Erleichterung durchflutete Kendra, als sie endlich auf dem Hof ihrer Eltern ankamen. Noch bevor Ryan den Motor ausgeschaltet hatte, öffnete sie ihre Tür und streckte ihre Beine raus.
„Wow, dieses Auto wird nicht explodieren, nur weil wir am Ziel sind. Immer mit der Ruhe", bemerkte Ryan.
Kendra verdrehte nur die Augen, griff nach ihrer Handtasche und stieg aus. Zehn Stunden mit Ryan Tucker waren eindeutig zehn Stunden zu viel! Wie konnten seine Geschwister so ganz anders sein als er? Und das obwohl Josh, Ryan und Maya blutsverwandt waren!
Kendra ging auf das Haus ihrer Eltern zu, ohne sich umzublicken, ob Ryan ihr folgte. Wie sollte sie ihren Eltern, Geschwistern und Josh erklären, weshalb sie hier war? Wussten sie schon, dass sie als Mittäterin in sechs Mordfällen gesucht wurde?
Als sie auf der Veranda ankam, brauchte sie nicht einmal zu klingeln, als auch schon die Tür aufgerissen wurde.
„Kendra O'Ryan, ich kann nicht fassen, in was für Schwierigkeiten du dich immer wieder manövrierst!" Ihre Mutter zog sie an sich und umarmte sie fest.
Kendra erwiderte die Umarmung zögerlich, da es ihr vor Ryan ein wenig peinlich war, so überschwänglich begrüßt zu werden. Sie meinte, dass sein Husten klang, als würde er versuchen, ein Lachen zu überspielen. Arroganter Idiot!
Endlich ließ ihre Mutter ihre Arme sinken und sah ihr ins Gesicht. „Ist alles in Ordnung bei dir? Wie geht es dir?"
Okay, scheinbar wusste ihre Familie tatsächlich bereits, dass sie polizeilich gesucht wurde. „Ist schon in Ordnung, Mom. Sind Mark und Josh schon da?"
„Ja." Ihre Mutter nickte und wandte sich an Ryan. „Schön, dich zu sehen, Ryan." Sie reichte ihm die Hand, die er nach kurzem Zögern ergriff und schüttelte.
„Danke."
Er wirkte, als versuche er einzuschätzen, wie ernst Lucy O'Ryan ihre Worte gemeint hatte.
„Kommt doch rein, ihr zwei. Ich hab noch Reste vom Mittagessen, die ich euch warmmachen kann, wenn ihr möchtet."
„Gerne", seufzte Kendra. Es ging doch nichts über ein ordentliches Mittagessen! Immerhin wäre es vermutlich die erste vernünftige, leckere Mahlzeit, die sie bekommen würde, seit sie Houston verlassen hatte.
Ihre Mutter führte sie ins Esszimmer, wo sie von Josh, Mark und einer Frau begrüßt wurden, die Kendra nicht kannte, die sich aber als Officer Brooklyn Hayes vorstellte.
Mit hochgezogenen Augenbrauen bemerkte Kendra, dass die Polizistin Ryan ein wenig länger und inniger umarmte, als nötig gewesen wäre, und dass er sie mit Brooke ansprach. Ob die beiden wohl so eine Art Beziehung am Laufen hatten?
Josh, der ihren Blick zu meiden schien, begann die auf dem Esszimmertisch ausgebreitete Landkarte einzurollen, als Lucy anfing, den Tisch zu decken. „Wir haben eine Route für dich rausgesucht, Ryan. Es geht nach Kanada."
Das könnte sie sich schon mal merken, wenn sie nachher Ash anrufen würde, nahm Kendra sich vor. Bisher hatte sie das noch gar nicht getan, ihr Handy ab Abilene dafür aber die ganze Zeit angeschaltet gelassen, um so ihre Ortung zu ermöglichen.
Jetzt, wo sie selbst mit in dem allem drin hing, wurde es auch für sie wichtig, Ryans Unschuld zu beweisen. Gespräche darüber hatten sie allerdings keine gehabt, was sie ein wenig deprimierte, immerhin würde sich hier ihre Wege trennen.
Sie hatte einfach nicht zu offensichtlich nachfragen wollen.„Auch für dich, Kenny."
Kendra sah auf. „Hm?" Sie war anscheinend so in Gedanken gewesen, dass sie nicht mitbekommen hatte, was Josh weiter gesagt hatte.
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Never Too Far
Teen FictionAls Kendra O'Ryan im Rahmen ihres Studiums einen Praktikumsplatz als investigative Journalistin in Houston angeboten bekommt, beschließt sie, anzunehmen - egal, wo es hinführt. Doch wer hätte gedacht, dass sie dort ausgerechnet Ryan Tucker wiedertre...