Stinkende Bekanntschaft

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Der Schneesturm hatte sich gelichtet. Viele Tage nun hatte es dicke Flocken auf die Insel geschneit und bedeckte die Landschaften unter einer dicken weißen Decke. Die Männer waren erschöpft und geschafft von der Kälte. Nicht mal der Kampf war dramatisch gewesen, hatte doch der Alpha alles für sie erledigt.
Es war jetzt über eine Woche her gewesen, als sie diese Insel überfallen und die Riesenhaften Albträume in ihre Armee aufgenommen hatten. Viele Jäger freuten sich zwar darüber, doch als einige Stunden später der wohl schwerste Schneesturm aller Zeiten über sie hinweg fegte, verkrochen sie sich alle wieder in ihren Schiffen und versuchten sich mit kleinen Feuern und Met warm zu halten. Viele kamen damit überhaupt nicht klar, obwohl sie als die härtesten Männer des Nordens galten.
Bei vielen froren einige Finger und Zehen ab. Andere konnten ihre Beine vor Kälte nicht mehr spüren und wieder andere stritten sich um das letzte Stück Fell, um sich warm zu halten. Manchmal ging das blutig aus und der Gewinner machte sich keinen Hehl daraus, dem erstochenen das Fell zu nehmen und sich in eine sichere Ecke ein zu murmeln.
Unter Dragos Männern herrsche wirklich während dieser Zeit ein stetig steigender Mangel an Disziplin. Der einarmige jedoch, trotzte der Kälte und beschäftige sich weiter mit seinen Plänen, die Welt der Drachen an sich zu reißen.
Immerhin war er nun schon so weit gekommen. Hatte einen Alpha unterworfen und sich faktisch an die Spitze aller Drachen geputscht. Aber noch waren seine Ziele nicht erreicht. Immer noch war er nicht der mächtigste unter den Wikingern. Er wollte sie alle beherrschen und das Ausnahmslos.
Für ihn galt nicht das Prinzip des Teilens. Keine Kompromisse. Keine Einbußen. Er allein wollte über die Drachen und Wikinger herrschen. Das hatte sich der einarmige Mann hoch und heilig geschworen, als ihm sein Drache diese Gliedmaße aus der Schulter riss.
Damals in seinem kleinen Dorf war er nicht viel. Immer nur der, auf dem die anderen Kinder herum hackten und als dann dies mit seinem Arm passierte und er die großen Blutungen wundersamer weise überlebte, lachten sie ihn alle mit den Worten Krüppel aus, denn bei seinem Stamm galt es lieber zu sterben, als wie ein Krüppel durch die Gegend zu laufen.
Doch er gab nicht auf. Er und sein neuer eiserner Arm, sein Speer und nicht zuletzt sein Alpha. Damit wollte er allen zeigen, dass er kein minderwertiger war. Niemals würde er sich beugen, alle beherrschen wollen. Nichts sollte ihm entgehen und das Mittel, die Drachen zu kontrollieren war ihm wohl willkommen.
Doch gab es noch einige Hindernisse, die Drago beeinträchtigten. Es ging das Gerücht um, dass es noch einen zweiten gutmütigen Alpha Drachen geben sollte. Falls sich diese Gerüchte als wahr heraus stellen sollten, wäre sein Machtmonopol ernsthaft in Gefahr.
Nicht nur er, sondern auch seine Männer und Drachen hätten dann einen Grund, nicht mehr an die Unbesiegbarkeit ihres Heerführers zu glauben, obwohl sich die Disziplin der Soldaten jetzt schon auf dem Tiefpunkt befand.

Und da stand er nun. Am Bug seines großen Schiffes, die Meeresdecke zu gefroren und den aufgewühlten Schnee um die Nase wehend. Hämisch grinste er auf die rundliche Öffnung im Eis, aus der im Rhythmus immer wieder neue Blasen aufstiegen.
Sein Alpha ruhte, doch viel zeit würde nicht bleiben. Der Schneesturm hatte die Flotte zwar fest gefroren, doch würden sie so bald es tauen würde, wieder in See stechen. Der Winter würde zwar lang werden, doch wenn sie einmal erst wieder frei wären, könnten sie die letzten Dörfer überfallen, um so einen freien Rücken zu haben, wenn sie sich auf die Suche nach dem anderen Alpha begeben könnten, falls dieser überhaupt existierte.
Und selbst wenn, hätte dieser nicht mehr lange zu leben.
„Drago? Die Männer haben sich wieder um ein Stück Trockenfleisch gestritten. Die Vorräte gehen zu neige und wenn wir nicht bald hier aus dem Packeis heraus kommen, geht die Moral auf dem Schiff so Langsam ihrem Ende entgegen." Eret, Sohn von Eret. Ein Drachenfänger aus der Mannschaft des Heerführer trat an die Seite des einarmigen und meldete die neusten Ereignisse. „Dann schlachtet ein Yak. Das wird sie zufrieden stellen, fürs erste.", murmelte er nur kurz angebunden. Er hatte nicht viel übrig für diesen jungen engagierten Jäger, der sich schnell hoch gearbeitet hatte. Trotzdem konnte er die Mannschaft zusammen halten und das gerade jetzt unabdingbar.
„Mein Herr, aber ein Yak wird auf die Dauer nicht reichen. Wir haben zwar noch über einhundert an Bord der Schiffe, doch wenn wir hier noch länger fest sitzen würden, hätten wir bald nichts mehr zu essen. Wissen sie, was dann ausbrechen wird? Chaos.", versuchte Eret zu appellieren, immerhin wollte er nicht, dass es zu einer Meuterei kommen könnte. Das wäre noch der Supergau.
Doch Drago drehte sich stumm zu ihm um und sagte: „Na dann, wenn kein Yak mehr übrig ist, dann schlachtet doch einfach einen der verkrüppelten Drachen. Unsere eigenen haben sich in einigen wirklich stark verbissen, sodass sie für meine Armee nicht mehr von Nutzen sein werden. Wenn also die Yaks ausgehen, schlachtet einfach einen Riesenhaften Albtraum. Da ist genug Fleisch dran, um ein ganzes Schiff eine Woche zu versorgen. Und von den verkrüppelten Drachen haben wir genug. Sonst noch etwas?"
Eret schüttelte seinen Kopf. „Dann lass mich allein!", schimpfte er und wollte nichts weiter von den Problemen in seiner Mannschaft wissen. Sie sollen kämpfen und Drachen fangen können, mehr nicht. Das war das einzig wichtige für Drago Blutfaust.
So starrte er wieder zurück auf die empor steigenden Blasen und grinste weiter, als ob seine Ziele schon lange erfüllt wären. Lag noch ein langer, harter Weg auf ihn.
Für ihn galt erst einmal warten und hoffen, dass der Schnee bald schmelzen würde. Sie hatten zwar erst Dezember, doch konnte er nicht lange warten. Wenn nötig würde der Alpha das Eis aufbrechen müssen. Doch wollte er sein Haustier schonen, schließlich sollte es sich alle kraft aufheben, wenn da noch ein Alpha sein sollte. Und nicht zuletzt für die Drachenköniginnen anderer Nester, die immer besonders viel Profit für ihn abschlugen...

NEU BERK (ZUR GLEICHEN ZEIT)

Hicks hatte sich nach dem Gespräch mit Hakenzahn dazu entschieden, Grobian einen Besuch ab zu statten. Der ehemalige Wikinger hatten ihn schon lange nicht mehr in seiner Schmiede vorbei geschaut und wollte dies endlich nachholen.
Bei Hakenzahn schien alles in Ordnung zu sein. Viel hatte er nicht mehr zu erzählen. Und fürs erste wollte er auch auf der Insel bleiben, mindestens, bis der Winter vorbei wäre. Einen neuen Schlafplatz hatte man für ihn auch schon gefunden, das große Haus von Raffnuss, die da immer noch allein lebte. Sie hatte ebenfalls nichts dagegen, da sie diese Art von Drachen schon immer interessant fand. Mal schauen, vielleicht wäre Hakenzahn irgendwann willig, dass die blonde Wikingerin irgendwann auf ihm reiten könnte. Das wäre nicht nur für die Überwachung der Insel sehr vorteilhaft, sondern auch der Verteidigung wegen.
Diesem übermächtigen feind, falls er überhaupt zu einer solch kleinen Insel kommen sollte, hätten sie zwar nicht besiegen könnte, doch wäre es mit zwei Nachtschatten und einem riesenhaften Albtraum schon mögliche eine heran nahende Berserkerflotte in die Flucht zu schlagen.
Bisher waren dies aber noch alles Wunschgedanken von Hicks und Ohnezahn. Die beiden waren gerade im Begriff, die Schmiede zu betreten, als sie sahen, wie Grobian bereits am sechsten Schwert für diesen Tag arbeitete.
Beide waren erstaunt, dass der sonst eher gemütliche Schmied so schnell arbeiten konnte. Doch warum? Hatte er etwa einen guten Tag erwischt? Aber bevor sie weiter denken konnte, begrüßte sie schon der Dorfschmied.
„Tach Hicks. Na stattet der Nachtschatten mir auch mal wieder einen Besuch ab." Er stieß das rot glühende Schwert wieder zurück in die Glut und wandte sich dem Nachtschatten zu. Hicks indes gurrte freundlich zu ihm und richtete seine grünen Augen schließlich auf die Schwerter. „Ach du fragst dich, warum ich so schnell schmieden konnte? Nun ja, ich habe ein neues Mittel gefunden, die Esse immer konstant auf Temperatur zu halten. Wenn du mal dort in die Ecke schauen willst dann....."
Aber bevor er den Satz zu ende sagen konnte, drehte sich etwas in der Ecke auf den Rücken, schmatzte und ließ ein merkwürdiges Geräusch von sich geben. Doch Hicks wusste genau, was das war, denn es stieg ein ekelhaft moderiger Geruch in die feine Nase des Nachtschattens. Sich die Nase rümpfend er griff er die Flucht, um nicht den Tod durch Gestank zu sterben.
Grobian folgte ihm sofort, konnte selbst der hart gesottene Schmied diesen penetranten Geruch nicht auf die Dauer aushalten.
„Ja...Hicks..also...Wenn ich vorstellen darf. Den den du da grade eben gerochen hast...das war Muffel. Er ist ein zugelaufener Drache. Tschuldigung. Ich habe ihm meinen letzten Fisch vom Mittag gegeben, aber scheint er irgendwie davon Blähungen zu bekommen."
Trotz Grobians Entschuldigung, erntete er einen sehr bösen Blick von Hicks...

Der Fluch des NachtschattensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt