Eine kleine Insel

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Berk wurde kleiner und kleiner. Die Wolken zogen dahin und vor ihnen lag nur das offene Meer. Ohnezahn flog jetzt schon eine ganze Weile immer nur gerade aus. Er selbst wusste nicht genau, wo er jetzt am besten landen sollte, da alle Inseln entweder von Wikingern besiedelt oder nur solche kargen Flecken auf der Karte waren, an denen man lieber nicht landete. Sicher würde es irgendwo was geben, wo sie hätten landen können, doch nach einer Stunde, nachdem sie von ihrer alten Insel geflohen waren, konnten sie sich noch keine großen Hoffnungen machen.
Ohnezahn hingegen musste sich erst einmal rein finden, wieder zu fliegen. Er war zwar erst seit einigen Tagen im Körper von Hicks, doch hatte er in der zeit so viele Male nicht die Möglichkeit gehabt, sich in die Lüfte zu erheben, dass er schon dachte, er hätte das fliegen verlernt. Doch schnell gewöhnte er sich an den Drachenkörper, der so bekannt, und doch gleichzeitig fremd war. Der Nachtschatten wusste ja, dass es nicht sein Körper war. Und das merkte er auch im Flugverhalten. Zwar war er geübt darin, doch musste auch Ohnezahn erst einmal mit einer größeren Flügelspannweite klar kommen. Ja es war wirklich so. Hicks Drachenkörper war ein klein wenig größer als er es früher war. Sicher um einige Fuß länger und auch in der Flügelspannweite hatte dieser Körper eindeutig die Nase vorn. Sicherlich würde er sich schnell an diese Größe gewöhnen, doch Ohnezahn musste an das Versprechen geben, dass er Hicks gab. Irgendwann, wenn sie gelandet waren, müsste er sich wieder zurück ziehen, damit der Wikinger wieder das Ruder übernehmen konnte.
Astrid hingegen wusste immer noch nicht was sie sagen sollte. Es schien so, als ob Hicks binnen weniger Momente, das Fliegen raus bekommen hatte. Am Anfang war es noch ein wenig wackelig, doch jetzt über dem offenen Meer, schien es schon viel besser zu laufen. Sie hatte eigentlich gedacht, dass Hicks länger brauchen würde, um zu fliegen, doch das hatte sie wirklich sehr überrascht. Besonders das ihr Liebling auf einmal auch die Kunst des Feuerspeiens zu beherrschen schien und dies auch zur Verteidigung eingesetzt hatte. Und noch etwas viel ihr auf. Hicks hatte in der Zeit, als sie nun in der Luft waren, keinen Laut von sich gegeben. Er flog einfach starr in irgend eine Richtung, als ob er irgend ein Ziel verfolgen würde, aber sicher konnte sich die blonde Wikingerin nicht sein. Vielleicht war das auch gar nicht Hicks, der sie da eben gerettet hatte. Vielleicht war es der Nachtschatten, der schlussendlich Mitleid mit ihnen hatte und Hicks zeigte, wie man flog. Oder hatte er gar die Kontrolle über den Körper ihres geliebten übernommen? Im ersten Moment schien das glaubwürdig zu klingen, aber auch gruselig. Was wenn dadurch Hicks Seele verloren gehen würde, dass sie ihn nie wieder sehen könnte? Gedanken machte sie sich schon, doch waren dies alles nur Vermutungen. Sicher könnten auch bei Hicks die Instinkte eingesetzt haben, die bei Drachen normalerweise üblich waren, um sich, in die Enge getrieben, zu verteidigen.
Hicks hingegen konnte nur sehen und hören, was ablief. Er war weder in der Lage etwas zu tun, noch zu handeln. Höchstens hätte er Ohnezahn ansprechen können, was er jedoch bis jetzt nicht getan hatte, da er immer noch nicht glauben konnte, was vorhin passiert war. Ohnezahn hatte die Kontrolle über seinen Körper übernommen, aber nur mit seiner Erlaubnis. Hätte er das nicht gemacht, dann würde jetzt Astrid die schlimmsten Stunden ihres Leben erleben und er wäre höchst wahrscheinlich von Dagur enthauptet worden, damit der wahnsinnige ihn dann über seinen Kamin hätte hängen können. Das war eine so abartige Vorstellung, dass Hicks lieber nicht daran denken wollte. Jetzt hatten sie es ja geschafft, nur müssten sie bald auf eine Insel treffen, die gleichzeitig unbewohnt und doch Raum bieten würde, um zu überleben.
„Danke Ohnezahn. Danke, dass du Astrid gerettet hast. Ich schulde dir etwas.", kam es nach reichlicher Überlegung von dem ehemaligen Drachentöter. Er wartete kurz auf Antwort, als diese von dem Nachtschatten kam. „Bitte Hicks. Es wäre ja auch mein leben gewesen, was dahin gegangen wäre. Und bitte, wenn dir deine Freundin so viel wert ist?" - „Sie ist alles, was ich jetzt noch habe. Ihr darf einfach nichts geschehen. Ich mache mir nur Sorgen um sie.", antwortete Hicks darauf, denn ihm war das Wohl seiner Freundin wichtiger, als das seine. Hicks würde alles tun, damit Astrid ein weiter glückliches Leben haben könnte. Jedoch nach diesem einschneidenden Erlebnis, würde das nicht allzu bald der Fall werden. „Du scheinst dir wirklich mehr Sorgen um andere zu machen, als um dich selbst.", schlussfolgerte der Nachtschatten zu Hicks. „Wenn du meinst. Auf jeden Fall darf Astrid nichts schlimmes widerfahren. Sie wurde schon mal fast vergewaltigt, doch konnte ich in letzter Sekunde eingreifen." - „Hicks, ich muss schon sagen, ich bin beeindruckt. Nicht einmal viele Drachen besitzen die Gabe, sich für andere einzusetzen und das eigene leben in den Hintergrund zu stellen. Wenn du schon immer ein Nachtschatten gewesen wärst, dann würdest du sicher bald einen guten Alpha abgeben.", kam es eher freundlich vom Drachen, der wohl versuchte, ein bisschen das Thema zu wechseln.
„Ein was?" Hicks war verwundert, von dem, was Ohnezahn sprach. „Was ist bitteschön ein Alpha?" Die Antwort kam sogleich. „Ein Alpha oder eine Drachenkönigin sind wie die Häuptlinge eines Wikingerstammes. Sie sind ihre Anführer und versuchen mit allen Drachen in Einklang und Harmonie zu leben. Jedoch gab es unter ihnen auch schwarze Schafe. Ich wurde von meinem Alpha, dem Überwilden, ausgewählt, um die letzte Drachenkönigin aus zu merzen und ihren Fluch zu brechen, was ich auch geschafft habe.", beendete Ohnezahn seinen kleinen Vortrag.
Hicks hingegen musste das erst mal verdauen. Die Drachen hatten genau solche Anführer und Strukturen, wie bei den Wikingern. Das war schon etwas, was der ehemalige schwarze Tod nie vermutet hätte, trotz all dem Wissen, was er über Drachen angehäuft hatte. Hicks konnte zwar den Körperbau eines Glutkessels in und auswendig vortragen, doch die sozialen Strukturen von Drachen waren ihm ein völlig neues Thema. So etwas war ihm völlig unbekannt. Aber na gut, Man wollte ja Drachen hauptsächlich erforschen, um sie besser töten zu können und nicht, wie sie lebten.
„Sage mal Ohnezahn, wenn wir nicht nach Berk zurück kehren können, was sollen wir dann machen. Fliegen wir dann zu deinem Alpha in dieses Drachennest?" - „Also erst einmal heißt es Drachenhort. Im Drachennest ziehen wir unsere kleinen groß. Und bei der Frage weiß ich es nicht so genau. Wenn der Alpha erfahren würde, wer du mal warst, würde er wohl keine Sekunde zögern und dich schockfrosten. Er kann nämlich ganze Landstriche in Gletscher verwandeln mit seinem Atem." Hicks wusste nicht, was er darauf antworten sollte. So gesehen, wenn sie wirklich nicht mehr nach Berk zurück kehren könnten und auch im Drachenhort nicht willkommen geheißen werden würden, dann müssten Astrid, Er und Ohnezahn sich ein völlig neues Zuhause aufbauen. Und das bereitete ihm Schmerzen. Er würde gerne wieder unter Leuten sein. Das würde ihm als auch seiner Freundin gut tun. Und sicherlich hätte der Alpha so viel an Drachenmagie gehabt, um ihn wieder in einen Menschen zu verwandeln. Und wer weiß. Vielleicht könnte er Ohnezahn wieder einen neuen Körper geben oder so. Hicks konnte ja die macht des Überwilden nicht einschätzen, von dem, was er bisher gehört hatte.
„Sicher werden wir einen Weg finden Hicks, doch jetzt erst einmal werden wir eine Insel suchen, wo wir rasten, du deinen Körper wieder zurück bekommst und Astrid sich auch erst einmal beruhigen kann, denn in den letzten Stunden, die wir geflogen sind, hat sie keinen einzigen laut von sich gegeben." - „Ja Ohnezahn. Wir sollten erst einmal in kleinen Schritten voran gehen, um uns dann größeren Zielen zu widmen." - „Eben und deswegen sage ich dir, dass wir irgendwo uns erst mal eine kleine Insel suchen, wo wir in Ruhe rasten können."
Dagegen hatte Hicks wirklich nichts ein zu wenden. Astrid könnte sich ein wenig an ihn kuscheln, während er mit Ohnezahn noch einige Dinge besprechen würde. Sicherlich war der Nachtschatten noch sauer auf den Drachentöter von Berk gewesen, aber innerlich wusste Hicks, dass auch er verzeihen würde können. Der Zeitpunkt würde kommen, doch jetzt war es eindeutig noch zu früh. So flogen sie weiter und weiter.
Nach einiger Zeit schließlich, Hicks hatte mit Ohnezahn noch die Augen nach einer Insel offen, passierte es. „Ohnezahn dort drüben!" - „Ja ich sehe es Hicks. Eine Insel. Klein und scheinbar unbewohnt mit einigen Wäldern. Ideal für uns."
Der Nachtschatten zog noch einmal das Tempo an, um diesen kleinen Fleck da am Horizont erreichen zu können. Auch Ohnezahn wurde langsam müde und brauchte eine Pause. Nachtschatten hin Nachtschatten her, irgendwann braucht auch der beste und schnellste Flieger unter den Drachen eine Rast. Und die würde wohl auch erst mal länger dauern. Ohnezahn wollte ja Hicks das Feuerspeien und Fliegen beibringen, doch würde besonders dies beim letzten viel zeit und Übung in Anspruch nehmen. Hicks wurde schließlich nicht als Nachtschatten geboren.
Astrid hingegen musste sich plötzlich fest halten, als Hicks beschleunigte, und das nicht nur um ein kleines bisschen. Sie wunderte sich kurz, bis sie auf den Punkt am Horizont blickte, der sich in ihren Augen bald als eine Insel heraus stellte. „Ja Hicks. Los zu der Insel. Da können wie ein wenig rasten." Der Nachtschatten gurrte nur ein wenig und hielt mit dem, was seine Flügel hergaben, immer weiter und schneller auf die Insel zu. Zwar war sie nicht besonders groß, doch würde es sicher für den Anfang reichen. Sie brauchten nur ein wenig Süßwasser und um die Fische könnte sich sicherlich Hicks kümmern, wenn schon mal der Nachtschatten in ihm durchbrannte.
Bald schon waren sie auf der Insel angekommen. Astrid stieg schnell von Hicks ab und schaute sich erst einmal um. Es sah so aus, als ob niemand anderes auf dem Flecken Land hier leben würde. War auch gut so, denn Gesellschaft, konnten sie jetzt noch nicht gebrauchen. Sie mussten sich von den Ereignissen aus den letzten tagen erholen und Pläne schmieden, wie es weiter gehen würde. Ob man Berk zurück erobern und wieder aufbauen könnte oder gleich mit den Überlebenden, wenn es denn welche gab, einen neuen Flecken Erde suchen müsste, wo man nicht so schnell mehr angegriffen werden würde. Viellicht können Hicks und Astrid die möglichen Überlebenden, die sicherlich auf Booten im Meer herum trieben, einsammeln und auf diese Insel bringen. Man könnte sie ja Neu Berk taufen oder so ähnlich. Auf jeden Fall wäre das ein Plan, zumal es hier Bauholz gäbe, um neue Häuser zu bauen. Und so weit, wie sie mit diesem Tempo geflogen waren, würden auch nicht so schnell Berserker oder anderer Abschaum hier vorbei sehen.
„So Hicks ich geben dir jetzt deinen Körper wieder zurück. Du bist jetzt wieder Herr deines Leibes und ich ziehe mich wieder zurück.", sprach er noch zu Hicks, als der plötzlich wieder über völliges Gefühl in seinem Körper verfügte. Der Berkianer dachte immer, dass es mehr in sich bergen würde, als nur das, doch musste er schon bei dem umgekehrten Vorgang fest stellen, dass die Drachenmagie nicht so vom äußerlichen imposant war, wie sie wirkte. „Danke Ohnezahn. Danke, dass du dich an dein Wort gehalten hast." - „ich bitte dich Hicks. Ich habe mein Ehrenwort darauf gegeben und erstens, gebe ich das nicht jedem x beliebigen und zweitens, halte ich das auch immer ein." Hicks wollte sich gerade zu Astrid wenden, als noch etwas vom Nachtschatten kam. „Und du musst es ja nicht unbedingt Astrid erzählen....also das mit dem Seelentausch...du weist schon, sie würde sich sonst nur noch mehr Sorgen machen. Und mit dem Training gehen wir dann eben heimlich vor. Verstanden?", sprach er schon etwas freundlicher in Hicks Gedanken. „Ist gut Kumpel."
Doch dann ein Moment der Stille. „Wie hast du mich gerade eben genannt Hicks?", kam es eher verwundert und doch so voller Überraschung von Ohnezahn.
Hicks wusste nicht was Ohnezahn jetzt von ihm wollte. „Ich habe doch nur Kumpel gesagt." - „Und genau das ist es ja Hicks.", kam es erneut vom Nachtschatten, der immer noch nicht fassen konnte, wie Hicks ihn gerade genannte hatte...

Der Fluch des NachtschattensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt