Es waren mehrere Monate ins Land gestrichen. Der Winter wich langsam dem Frühling und ließ die ersten Frühblüher ihre Farben zeigen. Eine der schönsten Jahreszeiten begann für die Wikinger auf dem neu gegründeten Dorf Berk.
„Moin Hicks. Schon gehört? Viele aus dem Dorf wollen wieder Tauwetter-Festspiele haben." Als der Nachtschatten die Schmiede des blondbärtigen Wikingers betrat, wurde er von diesem herzlich begrüßt. Und das wunderte Hicks. So gut gelaunt hatte er Grobian nur gesehen, als ihm Händler Johann vor vielen Jahren eine Unterhose aus Seide gebracht hatte.
Hicks gurrte begrüßend und schritt zur Esse voran. Daneben hatte sich ein dicker Muffel eingerollt und tat das, was er am besten konnte, nämlich schlafen. Er Wikinger in Gestalt eines Nachtschattens konnte da nur den Kopf schütteln. Er dachte, dass das bei diesem Drachen eine Art Winterruhe war, doch das faule Verhalten schien bei diesem Exemplar den Lebensstil zu prägen. Jedenfalls war das Ohnezahns Theorie, als das Wetter besser wurde und viele Tiere nach der Schneeschmelze wieder erwachten.
Erst dann hatte Hicks Zeit, zu nicken. Er wusste schon von Astrid Bescheid. Gustav hatte den Stein mit den Tauwetter-Festspielen ins Rollen gebracht. Und ehrlich gesagt war der Zeitpunkt gekommen, wieder eine ordentliche Feier abzuhalten. Zwar hatten sie Snorgetorg gefeiert, doch eher im stillen Andenken an die Opfer, als Berk vernichtet wurde. Und nachdem harten und kalten Winter, den zum Glück alle heil überstanden, sollten alle Bewohner des neu gegründeten Dorfes wieder ein Lächeln ins Gesicht bekommen.
Grobian schien sich zu freuen: „Na klasse. Dann werde ich eine Versammlung abhalten und besprechen, wie wir die Festspiele ablaufen lassen sollen. Es sollen auch Drachen teilnehmen können." Mit einem Augenzwinkern humpelte der ältere Wikinger zur Esse und prüfte die Temperatur. Doch da war rein gar nichts, was zu kontrollieren war. Muffel hatte schon wieder seinen Einsatz verpasst. „Muffelchen. Du fetter fauler Haufen von einem Drachen hast schon wieder die Esse ausgehen lassen. Das zweite Mal schon in dieser Woche. Als beweg deinen Hintern und mach endlich Feuer oder ich gebe dich persönlich zur Adoption frei!"
Hicks stieß etwas aus, was sich nach einem Lachen anhörte. Derweil hatte sich der dicke Drache von seinem Schlafplatz erhoben und feuerte einen Schwall heißer Lava in die Esse von Grobian. Sogleich erfüllte sich der Raum mit Wärme und Muffel legte sich wieder schlafen.
„Das findest du wohl witzig Hicks?" Mittlerweile kugelte sich der Nachtschatten vor Lachen auf dem Boden, nicht merkend, dass sich eine Mittelschwere Katastrophe anbahnte. Als sich Muffel umdrehte vernahmen die feinen Gehörsinne des Nachtschattens eine flatternde Bewegung, gefolgt von einem beißend moderigen Geruch, der ihm in die Nase stieg.
Sofort richtete sich Hicks auf und verschwand wie von der Biene gestochen aus Grobians Schmiede. Diese Geruchs oder eher Gestanks-Attacke war zu viel für die feine Nase des in einen Drachen verwandelten Wikingers.
Jetzt war es Grobian, der in der Schmiede zu lachen begann. Immer eine Nasenklammer parat schaute er zu Muffel und grinste weiter. „Tja, zu viel Quarz erzeugen Blähungen bei einem Drachen der Geröll-Klasse. Das solltest du eigentlich wissen Hicks." Wohl wissend, dass es der Nachtschatten nicht mehr hören würde, setzte sich der Schmied wieder an die Esse und fing an einige Rohlinge für Schwerter und Äxte vorzubereiten.
„Wenn dieser Drache einen Fahren lässt, kann ich Tage noch danach nicht richtig riechen." Hicks schüttelte seinen Kopf, als er etwas Abstand zur Schmiede gewonnen hatte. „Da hast du Recht. Von dem gestand würde wohl selbst der große Überwilde zusammen brechen." Jetzt hatte sich auch Ohnezahn aus seinen Gedanken gemeldet. Dem Nachtschatten war bewusst, welche Qual das für Hicks Nase sein musste. Aber zugleich stellte sich ihm eine Frage.
„Du Hicks, was sind die Tauwetter-Festspiele? Ich kann zwar in deinen Erinnerungen lesen, aber du weißt, dass ich das nicht tun würde. Kannst du es mir erklären?"
Ohne zu zögern begab sich Hicks an einen Ort wo der Gestank von Muffel garantiert nicht hinziehen würde und begann Ohnezahn zu erzählen, was es mit den Tauwetter-Festspielen auf sich hatte. „Nun Ohnezahn. Immer wenn der Schnee schmilzt und es im Frühling wärmer wird, veranstalten viele Wikingerstämme die so genannten Tauwetter-Festspiele. In verschiedenen Disziplinen müssen die Wikinger ihr Können unter Beweis stellen, indem sie gegeneinander antreten. So zu sagen eine Art Wettbewerb. Der Beste wird dann mit Medaillen ausgezeichnet und erntet Ruhm und Ansehen im ganzen Dorf." Einen Moment lang ließ sich Ohnezahn Zeit. Das war wirklich interessant. Solche Feste gab es in der Drachenkultur nicht. Jedenfalls nicht zur Wiederkehr des Frühlings.
„Das ist wirklich ein sehr interessanter Brauch. Wenn Grobian gesagt hat, dass auch Drachen dran teilnehmen könnten, könnten wir nicht da auch mitmachen?"
Einen Moment überlegte Hicks sich das. Immerhin ist er die letzten Fünf Jahre nicht bei den Festspielen angetreten. Meist, weil Rotzbacke eh alle Medaillen gewonnen hätte. Doch mittlerweile war er ganz gut darin, ein Nachtschatten zu sein. Seine magischen Drachenkräfte hatten sich im monatelangen Training potenziert. Und einmal unter Beweis stellen, was er erlernt hatte, konnte nicht schaden.
„Dann machen wir es!", legte Hicks seinen Entschluss fest. „Gut", antwortete Ohnezahn, „denn du weißt, dass wir in zwei Wochen zum großen Überwilden aufbrechen werden."
Das stimmte Hicks von seiner Vorfreude in gemischte Gefühle um. Sie wussten immer noch nicht, wie der Überwilde auf ihre Geschichte reagieren würde. Wäre die Drachenmagie stark genug, im Falle einen Angriff seinerseits abzuwehren? Hicks wusste nicht, ob er dort lebend wieder heraus kommen würde. Vielleicht würde er Astrid dadurch nie wieder sehen. Aber es war seine einzige Chance, wieder ein Mensch zu werden. Und dieses Ziel hatte er immer noch vor Augen, entschlossen wie eh und je.
Weit entfernt auf einer Insel regte sich etwas. Auch hier hatte sich der Frühling bemerkbar gemacht und das Leben kehrte langsam wieder zurück. Doch nicht alles Leben. Auf einem großen Haufen hatte man Knochen von Drachen aufgestapelt, die den Drachenjägern als Nahrung über den Winter gedient hatten. Man konnte das Klirren von dutzenden Essen hören, die unaufhaltsam Waffen produzierten.
„Mein Herr Drago. Wir kommen gut mit den Vorbereitungen voran. In einem Monat sind wir fertig, den großen Drachenhort anzugreifen." – „Sehr gut. Bald schon werden alle Drachen mir gehören.", erklang es von einer Stimme, tief gehüllt in einen Mantel aus Drachenhaut...
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Der Fluch des Nachtschattens
FanfictionHicks verfolgt nur ein Ziel: Der beste Drachentöter zu werden, den die Welt je gesehen hat. Als er jedoch bei Grobians Drachenunterricht nicht zugelassen wird und niemand sich für die Interessen des Häuptlingssohns einsezt, bekommt er eine Chance, e...