Der neue Nachtschatten

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Immer noch umarmte Astrid ihren Hicks. Sie konnte zwar immer noch nicht fassen, was mit ihrem lieben passiert ist, doch war sie froh, dass diese elenden Schmerzen, die ihr Hicks ertragen musste vorbei waren. Mit der Konsequenz aber, dass er nun ein Nachtschatten war. Er, der sonst jeden Drachen getötet hat, war selbst zu einem geworden.
Die anderen befreiten sich nur langsam aus dem Schock, der aus dem Anblick resultierte, der sich ihnen bot. Fischbein schien eine neue Unterhose zu brauchen, genau so wie der rüstige Dorfschmied. Grobian musste teilweise sogar wegschauen, denn die Schmerzen kamen ihm schon beim Zusehen. Hicks musste ein Leid durchfahren haben, was nicht einmal in Ragnarök praktiziert wurde. Der Junge tat ihm nur leid, vor allem, da er sich viele Zeiten um ihn gekümmert hatte, da Haudrauf viel zu beschäftigt war. Er hatte so zu sagen Hicks Mutter ersetzt, oder versuchte es zumindest. Und auch jetzt hielt er zu ihm, denn er sah genau, dass Hicks immer noch der Kerl war, wie vor der Verwandlung, nur halt jetzt ein wenig drachiger.
„Hicks mein Sohn.", kam es plötzlich noch einmal von Haudrauf. Der Nachtschatten, der immer noch im festen Griff von Astrid war, erhob seinen Kopf und blickte mit Tränen in den Augen zu seinem Vater, doch er hatte selbst noch ein ganz verschmiertes Gesicht. Er konnte nicht fasse, was da seinem Sohn angetan worden war. Man hatte ihn gegen seinen Willen in ein Monster verwandelt. Doch eine Tatsache erleichtere den Häuptling von Berk. Sein Sohn hatte immer noch seinen Verstand und dachte noch wie ein Wikinger. Er war keine ruchlose Bestie, wie die anderen Drachen, die alle paar Tage das Dorf angegriffen haben.
Ein brummen kam von dem Nachtschatten, der immer noch seine Augen auf den Mann fixierte, de seinen Vater verkörperte. Traurig und wimmernd kam es über seine Lippen, als wollte er ihm sagen, dass es ihm leid tat. Doch Haudrauf versandt ihn auch ohne Worte: „Hicks, du wirst immer mein Sohn bleiben, egal was kommt. Nur will ich nicht, dass du von Berk fliehen musst, wenn nicht alle hier einverstanden sind." Das machte den verwandelten Menschen Glück. Ihm wurde bei diesen Worten regelrecht warm ums Herz. Er darf bleiben. Er darf weiter hier leben, als Drache. „Und wer nicht damit einverstanden ist, dass mein Sohn hier bleiben soll, der soll sich sofort erheben und diese Insel verlassen.", wandte er sich schließlich an alle Berkianer.
Die jedoch blieben sitzen. Alle. Sie haben es genau mit bekommen. Hicks war immer noch der alte und selbst wenn er ein Nachtschatten war. In einem Wikingerdorf hielt man zusammen, egal was kommt. Das Leben ist schon sowieso hart genug und man konnte auf keinen verzichten, selbst wenn er in einen Drachen verwandelt worden wäre. Alle blieben sie auf ihren Plätzen und sahen entschlossen zu den dreien, die sich im Mittelpunkt der großen Halle befanden. Niemand hatte Einwände. Niemand würde es nur wagen, sich gegen Haudrauf zu stellen. Er hatte so viel für das Dorf getan und Hicks hat nicht zuletzt den Drachenangriff fast im Alleingang erledigt. Sie waren stolz, wenn nicht sogar noch mehr. Jetzt war Hicks ein Drache und damit hätten sie einen Vorteil gegenüber den Angriffen, den diese Reptilien flogen. Einige sahen das so, doch nicht Haudrauf und ganz besonders nicht Astrid, Sie hatte sich immer noch um Hicks dicken und starken Hals geklammert, als dieser anfing zu brummen. Nur kurze Zeit später wandte sie ihren Blick auf, löste sich aus ihrem griff und schaute in die immer noch tief grünen Augen den Nachtschattens.
„H...Hicks, egal was passiert, ich werde dich immer lieben.", war das einzige, was sie zu Stande brachte. Mehr viel ihr auch nicht ein. Mehr brauchte sie auch gar nicht sagen, denn der Nachtschatten vor ihr fing an vor Erleichterung und Freude an zu weinen. Hicks war gerührt. Astrid liebte ihn immer noch. Sie liebte einen Nachtschatten. Das war der endgültige Beweis, dass es der blonden Wikingerin nicht nur ums äußere, sondern auch um die inneren Werte ging. Es war klar, Hicks sah schon als Mensch gut aus, doch schätze sie vor allem seinen Charakter. Der Nachtschatten gurrte nur vorsichtig. Hicks konnte seine Freue nicht fassen und brachte nur dies zu Stande. Wie sollte er auch anders. Er musste sich wohl daran gewöhnen, mit diesen Lauten zu kommunizieren, doch halt, da kam etwas in dem ehemaligen Wikinger auf, was ihm vielleicht weiter helfen konnte. Das geschriebene Wort.
Astrid wusste nicht, das Hicks da gerade machte, doch ritzte er mit seiner Klaut einige Zeichen in den Stein unter ihm. Ja sogar so hart waren diese Klauen, dass sie in Stein ritzen konnten. Jedoch erkannte die Wikingerin schnell, um was es sich dabei handelte. Es waren Runen. Ihre Schrift, das geschriebene Wort. Hicks war wirklich schlau, das musste man sagen. Diese Tatsache allein, brachte über ihre Lippen ein kleines Lächeln. Nachdem der Drache sein Werk vollendet hatte, schritt sie ein wenig näher, und las vor: „Astrid mein Schatz. Ich werde dich auch immer lieben. Egal was kommt. Du bist die einzige für mich auf der Welt. Du bist die, die Licht in mein nun dunkles her bringt. I...Ich liebe dich für immer."
Bei diesen Worten konnte sie gar nicht anderes, als zusammen zu brechen. Hicks hatte ihr gerade die Liebe gestanden, wie sie es noch nie zuvor gehört hatte. Unter voller Emotion, brach sie zusammen, doch schlug sie nicht auf. In letzter Sekunde war Hicks wie aus Reflex aufgestanden und hielt sie. Schnell hatte sich die Junger Wikingerin in die Schuppen ihres Freundes fest gekrallt, als bemerkte, dass sie wieder genau vor einem seiner grünen Augen war. Dieses wunderschöne Grün, welches sie in den Bann zog. Es hatte trotz der Verwandlung an keinem Schimmer verloren. Im Gegenteil, es schien heller für sie zu leuchten, als jemals sonst.
Schnell versuchte sie wieder aus eigener Kraft halt zu finden, was ihr auch so halbwegs gelang. Sie loste sich aus dem Klammergriff um Hicks, der jetzt auf allen vieren Stand und sich nochmals in der Halle umblickte. Die Wikinger konnten nicht anders als starren. Wie auch, sie hatten noch nie im leben einen lebenden Nachtschatten gesehen und dann noch einer, der eigentlich keiner war. Hicks hingegen ließ von diesen Blicken ab und konzentrierte sich nur noch auf Astrid und seinen Vater. Die waren wieder ein wenig näher an ihn heran gerückt, wie auch die Zwillinge, und Fischbein.
Die beiden Chaoskumpels konnten nicht mehr vor Staunen. Sie machten nur große Augen und sagten kein Wort. Liebend gerne hätten sie wohl mit Hicks den ein oder anderen Streich gespielt, sie hatten spekuliert, falls seine Gedanken gelöscht werden würden, dass sie ihn zähmen und ihn für ihre Streiche einsetzen könnten, doch Pustekuchen. Aber nichtsdestotrotz fanden sie es einfach nur hammermäßig.
Fischbein hingegen würde Hicks am liebsten alles fragen. Wie es sich anfühlte, ein Nachtschatten zu sein, und was er so alles drauf hätte, Doch angesichts der Situation hielt er sich lieber zurück.
„Brumm." - „Ja Hicks?" Sofort schaute Astrid zu Hicks auf. Sie hatte nochmals den Kopf voller Sorge gesenkt, doch nun war es ihr Freund, von dem der Impuls ausging. Der Nachtschatten wies mit dem Kopf zum Ausgang der großen Halle. Astrid folgte dem Blick und erkannte gleich, was mit Hicks los war. Der Mond stand schon weit über dem Horizont und kündigte an, dass es bald Mitternacht werden würde. Dann war so einiges klar. Hicks war erschöpft. Er wollte nur noch schlafen, denn die Verwandlung hatte ihm Unmengen an Kraft gekostet. Und so langsam bemerkten auch die anderen, eingeschlossen Astrid, dass die Müdigkeit sie ummantelte, wie ein regen, der nicht aufhören wollte.
Es war ja auch schon spät gewesen, doch verging die Zeit nach der Transformation wie im Fluge. Auch die anderen Wikinger fingen schon langsam an zu gähnen, als auch hau drauf es nicht mehr unterdrücken konnte.
„So Leute von Berk. Geht nach hause und legt euch schlafen. Es ist schon spät und auch wir werden ins Bett gehen. Über Hicks besprechen wir dann auch alles Morgen, wenn die Stammesälteste noch dazu kommt." Haudrauf konnte es nicht unterdrücken, dass er auch Müde war. Kurz darauf musste er auch tief gähnen und verabschiedete sich aus der großen Halle. Im Gefolge Astrid und Hicks, der sich noch etwas wacker mit dem Gang auf vier Beinen schlug. Er musste das wohl noch richtig lernen, denn schon wie der Nachtschatten in seinen Gedanken gesagt hatte, würde es wohl kein zurück mehr geben. Doch so richtig wollte Hicks nicht dran glauben. Es musste doch irgend einen Weg geben, mit dem er wieder als Mensch unter ihnen wandeln könnte, aber wie? Hatte nicht der Nachtschatten gesagt, dass er eigentlich auf einer Mission war, um den krieg zwischen Drachen und Menschen zu beenden. Er hatte doch von irgend etwas erzählt, dass er geschickt wurde. Doch von wem und warum? Das war hier die Frage. Fakt war nur, dass die Drachen sie jetzt schon seit dem letzten Angriff nicht mehr überfallen hatten und das lag schon mehr als zwei Tage zurück. Sie wären längst überfällig. Das wunderte den Nachtschatten schon. Hicks überlegte weiter, während er zu seinem Haus ging.
Irgend etwas war da noch. Der Drache hatte in seinen Gedanken oder doch im Traum gesagt, dass dies die letzte Herde sei, die er befreien wollte. Also war seine Mission erledigt. Und Hicks musste ihn ausgerechnet dann abschießen.
Innerlich fluchte er jetzt: „Meine Güte Hicks, was hast du dir da nur eingebrockt.", sagte er zu sich selber und versuchte weiter zu überlegen. Bei Mehltau hatte er gelernt, schnell Zusammenhänge zu erkennen und sie zu nutzen.
Der Nachtschatten hatte also die macht, jemanden zu verfluchen, doch wurde er von jemanden geschickt. Wer immer dieses Wesen auch war, es musste noch eine höhere Macht haben, als der Nachtschatten, sonst würde es nicht seine befehle befolgen und wiederum musste dieses auch die Kraft haben, ihn zurück in einen Menschen zu verwandeln, da es ja eine größere Macht brauchte, um den Fluch zu brechen, die der Nachtschatten nicht hatte. Eigentlich logisch und einfach, dachte sich der ehemalige Wikinger, doch wie sollte er diesem jemand gegenübertreten? Sollte er ihm etwa sagen, dass er seinen Diener getötet hatte und nun wieder Mensch werden wollte? Das ging doch nicht gut. Das konnte nicht gut gehen. So schlug er sich diesen Gedanken, der gar nicht so verkehrt war, wieder aus dem Kopf. Welcher Drache würde schon dem besten Drachentöter helfen wollen?
Jetzt fand sich Hicks genau wieder in der misslichen Lage, wie vorhin. Er müsste wohl bis an das Ende seines Lebens so herum wandeln. Aber na gut, wenigstens hatte er noch seinen Verstand und seine Lieben, die zu ihm hielten. Mehr brauchte er gar nicht. Hicks konnte sich doch glücklich schätzen, dass er hier bleiben durfte. Und so versuchte er auch war positives aus der Situation zu ziehen.
Astrid hingegen dachte immer noch über Hicks nach. Sie liebte ihn doch immer noch so sehr, doch wie sollte das mit einem Drachen gehen? Wie sollten sie jemals eine Familie sein, oder sich lieben? Das ging doch jetzt gar nicht mehr. Aber egal, auch wenn der Schmerz in ihrem herzen groß war, konnte sie wenigstens von sich sagen, dass Hicks noch bei Verstand war und nicht den Instinkten eines Drachen erlag, wie dieses Monster, was ihn verflucht hatte. Wenigstens das bereitete ihr ein wenig Hoffnung, Hoffnung, dass alles gut gehen würde.
Aber spielte sie auch mit anderen Gedanken. Wenn man Hicks schon nicht mehr zurück verwandeln kann, dann muss das doch irgendwie auch mit ihr gehen. Dann könnten sie zusammen sein, eine Familie gründen und bis an ihre Lebensende glücklich sein, denn man wusste, dass Drachen um ein vielfaches älter werden können, als Menschen. Irgendwie musste sie das hin bekommen. Noch wusste sie nicht wie, doch ihr würde schon etwas einfallen. Ihr Astrid Hofferson.
Endlich hatten sie alle drei Haudraufs Haus erreicht. Der Häuptling verzog sich müde und ohne ein weiteres Wort zu sagen, in sein Bett und überließ den beiden das Feld. Hicks und Astrid zögerten doch nicht lange und verkrochen sich ebenfalls nach oben. Die Müdigkeit wurde immer intensiver und an und zu gähnten sie schon. Wenn Hicks das immer tat, dann riss er das Maul so weit auf, dass man denken könnte, dass da ein ganzes Fass rein passt. Eigentlich müsste Astrid davor Angst haben, aber sie hatte es nicht. Es war ihr Hicks und niemals würde sie sich von ihm fürchten.
„So Hicks, wie klären wir denn mit dem Schlafen. In dein Bett passt du so unmöglich.", musste die blonde Wikingerin fest stellen. Hicks passte nicht in das Bett und selbst wenn er sich dort hinein quetschen würde, hätte das Möbelstück das nicht lange ausgehalten. Doch getrennt wollten sie beide auch nicht schlafen, Also bekam Astrid gleich eine Idee: „Am besten ist es, wenn du dich nach Drachenart auf dem Boden zusammen rollst. Ich nehme mir einfach das ganze Bettzeug und lege mich dann zu dir. Bist du damit einverstanden?" Sofort erntete sie ein entschlossenes Nicken. Hicks schien der Plan zu gefallen.
So verschwand Astrid kurz in der Waschecke, zog ihr langes Nachthemd an und machte sich bettfertig, während Hicks schon mal das Kissen und die Decke mit seinem Maul auf den Boden beförderte und sich in einer anderen Ecke des Raumes zusammen rollte. Und eigentlich fand er das sogar recht angenehm. Diese Position war äußerst entspannend.
Die Flügel waren schnell angelegt und der Schweif eingerollt. Wie aus Reflex schien er das zu beherrschen. Anscheinend, hatte er doch ein wenig von den Dracheninstinkten ab bekommen. Jedenfalls nicht so viele.
„So Hicks da bin ich wieder....oh du hast schon alles vor bereitet. Danke." Astrid musste lächeln, als sie sah, wie sich der Nachtschatten eingerollt hatte und sich am Bauch das Bettzeug befand. Doch Hicks zögerte nicht und deutete mit einer Kopfbewegung, dass sie zu ihm kommen sollte. „Ja ja ja Hicks, komme ja schon." Und so schritt sie zu ihm. Schnell hatte sie sich an seinen Bauch an gekuschelt und sich mit der Decke zu gedeckt. Das Kissen bildete das des Bettes und eine von Hicks Vorderpranken.
Sie fand es ausgesprochen gemütlich. Und trotzdem konnte sie es immer noch nicht fassen. Sie lag neben einen Drachen, der sie beschützte. Ihr Hicks.
Der legte noch als zusätzliche Decke einen Flügel um sie und drehte seinen Kopf ein, um an ihren zu kommen. Wie eine Katze nahm Astrid die Einladung an und schmiegte sich noch dichter an ihren Nachtschatten. Sie konnte seinen tiefen Atem hören und sein großes kräftiges Herz schlagen, wie es ruhig sich in seiner Brust befand. Ein Takt, der ihr das Gefühl gab, behütet zu werden. Behütet von einem Nachtschatten...

Der Fluch des NachtschattensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt