Sie flogen eine Weile immer tiefer in die Höhle hinein. Hicks hatte schon fast die Orientierung verloren. Er war noch nie hier gewesen. Selbst Zirras hatte ihm diesen Ort nicht gezeigt. Vielleicht aus Absicht, weil hier die heiligen Hallen des großen Überwilden waren? Hicks konnte nur Vermutungen anstellen. Ob diese stimmten, war fraglich, denn der Drachenhort war einfach riesig. Selbst ein einzelner Wikingerstamm könnte ihn nicht erobern. Da brauchte man schon eine ganze Armee aus Drachenjägern, um das hier zu erobern. Tausende, wenn nicht gar zehntausend müssten nötig sein, um diese Drachenfestung zu erstürmen. Und Hicks wusste, dass das unmöglich war. Es mochte zwar viele Drachenjäger im Archipel geben. Mehltau hatte ihm davon erzählt, aber sie würden sich niemals zusammen tun. Eher würden sie sich die Köpfe gegenseitig einschlagen, so groß war die Konkurrenz unter ihnen. Er hatte noch die Geschichte von einem gewissen Viggo Grimborn in Erinnerung. Dieser Mann hatte einen Bruder und eines Tages haben sie sich des Profites wegen zerstritten. Es endete in einem Handelskrieg zwischen den Drachenjägern und das Kartell, was diese beiden Brüder aufgebaut hatten, wurde durch ihre eigene Habgier zerstört. Irgendwie schon Ironie des Schicksals, wenn Hicks darüber so nachdachte.
Dann erreichten sie einen neuen Gang. Es wurde ein wenig Heller, aber viel konnte man immer noch nicht sehen. Hicks wusste nun überhaupt nicht, wo sie waren. So weit ab vom Hort war er noch nie gewesen. Hicks fragte sich schon, ob dies noch hier zu dem großen Refugium gehörte, was der Überwilde aufgebaut hatte. Er hätte sich nicht durch seine Gedankengänge ablenken lassen sollen, aber so konnte er ein wenig die Mischung aus Angst und Aufregung verdrängen, die in ihm hochkam, je länger sie flogen. Es war sicherlich nicht mehr weit gewesen, bis sie zum Alpha kommen würden. Hicks konnte es nicht mehr erwarten. Zwar war da die Angst, dass alles schieflaufen könnte, aber insgeheim hoffte er, dass er schon bald wieder auf zwei Beinen laufen könnte.
„Mach nicht schlapp dahinten. Wir sind gleich da!", kam es vom Sturmschneid, der die Geschwindigkeit noch einmal erhöhte und in einen weiteren gang flog. Hicks folgte ihm, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Auch Ohnezahn schwieg, denn der Nachtschatten im Geiste war ebenso überrascht und aufgeregt. Vielleicht würde er bald wieder seinen eigenen Körper haben. Dann könnte er sich um Nachtklaue kümmern und ihm ein guter Vater sein, wie er es hätte schon längst tun sollen.
Wenn Ohnezahn so darüber nachdachte, war er nicht viel anders als Hicks gewesen, als dieser noch ein Drachentöter gewesen war. Immerhin hatte der Nachtschatten auch jedes Dorf mit überfallen und Menschenleben auf seinem Gewissen gehabt. Dann auch noch diese Affäre mit Nachtklaues Mutter. Auch nicht gerade eine Biographie, auf die man mit Stolz zurückblicken könnte. So sah Ohnezahn das hier ebenso als eine zweite Chance, auf ein Leben, wie Hicks.
Dann auf einmal wurde die Höhle zu einem großen unterirdischen Raum. Hicks konnte es gar nicht richtig fassen. Er sah fast aus wie die Halle mit den Kristallen, die Zirras ihm gezeigt hatte, aber statt diesen, schillerte Eis im Mondlicht, welches durch die Decke des Raumes durchschimmerte. Ein unglaublicher Anblick. Und in Mitten dieses Raumes befand sich der große Überwilde. Vor ihm stand Valka, die den Nachtschatten schon sehnsüchtig erwartete.
Kurz darauf landeten Wolkenspringer und der Nachtschatten inmitten einer grünen Wiese. Hier war es unglaublich warm. Man dachte, dass das Eis hier schmelzen würde, aber es war fest. Sicher ein Werk der Drachenmagie vom großen Überwilden, da war sich Hicks ziemlich sicher.
Nur einen Moment später wurde Hicks in eine heftige Umarmung genommen. Es war Valka, die ihre Hände um den Hals des Nachtschattens geschlungen hatte. „Schön, dass du hier bist. Wir haben schon gedacht, du hättest Angst bekommen und wärst davongeflogen." – „Mutter, so ein feiger Drache bin ich auch wieder nicht." Beide grinsten und Valka kam nicht umher, eine Träne zu vergießen. Bald schon würden alle wieder beim Alten sein. Doch vorher musste Hicks noch mit dem großen Überwilden reden.
„Hicks. Der Alpha möchte mit dir sprechen." Valka löste sich aus der Umarmung und blickte in die Richtung des gigantischen Drachen, der auf den Nachtschatten schon wartete. Der weiße Riese blieb ganz ruhig und atmete sanft ein und aus. Scheinbar war er nicht wütend auf den Drachen, aber sicher konnte sich Hicks da nicht sein.
Hicks folgte dem Blick seiner Mutter und wandte sich ebenfalls zu dem großen Drachen um. Von unten sah er noch größer aus, als er eigentlich schon war. Er trat einige Schritte vor und wollte sich vorstellen, als der Überwilde zu sprechen begann: „Hicks Haddock der dritte der Hüne." – „Du kennst bereits meinen Namen?", kam es von Hicks überrascht.
„Nun Valka hat mit gestern Abend noch viel über dich erzählt. Auch, dass du eins ein Drachentöter warst." Seine Stimme blieb ruhig, aber das konnte Täuschen. Auch Menschen nutzten diese Art der Maskerade gerne, um ihre wahren Gefühle zu verbergen.
Hicks wusste nicht, wie er darauf antworten sollte. Aber irgendetwas musste er tun: „Ja das stimmt. Und ich schäme mich sehr für meine Vergangenheit. Doch das liegt hinter mir. Ich habe Ohnezahn kennen gelernt und gesehen, dass Drachen und Wikinger Freunde sein können. Selbst aus dem schlimmsten Feind kann ein verbündeter werden. Natürlich wäscht mich das nicht von meiner Schuld rein. Ich habe viele Dinge mit Drachen getan, die nicht zu entschuldigen sind und das werde ich mir mein gesamte Leben vorhalten müssen. Wenn du also Ohnezahn nur einen neuen Körper geben willst, dann verstehe ich das."
„Nun. Ich könnte dich wirklich im Körper eines Nachtschattens stecken lassen. Ohnezahn wieder einen neuen Nachtschattenkörper zu geben ist kein Thema. Aber ich habe von deiner Mutter auch gehört, dass du gerne wieder ein Mensch sein willst. Deine Schuld ist nur schwer rein zu waschen, Hicks. Aber du hast auch begriffen, dass es anders geht und dieser Wandel in deinen Gedanken ist viel wert. Deswegen werde ich dir auch die menschliche Gestalt wieder geben. Aber du darfst keinen Drachen mehr ein Leid zufügen. Ist das klar?!" Hicks Nickte auf diese Frage.
Für den Überwilden war vieles geklärt. „Nun, Hicks. Dann werde ich den Fluch auflösen." – „Aber nur unter einer Bedingung." – „Was willst du?" – „Ich würde gerne die Drachenstimme behalten. Dann kann ich mit meinem Freund Ohnezahn so reden, wie bisher." Der Überwilde dachte kurz nach.
„So sei es. Es soll dir eine Hilfe sein, mit vielen Drachen Freundschaft schließen zu können. Lasst uns jetzt beginnen!"
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Der Fluch des Nachtschattens
FanfictionHicks verfolgt nur ein Ziel: Der beste Drachentöter zu werden, den die Welt je gesehen hat. Als er jedoch bei Grobians Drachenunterricht nicht zugelassen wird und niemand sich für die Interessen des Häuptlingssohns einsezt, bekommt er eine Chance, e...