boden zu. Mit einem Feuerstein und einem Eisen zündete er ein kleines Stück Holz an und schaute unter die Dielen.

„Sind die Waffen noch da?" – „Allesamt. Nichts ist weggekommen, Ohnezahn." Hicks war erleichtert. Sein altes Depot war unangetastet und vollständig. Damit könnten sie den Überwilden gleich mehrmals besiegen.

„Dann hohl das Zeug schnell raus und wir verschwinden von hier." Das ließ sich Hicks nicht zweimal sagen. Er nahm sich ein Schwert und fing an zwei Bodendielen herauszuheben. Es quetschte und knarzte, als sich das Holz von den Balken löste. Ohnezahn hatte schon Angst, dass man es im ganzen Dorf hören würde.

„Geht das nicht leiser?" – „Ein Plasmaball wäre Lauter. Eine Luke gibt es nicht, denn dieses Depot sollte keiner aus unserem Dorf finden. Mein Drachentötertraining war schließlich geheim." Mit diesen Worten machte er noch einmal einen kräftigen Ruck und die Dielen krachten mit einem knarzen aus ihrer Fassung. Ohnezahn duckte sich bei dem Geräusch formlich weg, fast so, als wolle er einem Geschoss ausweichen.

Dann war das Depot freigelegt und Hicks räumte die Bretter zur Seite. Für Ohnezahn wurde gerade der schlimmste Albtraum wahr. Waffen zum Töten von Drachen vom allerfeinsten und in einer Zahl, mit der man ein ganzes Dorf hätte ausstatten können. „Sage mal, wolltest du eine Armee, damit ausrüsten?" – „Nein. Das sind Waffen für meinen Bedarf." Sofort sprang Hicks in die Mulde und suchte sich einige Stücke zusammen. Als erstes viel ihm seine schwarze Lederrüstung mit dem Kapuzenumhang in die Hände.

„Hier, das werde ich gleich mal anziehen." Er warf den Sack mit der Rüstung nach Oben zu Ohnezahn. Der schaute aber weiter, was Hicks trieb: „Ouh meine beiden Schwerter. Die sind aus einem speziellen Gronckeleisen gefertigt. Durchdringt jede Art von Schuppenpanzer." Sofort waren die beiden Klingen nach oben befördert, da machte sich Hicks schon an die Nächste Sache. „Mein Bogen und Pfeile getaucht in das Gift des schnellen Stachels. Damit schießt man jeden Drachen vom Himmel und man muss nicht einmal genau treffen." Als er junge Wikinger, das nach oben schob, wich Ohnezahn ein wenig zurück. Er hatte großen Respekt vor diesen teilweise unfairen Waffen.

„Aber, wie willst du damit einen Überwilden töten? Da brauchst du schon etwas anderes, Hicks." – „Ich suche ja noch nach etwas ganz Bestimmtem." Hicks kramte in einer Kiste. Da waren noch alte Dolche und Armbrüste. Aber damit würde man einen so großen Drachen nicht zur Strecke bringen. Dann endlich hatte er es gefunden. In einer separaten Kiste lag es. Sofort Stieg Hicks wieder nach oben und wollte seinem besten Freund sein kleines Ass im Ärmel zeigen.

„Was ist das?", kam es verwundert vom Nachtschatten. Hicks öffnete die Kiste und holte mehrere versiegelte Flaschen aus Gronckeleisen heraus. Für Wikinger ein ungewöhnliches Gefäß, aber Hicks hatte seine Begründung: „Man nehme das Gift des schnellen Stachels und koche dieses im Verhältnis 3 zu 1 mit den giftigen Tränen des Klingenpeitschlings. Wenn das Gebräu abgekühlt ist, gebe man eine kleine Karaffe Säure vom Wechselflügler hinzu und man erhält das stärkste Gift, das die Wikingerwelt je gesehen hat. Wenn das keinen Überwilden umhaut, will ich ein Feuerwurm sein. Es ist so tödlich, dass selbst ein Atemzug von den Dämpfen ein ganzes Wikingerdorf ausradieren kann. Nur unter größter Vorsicht konnten Mehltau und ich das Zeug zusammenmixen. Eine Flasche von dem hier müsste für den Überwilden reichen."

Ohnezahn wich aus Respekt vor dem Gift gleich noch zwei Schritte zurück. „Keine Sorge, die Flaschen sind versiegelt. Da kann nichts passieren." – „Und wie willst du dieses Zeug in den Überwilden bekommen?" – „Ich werde meine Klinge damit versetzen. Wir haben das Gift damals gemischt, um Großdrachen, bei denen unsere Waffen die Lebenswichtigen Organe nicht erreichen konnten, erlegen zu können. Ein Schnitt, und das Gift verteilt sich im ganzen Körper. In wenigen Sekunden müsste der Drache tot sein." Ohnezahn bekam ein ungutes Gefühl bei der Sache, aber wenn es helfen sollte, würden sie es einsetzen.

„Nun lass uns aber hier verschwinden." – „Schon gut, Ohnezahn. Ich ziehe mich nur schnell um." Hicks legte die Flaschen mit dem Gift bei Seite und machte sich daran, seine Rüstung anzuziehen.


Der Fluch des NachtschattensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt