Das Haus eines Drachentöters I

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Einen Tag darauf hatten Hicks und Ohnezahn den Großteil der Strecke nach Berk zurückgelegt. Die Sonne zeichnete sich schon am Horizont ab und es würde nicht mehr lange dauern, bis sie unterging. In der Nacht könnten sie sich unsichtbar nach Berk schleichen und dort in Mehltaus Behausung die Drachentöterausrüstung holen.

Beide wussten nicht, was sie erwartete. Hicks und Ohnezahn hatten eine vollkommen von Berserkern besetzte Insel in Erinnerung gehabt, die jeden Winkel durchsucht hatten. Es war nicht sicher, ob sie die Waffen von Hicks gefunden hätten. Hoffentlich waren die Berserker so dumm, wie man es aus den Erzählungen her kannte.

„Hicks?", kam die Frage von Ohnezahn. „Was ist?" – „Wie willst du eigentlich den großen Überwilden zur Stecke bringen? Ich meine, es gibt kaum eine Waffe, die dem gefährlich werden würde. Da bräuchten wir einen vergleichbar großen Drachen." Ohnezahns Bedenken waren berechtigt. Wie sollte man einen solch großen Drachen ausschalten? Hicks Waffen müssten da schon Wunder bewirken, um einen Riesen wie Dragos Überwilden zu töten. Aber der junge Wikinger hatte schon einen Einfall.

„Ich habe da noch ein oder Zwei Asse im Ärmel, die dem Überwilden gar nicht schmecken werden.", gab Hicks von sich und schaute wieder in Richtung Horizont. Bald würde Berk auftauchen.

Die Nacht war hereingebrochen und Berk kam in Sicht. Hicks und Ohnezahn konnten schon die Lichter des Dorfes erkennen. Scheinbar hatten es sich die Berserker dort gemütlich gemacht. Nach all den Monaten hatten sie sicher eine Kolonie auf Berk errichtet, um ihre Macht zu festigen. Dem jungen Wikinger trieb es die Wut in seinen Geist, als er daran denken musste, wie schnell sie von der Insel fliehen mussten. Fast all ihre Habseligkeiten mussten sie damals zurücklassen. Nur das Nötigste war ihnen geblieben. Er wusste nicht, ob er sich beim Anblick Dagurs beherrschen würde, denn dieser Mann hatte immerhin seinen Vater auf dem Gewissen.

„Hicks, wir kommen gleich in den Lichtschein des Dorfes. Wenn wir da hereinfliegen, können sie uns sehen. Wohin soll ich fliegen?" Hicks überlegte kurz, dann kam ihm der Einfall: „Fliege um den Lichtschein herum. Ich will einen genaueren Blick auf das Dorf machen. Vielleicht sind nicht mehr so viele Berserker hier und Berk könnte zurückerobert werden."

Ohnezahn gefiel das nicht sehr. Er wollte nicht gesehen, werden, denn die Berserker waren auch dafür bekannt, Drachen zu jagen. Und dann war da noch etwas anderes: „Wir haben jetzt ein viel größeres Problem, als die Berserker. Drago ist auf dem Vormarsch, schon vergessen?" Der Wikinger auf seinem Rücken musste einlenken: „Du hast Recht, Ohnezahn. Die Rettung aller Drachen und vielleicht der gesamten Welt ist wichtiger, als ein Dorf. Ich will es mir nur von Nahem ansehen."

Ohnezahn drehte ab und flog am Rande des Dorfes entlang. Hicks versuchte, einen guten Blick zu erhaschen. Das Dorf schien zum großen Teil wieder aufgebaut worden zu sein. Nur einige Häuser waren noch zerstört und lagen in Trümmern. Man konnte Berserker sehen, die sich am Dorfplatz um einige Lagerfeuer gesetzt hatten. Zusammen mit einigen Verbannte, sangen sie Lieder und tranken fässerweise Met. Hicks stutzte, aber es könnte sein, dass es nach der Eroberung keine Drachenangriffe mehr gegeben haben könnte. Hicks hatte damals viele Drachen vom Himmel geholt und Drago könnte mit seiner Drachenarmee einen Großteil dazu beigetragen haben. Sie werden sich langweilen, da kaum etwas los sein würde. Und mit dem Metkonsum sank deren Aufmerksamkeit.

Dann erhaschte er einen Blick auf sein altes Haus viel konnte er nicht sehen, da es zu weit weg lag. Egal, wie Hicks sich anstrengte, er konnte nichts Genaueres erkennen. Der Rauch der Lagerfeuer vernebelte ihm ein wenig die Sicht.

„Ohnezahn, kannst du nicht doch ein wenig näher heranfliegen?" – „Nein, wenn man uns entdeckt, könnten wir nicht auf der Insel landen. Nutze doch deine Drachensinne, immerhin hat dir der Überwilde doch die Drachenmagie gegeben." Ohnezahn hatte Recht. Die Drachenmagie war das Schlüsselwort. Aber wie sollte man sie aktivieren?

Hicks probierte sich ein wenig aus. Irgendwie musste man seine Sinne verbessern können. Dann konzentrierte er sich auf die Augen eines Drachen und plötzlich geschah es. Seine Iriden wurden schmal und schlitzförmig wie die einer Katze. Augenblicklich wurde die Sicht klarer und er konnte wieder so sehen, wie er es auch als Nachtschatten getan hat.

„Jetzt geht es.", sprach er zu Ohnezahn und schaute genauer hin. Er konnte einige Berserker am Haus seines Vaters ausmachen. Scheinbar standen sie davor Wache und rührten sich kaum. Sicherlich würde da ihr Anführer hausen. Eine Schande, wenn man Bedenkt, dass vorher die Häuptlinge der Berkianer ihren Sitz dort hatten. Aber Hicks musste sich zusammenreißen. Ein falsches Manöver unser Himmel würde sich mit Pfeilen und geschossen füllen, denn seine Augen hatten noch etwas bemerkt. Eine alte Bolaschleuder war in die Hände der Berserker gefallen. Eine Waffe, mit der man selbst einen Nachtschatten abschießen konnte. Und nicht nur eine. Scheinbar hatten die Berserker es hinbekommen, gleich mehrere davon zu bauen. Und Hicks musste nicht lange nachdenken. Einige seiner Pläne hatte er nicht bei Mehltau, sondern bei Grobian in der Schmiede gelagert. Die waren nicht so sicher verstaut. Eigentlich lagen sie ganz offen in einem Hinterzimmer, sodass jeder sie nehmen konnte. Die Berkianer hatte sich nie für diese Schleudern interessiert. Die Berserker hingegen hatten sie nachgebaut.

Es war gut, nicht in den Lichtkegel zu fliegen, denn diese Schleudern würden eine ernste Bedrohung für die beiden darstellen.

Dagur konnte Hicks nicht ausmachen. Vielleicht war er wieder zur Berserkerinsel zurückgefahren und herrschte dort. Sicherlich hatte er hier einen Platzhalter hingesetzt, der auf Berk aufpasste. Aber sich weiter den Kopf darüber zu zerbrechen, wäre Zeitverschwendung gewesen. Sie hatten einen viel mächtigeren Feind zu besiegen.

„Ohnezahn? Dreh nach da drüben in den Schatten des Berges. Dort befindet sich die Hütte von meinem alten Meister." – „Ist gut Hicks." Mit Freuden steuerte der Nachtschatten in die Dunkelheit. Weg vom Licht war seine Tarnung perfekt und sie würden von niemandem gesehen werden. Er wunderte sich aber schon, warum man so weit außerhalb von einem Dorf lebte.

„Du Hicks, warum lebte dein Meister so weit abseits?" – „Nun die Leute hier hielten ihn für einen groben, meckernden alten Mann, der jeden schlecht machte. Deswegen war er im Dorf nicht sehr beliebt und man hatte sein Haus hinter den Berg versetzt. Aber er war einst der beste Drachentöter von Berk. Das Handwerk was er beherrschte, hatte er an mich weitergegeben." Ohnezahn nickte. Es gefiel dem Nachtschatten zwar nicht, in die Behausung eines Drachentöters zu gehen, aber wenn es wichtig war, um den Sieg gegen Drago er erringen, würde er alles tun.

„Dort ist es. Ohnezahn, geh runter!" Wenige Sekunden, waren die beiden gelandet.

Der Fluch des NachtschattensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt