Sturm I

352 30 2
                                    

Seine Schwingen haben ihn schon weit in den Nordosten getragen. Tagelang war er schon unterwegs gewesen, in der Hoffnung, bald die Insel des Alphas in seinen Blick zu bekommen, doch bisher vergebens. Ein Sturm hatte sich zusammen gebraut und Hicks musste auf einer Insel Schutz suchen. Mit allerletzter Mühe fand er eine Höhle, in der er fürs Erste die Nacht verbringen würde.
Draußen tobte derweil die Hölle auf Erden. Fast so, als wäre Ragnarök eingetroffen und der ewige Winter hätte begonnen. Schnee und Regen wechselten sich ab gepeitscht von Orkanböen. Hicks konnte die Brandung rauschen hören. Gigantische Wellen, die an die Klippen schlugen und ihre salzig kalte Gischt in der Luft verteilten. An ein Weiterfliegen würde fürs Erste nicht zu denken sein, denn der Winter hatte sich in dieser Region noch einmal mit voller Härte zurückgemeldet.
„Nun heißt es wohl warten. Selbst der stärkste Nachtschatten würde solche einen Sturm meiden.", sprach Ohnezahn aus seinen Gedanken zu Hicks, als dieser sich auf warmer Asche einrollen wollte. „Also wenn das so weiter geht, wird sich unsere Reisezeit verdoppeln. Aber mein Leben will ich auch nicht in diesem Sturm riskieren, immerhin wollen wir beide heil in einem Stück ankommen. Und bereit für Odins Tafel bin ich noch nicht.", entgegnete Hicks und rollte sich ein.
„Immerhin haben wir schon die Hälfte der Strecke geschafft. Du bist schneller geflogen, als ich es erwartet hatte Hicks. Wenn der Sturm aufhört, würde es vielleicht noch zwei Tage dauern, dann würde der eisige Drachenhort in Sichtweite kommen."
Ohnezahn war wirklich erstaunt, welche Kräfte der junge verwandelte Wikinger freisetzte. Hicks hatte eine Geschwindigkeit an den Tag gelegt, die selbst Ohnezahn beeindruckt hatte. Immer mehr wurde dem Nachtschatten bewusst, dass der Wikinger seinen Körper voll unter Kontrolle hatte. Eigentlich ein gutes Zeichen, doch würde es hoffentlich für Hicks nicht mehr so lange dauern, wieder ein Mensch sein zu dürfen. Es war sein größter Wunsch. Ohnezahn spürte das. Nicht um seinetwillen. Hicks wollte ein guter Mann für Astrid sein und als Drache wäre dies niemals möglich. Auch Ohnezahn sehnte sich nach seinem alten Körper. Dann könnte er wieder von alleine fliegen und die Lüfte erklimmen. In Hicks kleinem Dorf hätte er eine Heimat gefunden, in der er nie etwas zu befürchten hätte, haben die Berkianer die Drachen mittlerweile akzeptiert und als Freunde schätzen gelernt.
„Weißt du was, Ohnezahn?" Der Nachtschatten wurde aus seinen Gedanken gerissen, als Hicks zu ihm sprach. „Was ist?"
„Wenn das hier vorbei ist, kannst du gerne bei mir blieben. Du hättest Nachtklaue und andere Dachen hier, die dich sicher herzlich aufnehmen werden. Bis auf Sturmpfeil vielleicht, aber die interessiert sich eh nur für ihr eigenes Spiegelbild." Beide mussten lachen. „Ja, wenn die eine Pfütze sieht, dann flippt sie total aus."
Die Zeit verging und Hicks und Ohnezahn scherzten noch eine Weile. Doch Hicks überkam die Müdigkeit und beide schliefen ein.

Es stürmte draußen. Viele Drachen hatten sich in die eisige Festung zurückgezogen, den starken Böen zu entgehen. Der Alpha hatte sich in seinen See verkrochen und blieb ruhig. Solche Stürme hatte er um die Jahreszeit schon öfter erlebt. Nichts Besonderes für den Drachen, der mittlerweile ein Stolzes Alter von 600 Jahren aufwies.
Zu ihm gesellte sich eine Frau mit langen blonden Haaren. Sie hatte mittlerweile 20 Jahre hier verbracht und kannte fast jeden Drachen persönlich....

Der Fluch des NachtschattensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt