Schock

598 42 4
                                    

Lange freuten sie sich noch, dass es Hicks endlich geschafft hatte, so einen großen Plasmaball abzufeuern. Noch nie zuvor hatte es der ehemalige Wikinger geschafft, solch ein großes Objekt allein mit seiner Willenskraft zu kontrollieren.
Ohnezahn war stolz auf seinen Schüler, denn er absolvierte diese Übungen erst seit vier Wochen und sie waren schon so weit gekommen, wie es der Nachtschatten sich eigentlich erst im besten Falle für den doppelten Zeitraum vorgestellt hatte.
Er rechnete halt nicht mit Hicks Ehrgeiz, den er an den Tag legte, wie kein anderer. Selbst Ohnezahn hatte mit solch einem Talent nicht gerechnet. Und wenn er erst einmal richtig ausgebildet sein würde, könnte er sogar den Kräften eines Überwilden Konkurrenz machen. Sicherlich wäre er ein geborener Alpha gewesen, wäre nicht da das kleine Problem, mit den menschlichen Wurzeln und dem Fluch.
Ohnezahn jedoch machte sich nicht sehr viel aus dem Problem. Hicks war sein bester Freund geworden und vor allem der erste richtige, den der Nachtschatten, der nun in dessen Gedanken gefangen war, je hatte. Immer hatten sie Angst vor seiner starken Magie gehabt.
Aber nun war es er selbst, der Respekt über die Kräfte Hicks zollte. Er war wirklich begabt. Sicherlich hatte sein Fluch mehr bewirkt, als er eigentlich gewollt hatte. Verdammt, er war sich sogar sehr sicher, denn solch einen starken Zauber, wie Ohnezahn ihn ausgesprochen hatte, konnte viele Konsequenzen für den betroffenen haben. Wenn gar er wohl der mächtigste Drache aller Zeiten werden würde.
Doch Hicks schien solche Ziele nicht anzustreben. Er wollte nur wieder ein Mensch werden, um mit seiner Astrid endlich ein normales Leben führen zu können. Der junge Wikinger hatte sich zwar schnell an den Körper den Nachtschattens gewöhnt und gab auch einen guten Ziehvater für den kleinen Nachtklaue ab, aber wollte er doch wieder ein Mensch sein, damit er auch das Amt des Oberhauptes wahrnehmen konnte. Denn wenn Astrid immer nach einem langen harten Tag nach Hause kam, war sie völlig gestresst von dem, was so anfiel. Ein Konflikt hier, ein Problem da. Sie hatte nur noch am späten Nachmittag Zeit für die Familie. Selbst Gustav musste jetzt den Haushalt mit schmeißen. Auch Nachtklaue trug seinen teil dazu bei, Astrid, so viel wie möglich unter die Arme zu greifen, auch wenn es nur das Tragen von Sachen war.
„Hicks, sollten wir nicht langsam wieder zurück ins Dorf gehen. Der Schneesturm wird schon langsam schlimmer und ich glaube, das Astrid heute mal einen Schmusedrachen an ihrer Seite gebrauchen kann, um sich ein wenig von dem Stress zu erholen.", schlug Ohnezahn vor, denn Hicks war immer noch sehr begeistert darüber gewesen, was er gerade bewerkstelligt hatte.
Aber er reagierte: „Vielleicht sollten wir das. Es wird selbst mir jetzt ein wenig kalt. Und wenn das Wetter schon mal so günstig ist, um mit Astrid zu kuscheln? Warum denn dann nicht?" Hicks hätte zwar auch trainieren können, doch wurde es ihm langsam ein wenig kalt an den Pfoten und dann sehnte er sich selbst nach seiner Steinplatte, die er mit seinem feurigen Atem erwärmte und gemütliche Stunden mit der gesamten Familie verbrachte. Die Welt konnte wirklich nicht besser sein. Und wenn Hicks erst einmal wieder ein Mensch sein würde, oder sich wenigstens ein einen Menschen verwandeln könnte, wäre dies die Krönung, denn hier in Neu Berk hatten sie ihre neue Heimat gefunden. Dagur war zwar immer noch ein Problem, was über den Köpfen vieler im Dorf schwebte, doch hatte noch nie ein Wikinger es versucht, in der Zeit der großen Kälte einen Angriff zu starten. Das wäre Selbstmord, auch bei einer solch langen Seereise hierher und erst recht bei dem Schneesturm.
Außerdem hatte Astrid bei dem Schnee eh nicht viel zu tun. Das Leben des Dorfes spielte sich in dieser Jahreszeit in den Häusern ab, also gab es auch für den Chef, oder besser gesagt der Chefin des Dorfes, nichts weiteres zu tun. Ein perfekter Tag wäre das dann. Und einen Vorteil hatte das ganze auch. Nachtklaue kuschelte sich ebenfalls an Hicks Körper und das gab besonders Ohnezahn ein Vatergefühl. Sonst konnte er ja nicht viel machen.
Erst, wenn sie beide wieder in getrennten Körpern ihr Leben fortführen könnten, wäre es möglich, ihm die Wahrheit zu sagen. Aber Ohnezahn hatte sich schon Pläne gemacht. Würde es dazu kommen, wäre er auf jeden Fall ein weiterer Bestandteil von Hicks Familie. Er wollte hier bleiben, denn dieses Dorf, obwohl es eine berühmte Vergangenheit hatte, was Drachentöter anging, konnte seine Ansichten ändern. Hicks war das beste Beispiel. Er sah nicht mehr die Drachen als wilde Bestien, die man töten musste, sondern als liebevolle, einfühlsame Wesen. Und das war Ohnezahn eigentlich wichtiger, als alles andere.
„So Ohnezahn. Noch ein paar schöne Dorsche zum Verputzen, eine warme Steinplatte mit den anderen Mitgliedern der Familie und der Tag wäre perfekt...oder?" - „Da kann ich dir nur zustimmen Hicks. Ich freue mich schon, wenn Nachtklaue wieder kuscheln kommt." Beide lachten herzlich darüber, denn wenn der kleine Nachtschatten wirklich kuscheln wollte, fing er immer an übertrieben zu schmusen. Woher er das hatte, wollte Hicks ihn mal fragen, aber Ohnezahn schwieg einfach darüber. Da konnte es sich der ehemalige Drachentöter schon denken. Auf jeden Fall taufte Hicks dieses Ritual den Schmuseanfall, denn Nachtklaue war erst zufrieden, wenn er richtig lag, um tiefenentspannt einzuschlafen.
„Na dann lass uns gehen. Mir wird langsam wirklich kalt Kumpel." - „Gut dann..." Hicks hatte sich gerade umgedreht, um sich zum Abflug bereit zu machen, als plötzlich etwas vom Himmel genau auf sie zukam. Es war ein kleiner schwarzer Schatten, der langsam immer deutlicher und größer wurde. Erst dachten Hicks und Ohnezahn, es wurde sich um einen kleinen Drachen handeln, bis sie bemerkten, dass es Nachtklaue war.
Völlig erschöpft und aus der Puste, landete der Kleine vor den beiden. Er keuchte und war sichtlich geschafft, als er sich den Weg durch den Schneesturm zu ihnen erkämpft hatte. Hicks war sofort besorgt und auch ein wenig wütend. Nachtklaue konnte zwar schon gut fliegen, aber war es ihm von seinem Ziehvater untersagt worden, nicht bei solch schlechten Bedingungen zu fliegen, weil er einfach noch nicht die Kraft und Kondition dazu hatte. Aber Nachtschatten waren halt stur. Was konnte er also von seinen Verboten erhalten, wenn er sie aussprach?
„Nachtklaue?! Hatte ich dir nicht verboten, in solchen Stürmen zu fliegen?" Doch der kleine Nachtschatten musste erst einmal wieder zu Kräften kommen, bevor er überhaupt ein Wort sagen konnte. Er sah wirklich geschafft aus, sodass Hicks sich schon denken konnte, dass er ihn wohl auf dem Rückflug tragen hätte müssen.
„Hicks...du kommen schnell ins Dorf. Dort großer wilder Drache gelandet.", kam es von dem Kleinen, der so langsam wieder zu Kräften kam.
Hicks war aber total geschockt. Sollte da tatsächlich ein wilder Drache in dem neuen Dorf gelandet sein, das sie erst vor knapp einen Monat mühsam errichtet hatten? Wo sie noch einmal fernab von Verbannten oder Berserkern von neuem beginnen wollten? Das konnte doch nicht sein. Nicht hier. Nicht jetzt. Hicks und die anderen wollten hier ein ruhiges Leben führen, bis er wieder der alte sein könnte.
Doch dem ehemaligen Wikinger schossen gleich ganz andere Gedanken durch den Kopf. Was ist mit Astrid? Würde der Drache sie bedrohen oder gar verletzten wollen? Und die anderen Bewohner des Dorfes. Hicks hatte zwar die Bürde des Häuptling seiner Lebenspartnerin übertragen, doch hatte er immer noch Pflichtgefühle über dem, was eigentlich das Erbe von seinem Vater war.
„Ohnezahn wir müssen sofort zum Dorf zurück. Jetzt gleich. Und Nachtklaue nehme ich auf meinen Rücken. Klar?" Ohne Widerrede stimmte der Nachtschatten in Gedanken zu: „Ja sofort. Nicht, dass noch irgendetwas schlimmes passiert. Wo immer dieser Drache auch herkommt. Wenn er wild ist, kann das ernste Konsequenzen für das Dorf haben." - „Dann los!" Hicks wandte sich zu Nachtklaue: „Spring auf meinen Rücken und wir fliegen wieder zum Dorf. Wenn die Sache mit dem Drachen erledigt ist, erwartet dich noch etwas mein Freundchen."
Hicks wusste zwar, dass Nachtklaue nichts böses getan hatte. Er wollte ihnen ja nur so schnell wie möglich bescheid geben, was im Dorf vorgefallen war. Der junge Wikinger im Körper eines Drachen hatte ja gar keine Ahnung gehabt, wer ihn geschickt hatte...

Im Dorf hatten sich alle um das Ereignis postiert, was sich gerade abgespielt hatte. Ein Riesenafter Albtraum war plötzlich und ohne Vorwahrung im Dorf gelandet. Doch sah der wilde Drache nicht gerade danach aus, als ob er sie alle angreifen hätte wollen. Er sah heruntergekommen, schwach aus. Zu allem Überfluss war er am ganzen Körper mit Schnittwunden, die schon verkrustet waren, übersät. Als ob er in sehr schwere Kämpfe verwickelt gewesen war.
„Bei den Göttern, wo bleibt denn Hicks? Nachtklaue müsste ihn schon längst am Trainingsplatz gefunden haben..." Astrid wurde langsam ungeduldig. Nicht nur, dass Hicks immer noch nicht zu sehen war, weil doch er dem Drachen fragen könnte, warum er hier landete, sondern auch die Kälte machten ihr zu schaffen. Bei zweistelligen Minusgraden und der Kleidung, die sie eigentlich nur für die Höhle trug, konnte einem sehr schnell kalt werden.
Auch Raffnuss war völlig verwundert. Sie war so schnell, wie es nur ging, zurück ins Dorf gerannt, um die anderen vor dem großen Drachen zu warnen. Zu spät jedoch. Das riesige fliegende Reptil krachte förmlich auf den Platz in der Mitte des von Palisaden geschützten Dorfes. Schwach und zerbrechlich, wie es aussah, konnte selbst die junge Wikingerin mit dem Zweihänder nichts tun. Aus irgend einem Grund tat ihr das Tier sehr leid, als ob es die schlimmsten Qualen aushalten musste. Jedenfalls, trommelte sie die Dorfbewohner zusammen, um sich das anzusehen.
Der Drache selbst atmete sehr schwer. Er war schwach. Zu schwach, als dass er weiter hätte fliegen können. Sein Körper war von Narben übersät worden, von jenen, die ihm dies angetan hatten. Dies Barbaren. Jetzt konnte er nur noch hoffen, dass diese Wikinger, die hier um ihn herum standen und mit ihren Waffen nur so protzten, nicht jetzt alles zu Ende gehen lassen würden. Aber auch wenn schon. Überall schmerzte sein Körper und er konnte einfach nicht mehr weiter. Vielleicht wäre es sogar besser, wenn sie seinem Leben ein Ende bereiten würden, doch dann das.
Erst vernahmen die Dorfbewohner einen Schrei. Doch diesen hatten sie nur zu oft gehört, als dass sie sich vor diesem Drachen fürchten mussten. Nur wenige Sekunden später landete Hicks in ihrer Mitte, schüttelte sich kurz den Schnee ab und ließ Nachtklaue absteigen, der sich an Gustavs Seite zurück zog.
„Hicks, endlich bist du da!", kam es von der blonden Wikingerin nur erleichtert, die sich sofort zu ihrem Nachtschatten hin begab. Ein aufgeregtes Gurren verließ die Kehle des schwarzen Drachen und machte einen aufgeregten Blick. „Hicks...es ist dieser riesenhafte Albtraum. Er ist mehr oder weniger über dem Dorf abgestürzt. Seine Wunden sind schwer und er will sich auch gar nicht mehr wehren. Trotz all dem ist er wild...und...", doch da hatte der Nachtschatten schon etwas in den Boden geritzt, „..du willst das ich mit ihm rede? Mache ich." - „Danke Hicks." Sie gab dem Drachen einen kleinen Kuss auf die Stirn, als der sich danach zu dem großen rotbraunen Albtraum wandte, der ihn nur entgeistert anstarrte.
„Ein Nachtschatten...solch einen legendären Drachen habe ich noch nie in...meinem...Leben gesehen." Der Drache ächzte und konnte kaum noch richtig sprechen. Jedes einzelne Wort war für ihn eine Anstrengung, die ihm Schmerzen abverlangte. „Mein Name ist Hicks. Ich bin hier unter den Menschen zu Hause und ich versichere dir, dass wir alles tun werden, um dir zu helfen."
Der Albtraum war erstaunt. Ein Nachtschatten, der mit diesen Wikingern zusammen lebte. Und dann noch ein zweiter kleiner! Das musste wirklich eine merkwürdige Gesellschaft sein, in der er hier buchstäblich gelandet war. Aber für viel Verwunderung blieb nicht viel Zeit, denn er entgegnete: „Danke. Hakenzahn ist mein Name und...ich würde eure Hilfe nur zu gern annehmen.... Hicks der Nachtschatten."
Aber dem jungen Wikinger interessierte noch eins. Es musste ihm dass doch jemand angetan haben. Irgend jemand. „Hakenzahn...wer hat dir das angetan?" Der Drache stöhnte voller Schmerzen, doch antwortete er: „Böse Menschen. Barbaren. Sie folgten einem jungen Mann den sie......", doch da entschwand die Kraft im Drachen. Seine Augen fielen zu und Hicks blieb ohne Namen stehen.
„Er ist nicht tot. Nur Bewusstlos. Am besten wir bringen ihn in die große Halle und versorgen dort seine Wunden. Noch hat er eine Chance zu überleben.", mischte sich Ohnezahn sein. Hicks stimmte nur zu und nickte zu Astrid. Mit einem Blick zur großen Halle signalisierte er, was zu tun war. „Gut Hicks...Also Bürger von Berk. Der Albtraum wird gesund gepflegt und bleibt in der großen Halle." Nachdem das Kommando kam, wurde der große Drache in die Halle gebracht.
Alle waren nach diesem Tag geschafft. Nur Hicks wurmte etwas. Wer hatte diesem Drachen so etwas angetan. Die Berserker würden da sehr wahrscheinlich in Frage kommen...oder auch nicht?...

Der Fluch des NachtschattensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt