Die Nacht verging. Der Morgen graute und Hicks und Ohnezahn hatten den wohl schlechtesten Schlaf gefunden, den sie jemals hatten.
Nicht nur, dass der Albtraum ihnen diese mehr traurige Geschichte erzählt hatte, sie konnten sich auch langsam ein Bild aus ihrem Traum machen, der sie immer noch ständig plagte. Ohnezahn war fest davon überzeugt, dass die Drachenmagie ihnen etwas mitteilen wollte. Diese starke Macht, die jeder Drache unterschiedlich ausgeprägt besaß, konnte mehr, als die meisten sich vorstellen konnten. Auch der Nachtschatten, der in Hicks Bewusstsein sein Dasein fand, wusste dies.
Die ganze Nacht grübelte er weiter. Hicks hatte Recht. Da waren doch Gemeinsamkeiten, oder täuschte er sich. Jedenfalls konnte es gut möglich sein, dass da Parallelen zwischen dem Traum und der Geschichte vorhanden sein könnten.
Doch dann ein Hahnenschrei. Der Nachtschatten hatte nicht bemerkt, dass sich der Morgen genähert hatte. Die Sonne funkelte leicht durch den Bretterverschlag ihrer Höhle durch und kitzelte Hicks Nase, was dazu führte, dass er sich unruhig auf die Seite drehte.
Ohnezahn indes grübelte einfach weiter. Was Hicks ihm gestern gesagt hatte konnte einem sehr zu Bedenken geben. Vielleicht war da etwas dran, vielleicht auch nicht. Ähnlichkeiten hatte der von Hakenzahn beschriebene Mann, der wohl da draußen sein Unwesen trieb und Drache um Drache einfing. Er könnte sich aber auch täuschen.
„Morgen Ohnezahn!", ertönte es auf einmal in den Gedanken des Drachen. „Morgen Hicks. Sage mal, bist du schon wach?" Verschlafen drehte sich Hicks wieder zurück, um Astrid weiter mit einem Flügel zudecken zu können, Er hatte vorhin gar nicht beachtet, dass sie immer noch neben ihm lag und sich an hin gekuschelt hatte. Für einen Moment lag sie nicht zugedeckt da. Und da das Feuer schon in der Nacht ausging, war es in der Höhle leicht frisch. Der Luftzug machte dies nicht gerade besser.
Schnell hatte er sich wieder zu ihr gedreht und und einen Flügel um sie gelegt, als sie sich wieder dicht an ihn heran kuschelte. Kurz atmete Hicks ein und aus, als er zu seinem Freund sagte: „Du weist, dass unsere zwei Seelen sich einen Körper teilen. Und wenn du die ganze Nacht nachdenkst kann ich nicht in Ruhe schlafen. So einfach ist das.", brummte er ein wenig müde.
„Tut mir leid, doch ging mir dieses Thema nicht mehr aus dem Kopf.", versuchte er sich zu rechtfertigen. „Ist ja schon gut Kumpel. Lass uns jetzt am besten aufstehen und nach Hakenzahn sehen. Wir brauchen für ihn noch eine Unterkunft, wenn er länger bleiben will. In der großen Halle kann er ja unmöglich den ganzen Winter verbringen."
Hicks hatte recht. Irgendwo mussten sie unterbringen, doch wo? Vielleicht müssten sie einen extra Schuppen bauen, aber müsste der um einiges größer sein, damit der Drache überhaupt rein passen würde. Schließlich sprach man hier von einem riesenhaften Albtraum. Ein Drache der eine Spannweite erreichen konnte, wie ein Wikingerschiff lang war. Den musste man irgendwie unter bekommen.
Hicks richtete sich auf, bedeckte Astrid sanft mit einem weiteren Schaffell und trotte langsam aus der Höhle.
Es war früh am Morgen. In Neu Berk war noch nicht viel los. Der Schornstein in Grobians Schmiede rauchte schon und einige Wikinger stapfen durch den Schnee, um in den Ställen die tägliche Ration Yackmilch zu holen.
„Und Hicks. Willst du nun zu ihm gehen, oder möchtest du noch weiter hier stehen?", fragte Ohnezahn etwas ungeduldig. Hicks schüttelte, in Gedanken versunken, seinen Kopf und schlug sofort den Weg in Richtung große Halle ein. Hakenzahn würde vielleicht noch schlafen, aber wäre es besser ihn jetzt zu wecken, denn so könnte ihnen noch etwas erzählen. Manchmal vergaß man etwas. Und dem Gelbfieberausbruch zu urteilen wäre dies wahrscheinlich.
So schritt er in der Hoffnung, noch etwas mehr zu erfahren, zur großen Halle. Ohnezahn war ebenso gespannt wie Hicks, wollte doch Hakenzahn eigentlich zum guten Alpha weiter fliegen, um dessen Hilfe zu erbitten. Doch der Nachtschatten hatte da so seine bedenken, wenn er sich erinnerte, dass dieser gigantische Drache sehr stur sein konnte...
GROBIANS SCHMIEDE
Der alte Schmied hatte gerade die Esse angefeuert. Die wohlige Wärme des Ofens verbreitete sich schnell im Raum und verdrängte die bittere Kälte des Winters.
Grobian liebte diese Tage, an denen eine dicke Schneedecke das Land bedeckt und er in der warmen Schmiede sitzen konnte, um seine Waffen aufzubereiten, oder neue her zu stellen. Immerhin brauche ein Dorf voller Wikinger viele Waffen, um sich zu verteidigen. Und nach dem Angriff von Dagur und der Flucht der letzten überlebenden Berkianer wollte jeder Einwohner so viel wie möglich an Schwerter und Äxten besitzen. Grobian kam schon mit den Bestellungen nicht nach.
Und dabei vermisste er die Tage, als Hicks noch mit helfen konnte. In Drachengestalt ging das schlecht, hatte er statt Hände, riesige Klauen. Allein schon um die Esse in Gang zu halten, musste der Schmied immer wieder seine Arbeit unterbrechen, um sie auf konstanter Temperatur zu halten. Ein schwierige Aufgabe, hatte er nur sehr wenig Holz als Vorrat geschlagen. Und wenn er nicht bald eine Lösung dafür finden würde, gäbe es ein arges Problem hier.
Doch noch blieb die Welt in Ordnung. Grobian begab sich wieder zu seinem Amboss, suchte sich eines seiner noch nicht vollständig geschmiedeten Schwerter und legte sie vorsichtig in die Esse.
Als dies erledigt war, hörte er auf einmal ein leises Brummen. „Hicks, schön, dass du deinen alten Meister mal wieder besuchst." Doch als er sich umdrehte, stand niemand im Eingang. Verwundert humpelte er nach vorne, um sich umzusehen, aber nichts. Kein Nachtschatten. „Komisch.", murmelte er in seinen Schnurrbart und wandte sich wieder der Esse zu. Dadurch, dass er die Tür aufmachen musste, war auch noch Kälte hinein gekommen. Wenn das mal keine Erkältung ergeben würde.
Plötzlich wieder dieses Brummen. Grobian wusste nicht, ob er verrückt geworden war, doch wandte er sich ein zweites mal um und lauschte.
Still war es. Nur das knistern des Feuers war zu hören, als wieder ein tiefes Brummen ertönte. „Nie und nimmer kann das ein Nachtschatten oder ein Albtraum sein.", sprach er zu sich. Es musste größer sein, oder zumindest massiger, um solch ein Brummen erzeugen zu können.
Die Frage, die sich jetzt aber stellte, war, wo das herkam. Vom Dorfplatz auf jeden Fall nicht. Also lauschte er ein zweites Mal intensiv, als es wieder ertönte.
„Hmmm. Vom Hintereingang. Mal sehen, was da los ist." Mit einer Axt bewaffnet und einen wilden Drachen erwartend, schritt er zur Hintertür der Schmiede und machte sich bereit, seinem Peiniger ins Auge zu blicken. Nach dem brummen musste es ein sehr großer Drache sein. Oder er besaß einfach viel Masse.
Langsam öffnete er die Tür und schritt nach draußen. Sofort schaute sich der erfahrene Drachenkämpfer um, doch nichts. Nicht einmal ein Anzeichen eines Drachen. Keine Fußspuren oder ein Anzeichen von verbrannten Bäumen. Gar nichts.
„Entweder werde ich langsam zu alt dafür, oder hier wohnt eine unsichtbare Drachenart. Aber für Wechselflügler ist das Brummen viel zu tief.", sprach er zu sich selbst, als es wieder ertönte.
Sofort drehte er sich zu einem scheinbaren Schneehaufen. Verwundert schaute er drein, als er sah, wie der Haufen aus gefrorenem Wasser vibrierte, als ein erneutes Brummen zu hören war. „Ach so brummender Schnee. Mal was ganz neues."
Sofort stapfte der alte Dorfschmied zu dem Haufen, um ihn zu untersuchen. Wenn da ein Drache drunter stecken würde, müsste der schon lange dort geschlafen haben.
Vorsichtig und immer die Axt griffbereit schob er den Schnee bei Seite und brachte ein dickes schuppiges braunes etwas zu Tage. „Du meine Güte. Das Teil ist ja zweimal fetter als ein Gronckel. Wenn das überhaupt reicht." Was er da zu Tage befördert hatte war dich, schuppig und in einem Mix aus Rostrot und Braun gefärbt. So eine Art Gronckel hatte der Schmied noch nie gesehen.
Doch plötzlich riss das Vieh die Augen auf. Grobian schnappte sich so schnell es ging seine Axt und brachte sich in Stellung. Aber das interessierte den dicken Drachen reichlich wenig. Mit seinen kurzen Beinen richtete er sich auf und tapste ohne Vorwarnung durch die Tür in die Schmiede. Grobian mit seiner drohenden Axt wurde dabei gekonnt links liegen gelassen.
„Bei meiner Unterhose." Grobian konnte es nicht fassen. Eigentlich griff ein Drache sofort einen Menschen mit einer Waffe an. Nur dieser bildete die Ausnahme.
Sofort hatte es sich der gewichtige Drache vor der warmen Esse gemütlich gemacht und schlief einfach weiter.
Grobian, der immer nicht wusste, was er von der Situation halten sollte, kehrte zurück, schloss die Tür und starrte den dicken Drachen an. Seine Axt ließ er am Türrahmen stehen, da von diesem Reptil wohl keine Bedrohung ausgehen würde. Schlummernd drehte sich der Drache und schmatzte, bevor er in das Land der Träume entglitt.
„Bei Odin. Was soll das?" Grobian näherte sich dem Drachen, betrachtete ihn noch mal, um auszuschließen, dass er wirklich eine Bedrohung darstellen könnte, wandte sich aber wieder der Esse zu, die wieder befeuert werden musste.
Er legte sich die Scheite aus Hartholz zurecht, klopfte noch einmal den Stab von ihnen ab und wollte sie gerade in den Ofen legen, als plötzlich hinter ihm ein Drache zum Niesen ansetzte. Scheinbar schien diesem Reptil der Holzstaub nicht sehr zu bekommen.
„Oh verdammt...der wird niesen!", sofort machte sich der Schmied aus dem Staub, indem er zur Seite sprang. Nur eine Sekunde später wurde ein Schwall aus glühendem Gestein in die Esse abgegeben.
Nachdem der Drache den Nieser los gelassen hatte, drehte er sich wieder ein, um unbeirrt weiter zu schlafen. Doch Grobian war beeindruckt. Scheinbar hatte er jetzt ein Problem für seine Holzknappheit gefunden. „Du kannst bleiben...du...was auch immer für ein Drache du bist."
Damit wandte er sich wieder seinen Schwertern zu und fertigte weiter neue Waffen...
DU LIEST GERADE
Der Fluch des Nachtschattens
FanfictionHicks verfolgt nur ein Ziel: Der beste Drachentöter zu werden, den die Welt je gesehen hat. Als er jedoch bei Grobians Drachenunterricht nicht zugelassen wird und niemand sich für die Interessen des Häuptlingssohns einsezt, bekommt er eine Chance, e...