Albtraum

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Was er auch wollte, er konnte nicht. Sich nicht wehren, nicht kämpfen. Nur die Flucht war Hicks geblieben. Die Flucht ins Ungewisse. Jetzt wurde er gejagt wie ein reudiger Köter. Was hatte er den denjenigen getan, die ihm an den Kragen wollten. Nichts. Er fühlte sich so missverstanden, so alleine, so hoffnungslos. Und das schlimmste war, dass keiner bei ihm stand, oder half. Astrid, Ohnezahn, sogar die Anwesenheit des kleinen Nachtklaue hätte er sich liebend gerne gewünscht, obwohl er den kleinen Nachtschatten niemals in Gefahr hätte bringen wollen. Einer Gefahr, der Hicks jetzt schutzlos ausgeliefert war.
Seine vier Beine brannten schon von der langen und mühsamen Flucht, welche ihn durch tiefe Wälder geführt und ihn an den Rand der Erschöpfung gebracht hatte. Nur noch Bäume und Büsche. Keine Aussicht auf Rettung. Er war allein. Mutterseelenallein.
„Ohnezahn. Astrid, könnt ihr mich hören. Irgendeiner von euch?!", brüllte er mit Angst in die tiefe dunkle Nacht hinein. Aber niemand hörte ihn. Niemand außer die Drachenfänger, die ihn jagten, bis aufs Messer.
Hicks wusste auch gar nicht, wie er in dieses Situation gekommen war. Er flog doch noch gerade eben über das weite und offene Meer, bis eine große Insel in Sich kam. Er wollte landen, doch dieses Recht wurde ihm von den Netzkanonen der Drachenfänger genommen. Schneller als er denken konnte, schlug Hicks hart auf dem Erdboden auf, nachdem zwei schwere Netze ihm die Fähigkeit geraubt hatten, zu fliegen.
Er zitterte, Schmerzen ummantelten seinen Körper und ließen aus seinem Maul klägliche Schreie der Verzweiflung kommen. Aber das machte nur die Drachenjäger auf ihn aufmerksam, die ihn wie blutrünstige Wölfe umkreisten und darauf nur warteten, mit ihren Waffen zu zu stechen.
Jedoch ließ es Hicks nicht soweit kommen. Er wollte frei bleiben, um für Astrid und den kleinen Nachtklaue zu sorgen. Er wollte, dass sie glücklich mit ihm zusammen leben sollten und nicht in Angst, dass er niemals wieder zurück kommen könnte. So schoss er einen Plasmablitz nach dem anderen in das Blattwerk der Büsche, wo er schon die Jäger hören konnte. Immer und immer wieder, bis er die Schreie von denen hörte, die ihm etwas antun wollten. Zum Glück hatte keine Bola dein Maul verschnürt, aber Hicks wusste, dass seine Schusszahl begrenzt war. Er musste also schnell wie möglich von hier weg.
Der ehemalige Wikinger richtete sich unter starken Schmerzen auf, schaffte es, ein Netz, was ihn beim Gehen behinderte ab zu schütteln und lief so schnell es nur ging in den Wald. Tiefer und tiefer, aber die Drachenjäger hatten schon seine Fährte aufgenommen.
Fliegen konnte Hicks aber noch immer nicht. Wie denn auch, denn ein schwere Netz all seine Schwingen behinderte. Er musste sich ganz allein auf seinen Sprint verlassen, der ihn eigentlich noch nie im Stich gelassen hatte. Aber so langsam machte doch die Kondition mit ihm zu Schaffen. Er konnte nicht mehr lange. Seine Geschwindigkeit verlangsamte sich und sein Puls stieg in die Höhe. Er konnte spüren, wie sein großes Herz vor lauter Anstrengung gegen seine Brust hämmerte und ihm signalisierte, dass mit solch einer Belastung nicht mehr lange schaffen könnte.
Hicks war sich nichtsdestotrotz bewusst, dass, wenn er jetzt hier auf der Stelle zusammen brechen brechen würde, ihn die Drachenjäger finden und töten würden. Niemals könnte er das zulassen. Er musste einfach weiter. Es ging dabei nicht mal um hin. Er wollte Astrid wieder sehen und in seiner kleinen Familie, wie er es schon nannte, ein guter Vater sein. Und dann noch Ohnezahn. Würde Hicks jetzt ins Jenseits fahren, dann hätte auch sein bester Freund keine Chance mehr gehabt, einen neuen Körper zu bekommen.
Doch sein Körper machte langsam schlapp. Immer kleiner wurden seine Schritte und das Netz auf seinem Rücken, welches die Flügel fest zu geschnürt hatte, wie ein Paket, das man lange nicht mehr aufmachen würde, tat sein übriges, um es Hicks die Flucht so schwer wie nur irgend möglich zu machen. Wenn er es nicht bald los werden würden, könnte das noch böse für ihn enden. Vor allem, wenn er sich mit einer der Maschen an einem Baum oder Busch aufhängen würde. Es wäre wohl sein Ende. Aber daran konnte er nicht denken. Er musste weiter, auch wenn ihm sein Körper weitere Leistungen verwerte. Hicks konnte einfach nicht anders. Für Astrid, für Ohnezahn, für den kleinen Gustav und auch für Nachtklaue. Wer wollte sie alle samt wieder haben, denn auch sein bester Freund,schien ihm hier in den Gedanken nicht helfen zu können.
„Ohnezahn, mein Freund, hilf mir. Bitte Kumpel, hilf mir, kannst du mich überhaupt hören?", schrie er verzweifelt in seine Gedanken, Doch niemand antwortete. Selbst in dieser Situation war er ganz allein und auch sich gestellt. Allein.
Aber dann wieder ein Knacken aus dem Gebüsch. Hicks sperrte seine Ohren weit auf und horchte, wer da kam, aber konnte er es schon längst vermuten. Die Drachenjäger, die ihn immer noch verfolgten: „Los weiter Männer, wir wollen doch den Nachtschatten fangen. Er geht uns nicht durch die Lappen. Er darf es einfach nicht. Diese Trophäe ist das beste, was uns je passieren konnte. Also Los!" Einer der Jäger feuerte seine Kollege an, noch schneller die Verfolgung auf zu nehmen.
Und dann konnte es Hicks wieder mit seinen eigenen Augen sehen. Die Fackeln der Jäger, wie sie immer schneller auf ihn zu kamen. Diese tänzelnden Lichter des Todes, welche ihm ein jähes Ende bereiten würden. Der junge Wikinger hatte Angst. Angst um sich und um die, die er liebte, da er genau wusste, dass sie ihn je wieder sehen würden. Astrid, seine geliebte Astrid. Er könnte nie sehen, wie Gustav und Nachtklaue groß werden würden. Er könnte nicht miterleben, wie sie vielleicht mit Ohnezahn eine Lösung gefunden hätten, um sich wieder in ihre Alten Körper zu bringen, oder Hicks wieder zurück zu verwandeln. Alles schien jetzt hoffnungslos.
Aber nein. Hicks wäre nicht Hicks, wenn er jetzt kapitulieren und hier auf der Stelle zusammen brechen würde. Er musste einfach weiter. Also fasste er einen Entschluss, entfesselte die letzten Kräfte, die er noch hatte und sprintete weiter durch den tiefen dunklen Wald.
Als er noch einmal nach hinten blickte, konnte er sehen, wie die Lichter der Menschen wieder kleiner wurden und weiter in die Ferne rückten. Immer weiter entfernten sie sich von ihm. Er konnte sogar einige von ihren fassungslosen Gesichtern sehen, die dumm und wütend drein starrten, da sie wohl nicht vermutet hatten, dass ein Nachtschatten so zäh war. Aber na gut, das harte Training damals bei Mehltau hatte auch seinen Beitrag gehabt.
Hicks freute sich innerlich, dass er geschafft hatte. Den Vorsprung würden sie ihn nicht mehr nehmen können. Diese Drachenjäger hatten ausgespielt. Triumphierend mit einem Lächeln auf seinem Gesicht, schnellte er weiter durch den Wald und machte große Sätze. Nie hätte er auch gedacht, dass er trotz solch einer Erschöpfung noch so lange durchhalten hätte können. Vielleicht war das auch eine weitere Eigenschaft, dieses Körpers. Es könnte doch möglicherweise eine letzte Notreserve für den Ernstfall gewesen sein. Sicherlich handelte es sich es um so etwas, denn anders konnte es sich der ehemalige Drachentöter nicht erklären.
Immer weiter drang er durch den Wald und ließ die Jäger weit hinter sich. Siegessicher lief er immer weiter geradeaus, bis sich der Wald lichtete und den Blick auf das Meer frei gab. Aber da war noch etwas anderes, etwas viel schlimmeres als die Jäger, was Hicks nicht erwartet hatte.
Eine Klippe, die ihn daran hinderte, weiter zu laufen. Und mit dem Netz in seinen Flügeln, war es nicht gerade leiht zu fliegen, wenn nicht gar unmöglich. Hicks war wieder verzweifelt. Wie konnte es denn nur soweit kommen? Die Jäger würden ihn so wieder auf Kurz oder lang einholen und fangen. Wenn nicht gar schlimmeres. Also musste er irgendwie dieses verfluchte Ding los werden, aber wie? Vielleicht mit abschütteln, doch war das genau so zwecklos, als wenn er jetzt versuchen würde, zu fliegen.
Eine andere Idee war es, das Netz mit den scharfen Zähnen zu erreichen und durch zu beißen, doch schnell musste Hicks fest stellen, dass die auch nicht recht klappen wollte. Er konnte mit seinem Hals einfach nicht diese Maschen erreichen, die ihm am Fliegen hinderten. Immer wieder konnte er fast mit den Zähnen das Netz ergreifen, aber jedes mal versagte er wieder, weil es so ungünstig verwickelt war.
Schnell sollte aber Hicks bemerken, dass das Netz nur sein kleinste Problem sein würde, denn seine Ohren peilten ein Geräusch an. Nicht so laut und unbeholfen, wie da der Jäger, aber auch von bedrohlicher Präsenz.
„Hmmmm....Nachtschatten. Meinen Jägern bist zu zwar entkommen, doch jetzt...gibt es für dich kein entrinnen mehr.", kam es von einer tiefen Stimme, die einer Person zugeordnet war, die Hicks nicht kannte. Eine Silhouette bewegte sich aus dem Mondschatten der Bäume auf ihn zu. Groß und bedrohliche Gestalt, gehüllt in einen dunklen Umhang. Man konnte nicht einmal sein Gesicht erkennen, denn der Schatten ließ es einfach nicht zu. Nur dass sie lange dunkle Haare hatte, konnte Hicks noch erkennen.
Sofort ging der Nachtschatten in Abwehrstellung über. Hicks begann zu fauchen und zu knurren. Er musste sich einfach als gefährlich offenbaren, obwohl er mehr Angst vor dieser Person hatte. Diese nämlich verspürte wohl nicht den Hauch dieser und näherte sich immer weiter, unaufhaltsam, Hicks.
Das kam dem ehemaligen Wikinger gar nicht gut vor, aber...da war doch noch etwas. Einen Schuss hatte er übrig. Diese würde er dieser Person frontal verpassen. Ja genau...dann wäre es auch mit dieser aus.
Hicks machte sich bereit zu schießen. Er lud das letzte Plasma, was er noch in seinen Reserven hatte und feuerte es direkt auf die Person. Aber zu seinem Entsetzen, wich die gekonnt aus. Und es schien diesen Mann noch wütender gemacht zu haben. Denn jetzt holte er aus dem Schatten seines Umhangs einen Speer hervor und fing an heftig zu schreien. Hicks war das nicht geheuer. Er wusste nicht, wie er damit klar kommen sollte. Immer weiter schleuderte der Mann den Speer und fing an bedrohlicher zu wirken, als dass es ein Drache ihm jemals nachmachen könnte.
Hicks war sich sicher. Jetzt würde er kommen und ihn mit diesem Speer erstechen wollen. Aber das wollte er nicht. Lieber würde er jetzt einen Flug von der Klippe versuchen. Egal ob mit Netz oder nicht. Er musste es einfach versuchen.
So wandte er sich schnell dem Mann ab, sprintete zur Klippe und versuchte seine Flügel auszubreiten. Aber es ging nicht. Die Flügel wollten sich nicht öffnen. „Hicks verdammt noch einmal, was hast du da bloß für Mist gebaut?", fragte er zu sich selbst, als er den immer näher kommenden Abgrund sah. Er wusste, jetzt war es um ihn geschehen. Er würde entweder auf die Felsen treffen und sich den Tod holen, oder im eiskalten Wasser ertrinken.
Hicks hatte Angst. Wieder diese unberechenbare Todesangst. Immer näher kam der Abgrund. Immer Näher. Hicks konnte sogar sehen, dass er direkt auf einen spitzen Felsen fallen würde. „Na wenigstens würde es schnell gehen.", dachte er sich, als er die Augen zukniff und nur noch auf den Tod wartete. Weiter und weiter fiel er als plötzlich....

Auf einmal schreckte Hicks hoch. Sein Nachtschattenkörper zitterte und sein Puls raste. Seine Atem war schnell und kurz, als ob er den Schrecken seines Lebens begegnet war. Doch als er sich umschaute konnte er kein kaltes Meer oder scharfkantige Felsen entdecken. Es war seine Höhle. Er konnte Astrid sehen, wie sie tief und fest im Bett schlief und auch Nachtklaue und Gustav kuschelten sich unter seinem Flügel aneinander. Die Glut des restlichen Feuer knisterte noch an der Kochstelle und tauchte die Höhle in ein zartes dunkelrotes Licht. Eigentlich eine wunderschöne Atmosphäre, wenn da nicht der Traum gewesen wäre.
„Hicks...Hicks.", sprach plötzlich eine Stimme in den Gedanken des Nachtschattens. „Ohnezahn?", antwortete er sofort. „Ich hatte eine schrecklichen Albtraum. Es war dunkel. Jäger hatten mich verfolgt, Dann diese Klippe und dieser Mann." Doch Ohnezahn reagierte erst gar nicht darauf, so geschockt war er nach dieser Erzählung seines besten Freundes.
„Was?", kam aus ihm nur heraus. Hicks war verwundert. Wieso fragte er so geschockt danach. Kann es etwa sein dass?...aber dann kam „Hicks...ich hatte den selben Traum..."


Der Fluch des NachtschattensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt