Josh war überrascht, als ihm einer seiner Kollegen verkündete, dass sein Bruder auf der Wache sei. Ryan war noch nie hier gewesen und schon die Tatsache, dass nicht Josh derjenige war, der den Kontakt suchte, war selten genug, als dass er begann, sich Sorgen zu machen, ob irgendetwas nicht stimmte.
Schnell schob er die Unterlagen auf seinem Schreibtisch beiseite, an denen er gearbeitet hatte, da trat sein Bruder auch schon in das Büro ein, das Josh sich normalerweise mit Mark teilte.
Es war ein wenig einsam ohne seinen Partner, aber der würde Ende der Woche endlich von seinen Flitterwochen zurückkehren, und – da war Josh egoistisch – das war auch gut so.
„Ryan, hallo." Er stand hinter seinem Schreibtisch auf und deutete auf zwei Sessel, die in einer Ecke des Raumes zum gemütlichen Gespräch bereitstanden.
„Hi", antwortete sein Bruder knapp. Er hielt einen großen, braunen Briefumschlag in der Hand, der vermutlich irgendwelche Dokumente enthielt und damit den Grund, warum Ryan hier war. Etwas anderes konnte Josh sich nicht vorstellen.
„Setz dich doch." Josh trat zu dem kleinen Tisch, der zwischen den beiden Sesseln stand und goss sich und seinem Bruder Wasser in zwei Gläser.
„Dankeschön." Ryan nahm das Glas und blickte sich in dem Büro um, das nur durch Glaswände vom restlichen Geschehen der Polizeiwache getrennt war.
Er schien die beiden Schreibtische zu mustern, die im rechten Winkel zueinander standen und Josh hätte darauf gewettet, dass sein Bruder einzuschätzen versuchte, ob Mark und er irgendeinen hohen Rang hatten, dass sie ein eigenes Büro bekamen.
„Also, was ist los?" Er hatte schließlich nicht ewig Zeit und war sich sicher, dass Ryan das alles so schnell wie möglich hinter sich zu bringen versuchen würde.
„Ich hab was für Brooklyn." Ryan reichte ihm den Umschlag.
Josh registrierte missbilligend, dass Ryan die Polizistin mit Vornamen änderte und konnte nicht umhin, zu vermuten, wie nahe die beiden sich bereits standen. So wie er seinen Bruder kannte...
„Ist was?"
Josh schüttelte den Kopf und griff nach dem Briefumschlag. „Nein, alles gut. Soll ich Officer Hayes noch etwas ausrichten?"
„Du kannst ihr sagen, dass das der Name und die Pläne sind." Ryan wirkte kurz, als würde er überlegen, wie viel er erzählen konnte und Josh war überrascht, als sein Bruder tatsächlich ins Detail ging: „Für die Befreiung von Ash Cooper. Ich hab die ersten Entwürfe fertig, die sie sehen wollte und die ich heute Abend meinem Boss vorlegen werde. Ich bräuchte ihre Rückmeldung so bald wie möglich."
Josh nickte. Brooklyn Hayes hatte ihn informiert, woran Ryan arbeiten würde und das gefiel ihm alles gar nicht. „Das ist ziemlich dünnes Eis, das weißt du?"
„Bitte?" Ryan hob die Augenbrauen. Auch wenn sein Bruder sich Mühe gab, immer noch abweisend zu sein, hatte Josh das Gefühl, dass dessen Hass auf ihn geschrumpft war, seit er ihm geholfen hatte, vor der Polizei zu fliehen. Aber vermutlich war das nur eine dumme Illusion seines verletzten Bruder-Herzens.
„Du begibst dich in eine ziemlich unkalkulierbare Gefahr", wiederholte Josh.
„Ich weiß." Ryan nickte. „Gerade, wenn ich in ein paar Tagen nach Houston gehe, weiß ich nicht, ob ich wiederkommen werden kann", ergänzte er erstaunlich offen.
Houston.
Josh musste sofort an Kendra denken. Wie groß war die Wahrscheinlichkeit, dass die beiden womöglich gleichzeitig nach Houston gehen würden? Aber sie hatte gestern Abend sowieso eher geklungen, als tendiere sie, das Angebot abzulehnen...
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Never Too Far
Teen FictionAls Kendra O'Ryan im Rahmen ihres Studiums einen Praktikumsplatz als investigative Journalistin in Houston angeboten bekommt, beschließt sie, anzunehmen - egal, wo es hinführt. Doch wer hätte gedacht, dass sie dort ausgerechnet Ryan Tucker wiedertre...