Bin bald zurück

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Sie saßen beide da und schauten sich an. Keiner von beiden wollte die Situation so richtig wahr haben, aber so surreal es auch klang, Hicks war der Nachtschatten, der Valka gegenüber saß. Lange schwiegen sie. Keiner wusste, die richtigen Worte zu finden. Was war nur passiert? Wie konnte Hicks zu so einem Drachen werden? Valka durchbrach das Schweigen und gab der Stille einen Klang.
„Hicks, 20 Jahre habe ich dich nun nicht gesehen, was ist passiert? Wie geht es Berk?" Hicks senkte seinen Kopf. Er konnte nicht drum herum, dass Berk nicht mehr das war, wie sie es verlassen hatte.
„Mutter, Berk wurde von den Berserkern und einer Gruppe flüchtiger Verbannter überfallen. Viele der Dorfbewohner sind in dieser Nacht ums Leben gekommen. Vater mit eingeschlossen. Es haben nur sehr wenige überlebt und auf einer neuen Insel eine Heimat gefunden."
Seine Mutter ließ den Kopf senken. Lange hatte sie nicht mehr an Haudrauf gedacht. Zu lang war es her gewesen, dass sie seine Stimme gehört hatte. Zwar war ihr Mann ein Wikinger durch und durch gewesen, dennoch konnte er auch seine zarte Seite zeigen, wenn er den wollte. Nun würde sie ihn nie wieder sehen können. All die Hoffnungen waren zerstört in einem Moment. Doch das Hicks nun hier war, dämpfe ihren Schmerz ein wenig. Eine Träne war es, die ihr über das Gesicht kullerte und die sie vergoss.
„Was nun aber viel wichtiger ist, warum bist du so geworden? Ich meine ein Wikinger wird nicht von den einen Tag auf den anderen zu einem Nachtschatten. Es muss doch etwa dahinter stecken." Jetzt war Hicks es, der den Kopf senkte. Immerhin musste er ihr jetzt gestehen, dass er zu einem der besten Drachentötet ausgebildet wurde, die Berk jemals hatte.
„Mutter, damals habe ich wie jeder Wikinger das Drachentöten erlernen wollen. Naja, zuerst wollte mich keiner ausbilden, aber dann kam Mehltau auf ich zu..." – „Nein nicht der alte Griesgram. Er war einst einer der schlimmsten Drachentöter von allen." – „Doch. Genau der war es, der mir das Drachentöten beigebracht und mich zu einem Meister dieses Handwerks ausgebildet hat. So vergingen 5 Jahre und meine Ausbildung wurde vollendet. Schließlich war der Tag gekommen, an dem uns die Drachen erneut angegriffen haben. Ein Nachtschatten war mit beteiligt. Ich schoss ihn vom Himmel und tötete ihn. Doch sein Geist war stärker. Mit seiner Drachenmagie verfluchte er mich, verwandelte mich in einen Nachtschatten und nistete sich mit in meinem Geist ein. Doch durch den Überfall der Berserker mussten wir lernen, zusammen zu arbeiten. Schließlich haben wir uns vergeben und suchen nach einer Lösung, seinen Fluch wieder rückgängig zu machen. Der Überwilde ist unsere letzte Chance, die wir haben."
Hicks beendete seinen Vortrag und machte sich daran, die Wutausbrüche seiner Mutter zu ertragen. Aber nichts dergleichen erklang. Valka blieb still und hatte sich alles genau angehört.
„Ich sehe dein Problem." Valkas Stimme war weder kalt noch wütend. Eher klang es so, als sei sie sehr besorgt um ihren Sohn.
„Du bist mir nicht böse? Immerhin habe ich Drachen getötet und einige würden mir das jetzt als Strafe so recht sehen. Einige würden mich sicher deswegen umbringen wollen, aber du?" Hicks war verwundert. Eine derartige Reaktion hätte er nicht erwartet.
„Ich bin dir nicht böse, weil du deine Taten selbst eingeräumt hast. Du hast Freundschaft mit deinem alten Feind geschlossen und zusammen habe ihr vieles durchgestanden. Und nun sucht ihr einfach nach Hilfe. Und ich werde versuchen, ein gutes Wort beim großen Überwilden einzulegen. Wir sollten nicht lange warten, denn wer weiß, vielleicht kann ab einem gewissen Zeitpunkt die Verwandlung nicht umgekehrt werden. Ich hätte aber noch eine Bitte."
Hicks war verwundert. „Welche denn?" – „Ich würde gerne mit dem anderen Nachtschatten sprechen wollen, wenn das geht." Hicks nickte und ließ Ohnezahn die Führung übernehmen.
Valka konnte sehen, wie der Nachtschattenkörper plötzlich seelenlos dastand, als ob der Hauch des Lebens ihn verlassen würde. Dann aber wurde das Grün in den Augen des Drachen heller und der Nachtschatten kam zu Tage.
„Anderer Nachtschatten?", fragte Valka vorsichtig, als sie in die hellgrünen Augen des Drachen gegenüber ihr blickte. Sie waren völlig anders, als das tiefe Waldgrün von eben und zeugten von einem ganz anderen Drachen.
„Mein Name ist Ohnezahn. Diesen Namen hat mit Hicks zumindest gegeben und er gefällt mir." Die Stimme war völlig anders. Zwar war sie nicht viel Tiefer als die von Hicks, aber man merkte, dass dieser Drache anders war. Es schien ein sehr mächtiger Nachtschatten zu sein. Valka spürte das. Nur solche Drachen waren fähig gewesen, Menschen in andere Kreaturen zu verwandeln.
„Gut, Ohnezahn. Stimmt es, was Hicks sagt?" – „Alles. Wir teilen fast all unsere Gedanken und Gefühle miteinander. Wir sind zwei Seelen in einem Körper.", antwortete der Nachtschatten. Valka nickte. Sie konnte das immer noch nicht recht fassen, was sich hier gerade abspielte. Sie kannte viele Aspekte der Drachenmagie. Auch der große Überwilde hatte diese an ihr praktiziert und ihr die Stimme der Drachen gegeben, aber das hier überstieg fast den Rand ihrer Vorstellungskraft.
„Nun, ihr wollt, dass der Überwilde euch zwei Körper wieder gibt und Hicks soll sicherlich wieder ein Mensch werden." Der Nachtschatten nickte: „Wir wollen unsere alten Leben wieder haben. Hicks ist mit Astrid zusammen gekommen und ich habe für einen Sohn zu sorgen, der seinen Vater noch nicht kennt." – „Ich verstehe."
Valka dachte für einen Moment nach. Es war besser, wenn der Rest des Drachenhortes dies hier nicht mitbekommen würde. Jedenfalls nicht alle Details. Aber die war sich auch sicher, dass der große Überwilde die beiden wieder zurück verwandeln und den Fluch von Ohnezahn wieder rückgängig machen könnte. Am besten wäre ein etwas ablegender Ort, aber wo?
„Ich werde dem großen Überwilden Bescheid geben. Ich habe einen Plan, wie wir euch wieder so hinbekommen, dass ihr ganz die Alten werdet, hoffe ich zumindest. Ihr müsst jetzt schlafen und ich werde im Morgengrauen zurückkehren. Macht euch keine Sorgen, es wir alles wieder gut."
Ohnezahn blickte Valka nur schief an. Auch Hicks war verwundert. Was hatte seine Mutter nur vor? Aber man konnte ihr nur vertrauen. Das war das Einzige, was sie jetzt machen konnten.
„Ich werde bald zurückkehren." Sie verließ die Höhle und machte sich zum großen Überwilden auf, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Ohnezahn überließ Hicks wieder die Kontrolle über den Körper. Beide wussten nicht recht, was nun passieren sollte.

Der Fluch des NachtschattensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt