„Nichts lässt einen mehr fühlen, dass man Single ist, als wenn die eigenen Geschwister heiraten", seufzte Kendra und nahm einen Schluck aus ihrem Sektglas.
Ihre große Schwester, die neben ihr auf einer der Bänke saß, von wo aus sie das bunte Treiben in ihrem Garten beobachteten, lachte leise. „Lange dauert das bei dir bestimmt auch nicht mehr, du wirst schon sehen."
Kendra seufzte erneut, um die Theatralik der Situation zu unterstreichen. Aber bei aller Dramatik steckte dennoch Wahrheit in ihren Worten. Sie war die letzte ihrer Geschwister, die Single war und genau genommen noch nie einen Freund gehabt hatte.
Die eine Nacht mit ihrem Pflegebruder zählte sie nicht, denn es war etwas, dass sie noch immer bereute.
„Unfassbar, dass dieser Tag schon fast vorbei ist, oder?"
Kendra nickte. Es war kurz vor Mitternacht und die ersten der Gäste, die kleine Kinder hatten, die früher ins Bett mussten, waren vor einigen Minuten bereits gegangen. Dennoch war die Feier noch immer in vollem Gange.
Helle Scheinwerfer, die sie im Hof aufgestellt hatten und deren Kabel ins Innere des Hauses führten, beleuchteten die Fläche, auf der hauptsächlich junge Leute tanzten. Der dunkle Nachthimmel über ihnen war übersät von Sternen und auch die Abendluft war deutlich kälter, als sie es noch vor zwei Stunden gewesen war.
„Und dafür haben wir ein dreiviertel Jahr lang geplant", sinnierte Rebekka.
„Vielleicht planen wir ja bald die nächste Hochzeit", neckte Kendra.
Ihre Schwester errötete. „Mal sehen", wich sie aus. „Wir sind erst anderthalb Jahre zusammen."
„Du musst ja nicht vier Jahre warten wie Henry. Oder drei, wie Mark. Nimm die zwei!"
Rebekka lachte. „Es entscheide ja nicht ich, wann wir heiraten."
„Ich weiß gar nicht, warum immer der Mann den Antrag machen muss. Das können doch auch wir Frauen festlegen!", beschwerte Kendra sich.
„Warte ab, bis du in der Situation bist, dann wirst du auch wollen, dass der Mann den Antrag macht", meinte Rebekka und nahm einen Schluck aus ihrem Sektglas. „Ganz ehrlich, ich beneide die Männer nicht. Das wäre doch total nervenaufreibend. Sagt er ja, sagt er nein, sagt er ja, sagt er nein? Das wäre mir zu aufregend."
„Aber für den Mann den man liebt kann man sowas schon auf sich nehmen", widersprach Kendra.
„Du bist hoffnungslos romantisch", seufzte Rebekka.
„Ja, klar. Ich will auch so etwas wie Henry und Mark, so eine romantische, liebevolle Beziehung."
Tja, nur hatte sie bis jetzt noch kein Mann gewollt, der auch nur annähernd so gewesen war, wie ihre Brüder. Sie wollte jemanden, der zuallererst Gott liebte und dann die Menschen. Und solche Männer waren anscheinend schwer zu finden.
„Ist Gabe auch romantisch?", wollte Kendra wissen.
Rebekka schien zu überlegen, doch dann schüttelte sie den Kopf. „Nicht wirklich. Er ist total lieb und einfach wundervoll, aber Romantik ist nicht gerade seine Stärke."
„Schade." Kendra runzelte die Stirn. „Vermisst du das?"
„Schon. Aber ich kann nicht von ihm erwarten, sich meinetwegen zu ändern."
„Doch, eigentlich schon." Kendra hatte ihre Gedanken ausgesprochen, bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, ob es klug war, das laut zu sagen.
„Kenny..."
„Ich finde schon, dass man sich ändern kann, wenn man jemanden wirklich liebt. Dann will man das doch auch irgendwie."
In Rebekkas Augen trat ein verletzter Ausdruck. „Wir lieben uns wirklich, Kenny."
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Never Too Far
Teen FictionAls Kendra O'Ryan im Rahmen ihres Studiums einen Praktikumsplatz als investigative Journalistin in Houston angeboten bekommt, beschließt sie, anzunehmen - egal, wo es hinführt. Doch wer hätte gedacht, dass sie dort ausgerechnet Ryan Tucker wiedertre...