Der Drachenhort III

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„Ich habe ja gehört, dass es einen Nachtschatten gab, der einst unter den Diensten des Alphas stand, aber du siehst ganz anders aus, als es mir beschrieben wurde. Deine Augen sind viel tief grüner, als die des anderen. Also ist er doch nicht der einzige seiner Art gewesen."
Hicks war ein wenig verwirrt. Was sagte diese Wächterin da? Ein weiterer Nachtschatten? Sofort musste er Ohnezahn fragen: „Ein anderer Nachtschatten? Standest du einst im Dienst des Überwilden?"- „ Ja, aber das ist eine lange Geschichte, die ich dir auch noch später erzählen kann. Aber jetzt erst mal sollten wir mit ihr mit fliegen und uns einen Platz im Drachenhort suchen. Scheinbar mag sie dich, Hicks."
Was sollte Hicks dazu noch sagen. Ohnezahn hatte ihm wieder einmal etwas verschwiegen, was von Bedeutung sein könnte. Was sollte dieses Spiel? Hatte der Nachtschatten noch mehr auf dem Kerbholz, als es Hicks erwartet hatte? Ein guter Einfluss für deren Freundschaft war dies nicht, aber es galt erst einmaleinen Platz im Hort zu finden.
„Du scheinst nicht sehr gesprächig zu sein, Nachtschatten? Erzähl mir doch etwas von dir. Wo kommst du her?"
Da lieferte Hicks ihr nur einen schiefen Blick: „Als ob du verstehen würdest, was ich sage?" – „Jedes einzelne Wort.", entgegnete die Drachenwächterin darauf.
Jetzt wusste Hicks gar nicht mehr, was er davon halten sollte. Diese Drachen Lady konnte tatsächlich mit ihm sprechen? In was für einer Welt leben wir eigentlich, dass Menschen sich tatsächlich mit Drachen unterhalten konnten?
Das konnte doch nicht wahr sein. Aber Hicks musste die Fassung bewahren. Er tat nur ein wenig erstaunt und versuchte diese Wächterin dazu zu lenken, sie in den Hort zu bringen.
„Na gut. Du kannst also mit dir sprechen. Ich will nur so viel sagen. Ich habe ein Problem, das ich nur mit dem großen Überwilden besprechen kann und sonst mit niemanden. Es geht um eine Angelegenheit, die nicht jeder wissen sollte.", sprach Hicks selbstbewusst und machte keine Anstalten, mehr preis zu geben.
„Hm. Nachtschatten scheinen wirklich ein wenig abgehoben zu sein, wie immer bei den Drachen behauptet wird. Also gut. Komm erst mal mit. Wir finden schon eine Schlafhöhle für dich. Ob du gleich eine Audienz beim großen Überwilden bekommen wirst, kann ich dir nicht sagen. Es wird sicher einige Tage dauern.", sagte die Wächterin und begab sich wieder auf den Rücken ihres Drachen.
„Komm mit!", sagte dieser nur und hob von dem Felsen wieder ab. Hakenzahn tat das Gleiche und Hicks folgte, ohne ein weiteres Wort an diese drei vor ihm zu verlieren.

„Nachtschatten und abgehoben? Für wen hält die sich denn?" Hicks wusste nicht, was er von dieser Drachenfrau halten sollte. Immerhin konnte sie mit Drachen reden, sie lief sehr komisch, mal auf allen vieren, dann auf zwei Beinen wie ein Mensch und trug eine Maske, die man sich nicht einmal in den schrägsten Träumen hätte vorstellen können. Und dann dieser Wortlaut. Nachtschatten und abgehoben. Die kommt einem eher abgehoben vor.
„Sei beruhigt. Hicks. Das ist nun manchmal so. Viele Nachtschatten hielten sich für etwas Besseres als die anderen Drachen und deswegen werden wir sehr gerne als arrogant abgestempelt, obwohl nicht alle von uns so sind." Ohnezahn erklärte ihm, dass es sehr viel Streit früher unter den Drachenarten gab, wer die beste Art sei. Und die Nachtschatten hatten immer von sich stur behauptet, sie seien die besten gewesen. Das führte zu manchen Kämpfen unter den Drachenarten, die meist von mächtigeren Drachen mit großer Magie gestoppt werden mussten.
„Hoffentlich halten die uns nicht alle da drin für arrogant. Sonst könnte dieser Ausflug der schnell ungemütlich werden." – „Hängt ganz von deinem verhalten ab, Hicks." – „Ach so, jetzt ist es auch noch meine Schuld oder wie?", kam es ein wenig erbost. „Schon gut. Ich wollte dich nur ein wenig aufziehen, Hicks."

„Wo dieser Nachtschatten wohl herkommt?", frug Valka ihren Drachen, als sie sich dem Eingang des Hortes nährten.
„Keine Ahnung. Aber ich mag ihn nicht sehr. Er kommt mir genau so arrogant, wie all die anderen von seiner Sorte vor. Keine Ahnung, aber ich habe bei diesem Drachen ein ganz mieses Gefühl. Der hat was zu verbergen und das sind auf keinen Fall drei gestohlene Dorsche aus unseren Gewässern. Da steckt mehr dahinter." Wolkenspringer war misstrauisch. Nicht ohne Grund. Es gab schon Drachen, die sich hier einfach durchfraßen, ohne etwas für den Hort getan zu haben. Solche Parasiten konnte er bis aufs Merk nicht ausstehen. Viel mehr noch. Solche Drachen verwies er nur zu gerne des Hortes. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er es auch mit diesem Drachen machen würde.
„Beruhige dich erst einmal. Wir wissen ja noch gar nicht, was er von dem Überwilden will. Ich werde schon herausfinden, was in ihm vorgeht." – „Das will ich hoffen. Sonst übernehme ich das, Valka."

Sie flogen weiter Richtung Hort. Der Nebel löste sich langsam auf und ein großer Höhleneingang wurde sichtbar. Weit unter ihnen rauschten die Wellen des Meeres und brachen an einer mehrere Hundert Fuß hohen Klippe aus nacktem Stein. Hicks konnte sich immer noch nicht vorstellen, warum es die Drachen ausgerechnet hierher zog.
Aber dann tauchten sie in das Schwaz der Höhle ein. Erst konnte man kaum etwas sehen, bis sich plötzlich Licht am Ende des Ganges bemerkbar machte.
Überall konnte man die verschiedensten Geräusche von Drachen hören, die den neuen Gast mit Misstrauen begutachteten. Gronckel, Nadder, Schnelle Stachel, und Drachenarten, die Hicks noch nie zuvor in seinem Leben gesehen hatte, tauchten auf und schauten ihm hinterher.
Er fühlte sich gar nicht wohl. Wie ein Ausstellungsstück bei einem Händler, das alle begaffen würden. Und das war noch vorsichtig ausgedrückt.
Von den vielen Drachen abgelenkt, merkte Hicks gar nicht, dass sie sich plötzlich in einem riesigen erhellten Raum befanden. Solch eine Halle hatte er noch nie gesehen. Die Decke schien gänzlich aus klarem Eis zu bestehen und wurde von steinernen Säulen getragen. Überall konnte man hunderte, nein tausende Drachen sehen. Ein See befand sich unter ihnen und Bäume wuchsen überall. Und dann konnten sie ihnen sehen. Den großen Überwilden...

Der Fluch des NachtschattensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt