Ich werd noch verrückt

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Astrid wusste nicht, was sie machen sollte. Die Drachen hatten es sich im Dorf und Umgebung gemütlich gemacht und fingen an, einzuschlafen. Sie sahen wirklich fertig aus. Einige atmeten noch schwer und waren kaum zu beruhigen. Einige schreckten beim kleinsten Knacken hoch und wollten eine Salve abfeuern. Doch so Leid Astrid die Drachen auch taten, so stellten sie auch eine Gefahr für die Insel und die Dorfbewohner von Neu Berk dar. Immerhin hatten die Wikinger ihren Frieden mit den Drachen gemacht, aber so viel Toleranz hatte sicherlich nicht jeder von ihnen übrig, dass er tausende Drachen im Dorf akzeptierte. Warum hatten denn die Wachtürme nicht Alarm geschlagen?

„Grobian, hast du irgendwas von den Wachtürmen gehört? Haben sie überhaupt Alarm geschlagen?" – „Keine Ahnung, aber ich kann mir vorstellen, dass sie sie einfach nicht gehen haben. Bevor der Mond herauskam, hing da ne dicke fette Wolke.", entgegnete ihr der Dorfschmied und zuckte mit den Schultern. Astrid kam das Alles ein wenig merkwürdig vor. Immerhin hätten die Wachposten etwas sehen müssen.

„Grobian, kümmere du dich weiter um die Drachen, ich sehe beim Wachposten nach!" – „Wird gemacht, Chef!" der Dorfschmied machte sich daran, die anderen Bewohner zu wecken, um sie schonend auf die Konfrontation mit den vielen Drachen vorzubereiten. Er klopfte an Jede Tür und machte den Wikingern weiß, dass es sich hier um in Not geratene Drachen handelte, die nur einen Zwischenstopp einlegen würden. Dass diese Drachen in Not waren, konnte er sogar nicht abstreiten. Fragte sich bloß, wie lange sie hier blieben würden.

Astrid hatte derweil zu tun, zum Wachturm zu kommen. Nicht nur, dass der Wald bei Nacht sehr unübersichtlich und dunkel war, sie musste auch auf die Drachen aufpassen, die an jeder Ecke schliefen. Zwar waren die geflügelten Wesen recht freundlich und zutraulich, aber sie wollte es nicht provozieren, einen schlafenden Drachen zu wecken. Man wusste nicht, was dann passieren würde.

Gleichzeitig machte sie sich weitere Gedanken, woher diese Drachen herkommen würden. Immerhin musste es einen Grund geben, warum sich tausende Drachen auf eine lange Reise über das Meer machten und dann hier rasteten. Die waren nicht zufällig hier, wenn ihr das weiter durch den Kopf ging. Hatte Hicks vielleicht etwas mit der Sache zu tun? Hatte er die Drachen hierher geschickt, oder wurden sie einfach gejagt? Viele Fragen schossen durch ihren Kopf und auf keine einzige konnte sie eine Antwort finden. Vielleicht handelte es sich auch um einfache Drachenwanderung. Möglicherweise zu ihren Brutplätzen und die Insel war ihr jährlicher Zwischenstopp. Dann würde es auch bedeuten, dass sie nicht lange bleiben würde, was Astrid auch am liebsten wäre, denn die würden ihnen die Haare vom Kopf fressen. Das Vieh auf Neu Berk hatte sich gerade wieder halbwegs erholt.

Endlich erreichte sie den Wachturm. Sie wusste nicht, wer gerade Schichtdienst hatte, also rief sie einfach nach oben.

„Hey, sagt mal schlaft ihr da oben? Habt ihr nicht mitgekriegt, dass wir ein kleines Drachenproblem haben?" Keine Antwort. War der Turm überhaupt besetzt? Die Laterne brannte oben also müssten ein oder zwei Wikinger dort oben wache halten. Aber keine Antwort war merkwürdig.

Astrid stutzte. Lange wollte sie nicht warten. Sie beschloss auf den Wachturm zu klettern, um zu sehen, was los war. Stufe um Stufe erklomm die das Bauwerk und machte sich Gedanken, was wohl mit den wachen passiert sei. Haben die Drachen sie überrascht? Aber dann würde der Turm ganz anders aussehen. Immerhin war er intakt. Es gab keinerlei Spuren von einem Drachenangriff. Das Holz war nicht angekohlt oder gesplittert. Drachen wären also für eine Abwesenheit der Wachen nicht verantwortlich.

„So, wenn ihr jetzt nicht hier oben seid, dann werde ich euch lehren, wieder gut aufzupassen." Sie hatte die letzten Stufen vor sich und wollte schon ihre Axt greifen. Doch selbst die Drohung ließ von Oben keine Antwort andeuten. Nur einmal dachte sie, sie hätte ein Flüstern gehört.

Astrid stieg weiter hoch, sie war wütend, doch was sich ihr dann bot, hätte sie sich niemals vorgestellt. „Fischbein, Raffnuss...was zum." Sie hatte die beiden inflagranti erwischt. Beide waren in eine Decke gehüllt und hatten sich miteinander beschäftigt. „Astrid...wir...können das erklären.", kam es gestottert von Fischbein, der sich immer unwohler in seiner Haut fühlte.

„Ihr beide sollt Wache halten und euch nicht gegenseitig befummeln. Habt ihr überhaupt mitbekommen, was im Dorf los ist. Tausende Drachen sind auf der Insel gelandet und keiner weiß, wieso!" Wut und Enttäuschung spiegelte sich in ihrem Gesicht, was Fischbein gar nichts mehr sagen ließ

„Zieht euch einfach an und kommt mit ins Dorf. Und euch teile ich nicht noch einmal für die Nachtschicht ein." Da konnte Raffnuss nicht herum, das Ganze noch auf die Spitze zu treiben: „Warum denkst du, dass wir das nur Nachts machen?" Am liebsten hätte Astrid sie jetzt vom Turm geworfen, aber behielt die Beherrschung: „Kommt einfach ins Dorf, klar?" Mit diesen Worten schritt sie die Stufen wieder herunter.

Plötzlich konnte sie im Mondschimmer einen weiteren großen Drachen erblicken. Er nahm Kurs auf das Dorf. Und da war noch etwas. Auf dem Drachen befand sich eine Menschliche Gestalt. Genaueres konnte sie nicht erkennen, aber sie rannte so schnell, wie möglich wieder ins Dorf. Nur wenige Momente später war sie auf dem Dorfplatz und stand einem Grobian mit offenem Mund gegenüber. Die Gestalt hatte sich mitten auf dem Dorfplatz gestellt: „Ich wird noch verrückt.", kam es vom Schmied.

Der Fluch des NachtschattensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt