Dieser Drache ist mein Sohn

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Ohne weiter zu halten, machte sie sich auf den Weg zum Alpha. Diese Angelegenheit duldete keinen Aufschub mehr. Wenn es eine Chance auf Rettung gab, dann musste sie jetzt ergriffen werden. Ihr Sohn brauchte sie. Sie wunderte sich dabei. Noch nie hatte sie so gedacht. Valka hatte vermutet, den Rest ihres Lebens hier verbringen zu können. Ihren Sohn hätte sie vielleicht niemals zu Gesicht bekommen und nur stand er hier. Als Nachtschatten.
„Wo willst du hin?" – „Zum Überwilden, Wolkenspringer. Die Sache ist dringend!" Der Sturmschneid verstand erst nicht, aber wenn Valka so dringend zum großen Überwilden wollte, musste die Sache sehr ernst sein.
„Dann spring lieber auf und ich fliege dich zu ihm. Er wird zwar schon schlafen, aber er wird sicher ein Ohr für dich haben." Kurz darauf sprang Valka auf den Drachen und sie flog schnell in Richtung Haupthöhle.
„Darf ich fragen, was los ist?", kam es vom Sturmschneid, denn so hektisch hatte er Valka seit langer Zeit nicht mehr gesehen.
„Das erfährst du noch, wenn die Zeit reif ist, aber jetzt bringe mich bitte schnell zu ihm." Ab diesem Zeitpunkt sagte Valka nichts mehr. Sie schwieg. Wolkenspringer war besorgt. Es ging doch hoffentlich nicht um Drago. Würde er vielleicht den Drachenhort angreifen wollen? Oder war er schon hier? Dann müsste er die Drachen alarmieren. Aber zu schnell in Panik zu verfallen, war auch nicht die Option, die man ergreifen sollte.
In wenigen Augenblicken erreichten sie die Haupthöhle. Die Nacht war heraufgezogen und die meisten Drachen schliefen schon. Der große Überwilde mit eingeschlossen. Wolkenspringer setzte Valka ab und zog seine Kreise in der Nähe. Wenn es etwas sehr ernstes war, musste er Bescheid wissen immerhin befahl er die Drachen, die den Hort bei einem Angriff mit verteidigen würden.
Valka beachtete ihren Drachen nicht weiter. Sie zog es zum Schlafplatz des großen Überwilden. Dieser hatte sich in einem seichten See hingelegt und atmete sanft ein und aus. Er schlief tief und fest. Kaum etwas, dass ihn jetzt aufwecken können. Aber Valka musste es versuchen.
„Großer Überwilder. Ich habe ein dringendes Anliegen, dass keinen Aufschub mehr duldet." Erst keine Regung vom Drachen. Er schien weiter friedlich zu schlafen und hatte Valka wahrscheinlich nicht mal richtig gehört.
„Großer Überwilder. Ich brauche dringend deine Hilfe!", kam etwas lauter von Valka, dass es durch die gesamte Höhle hallte. Einige Drachen erwachten dadurch und beschwerten sich, im Schlaf gestört worden zu sein. Das kümmerte die Mutter von Hicks aber nicht.
Dann auf einmal regte sich etwas. Der gigantische Drache fing an, sich zu bewegen. Er öffnete die Augen und drehte sich zu Valka um, die erleichtert war, dass ihr Rufen den Überwilden aufgeweckt hatte.
„Valka, was ist los? Du siehst besorgt aus." Kein Anzeichen von Zorn oder Ärger, dass er geweckt wurde. Der Überwilde, immer besorgt um seinen Hort, wandte sich zu der Hüterin der Drachen. Er war freundlich und zuvorkommend wie immer und hörte ihr zu, auch wenn er aus dem Schlaf geweckt wurde.
„Ich habe ein großes Problem, was einen Drachen angeht. Und etwas diesbezüglich, was mich aus der Vergangenheit eingeholt hat." – „Du bist hin und her gerissen und brauchst meine Hilfe, sehe ich das richtig?" - „Das ich deine Hilfe brauche, ist richtig. Aber hin und her gerissen bin ich nicht. Ich brauche deine Drachenmagie."
Der Überwilde war kurz verwundert. Noch nie hatte Valka nach seiner Drachenmagie verlangt. Immerhin ging das nur, wenn ein Drache ernsthaft in Schwierigkeiten war. „Du brauchst meine Drachenmagie. Erzähl mir, was los ist."
„Es ist doch vor einigen Tagen ein neuer Drache in den Hort gekommen, der Nachtschatten, von dem ich dir erzählt habe." Der große Überwilde nickte, während Valka fortfuhr: „Dieser Nachtschatten ist ein verfluchter Mensch. Er wurde von einem anderen Nachtschatten verwandelt, weil er ein Drachenjäger gewesen ist." – „Ein ehemaliger Drachenjäger ist hier im Hort. Das ist besorgniserregend.", unterbrach der gigantische Drache die Frau.
Valka fürchtete schon, dass er ab hier ihr nicht mehr zuhören und nicht helfen würde. Hoffentlich würde der Alphadrache ihr weiter gewähren lassen.
„Erzähl weiter, Valka. Ich will mir erst einmal die gesamte Geschichte anhören." – „Der Drache, der ihn verwandelt hat, hat sich schließlich in seiner Seele mit eingenistet. Zuerst waren sie beide Feinde, doch Not und andere Menschen machten sie zu Freunden. Jetzt ersuchen sie deine Hilfe, um wieder zurück in ihre alte Gestalt zu finden. Ihre Drachenmagie alleine reicht nicht aus."
Für einen Moment herrschte Schweigen. Der Überwilde sagte nichts mehr. Er überlegte. Es war eine sehr interessante Geschichte, die ihr Valka präsentiert hatte. Fast so unglaublich, dass man sie ins Reich der Märchen hätte abtun können. Aber Valka hatte ihm noch nie eine Lüge erzählt. Wenn es also der Wahrheit ist und der Drachenjäger von seiner alten Kunst nichts mehr wissen will, würde er sie retten. Es war aber schwierig und würde sehr viel von der Drachenmagie kosten. Wenn jedoch ein Drache wieder einen eigenen Körper und ein Mensch, der sich seiner alten Taten schämte, wieder auf den richtigen Weg kommen könnten und ihr Leben von neuem beginnen würden, dann würde er den beiden eine zweite Chance geben wollen.
„Bring die beiden in die andere Höhle. Ich werde dort warten und alles vorbereiten. Ich werde versuchen, die beiden wieder ihre alten Gestalten zu geben. Aber es wird sehr schwer werden, denn ein Verwandlungsfluch zeugt von einer sehr sehr starken Drachenmagie."
Valka überkam die pure Freude, als sie das hörte. Der Überwilde willigte ein, die beiden wieder in ihre alte Form zu bringen. Einen schöneren Tag hatte sie lange nicht mehr erlebt. Sie wollte sich sofort auf den Weg machen, als der Überwilde sie noch einmal anhielt.
„Etwas hast du aber noch auf dem Herzen, etwas, was diesen Drachen angeht." Die drehte sich zu dem großen Drachen um und sprach: „Ja. Dieser Drache ist mein Sohn."

Der Fluch des NachtschattensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt