„Was glaubst du, müsste ich an meinem Leben ändern?"
„Zu viel. Genau wie ich. Wir müssen das Schritt für Schritt angehen. Ich versuche jeden Tag, Christus ähnlicher zu werden und gleichzeitig muss ich sagen, dass ich jeden Tag wieder neu hinfalle und versage. Aber wenn du mich fragst, wo du einen Lebensstil pflegst, den Gott nicht gut findet, würde ich dir zwei Worte sagen: Alkohol und Frauen."
„Inwiefern? Du bist selbst verheiratet und trinkst ab und zu etwas."
Die Abende waren seine Entspannungszeit. Erst ging er in einen Club und trank etwas, dann wurde er meist von einer Frau mit nach Hause genommen, die er nach der Nacht nie wiedersehen würde.
„Du hast zwei entscheidende Punkte genannt: verheiratet und ab und zu. Ich denke, du weißt, worauf ich hinaus will."
Auf seine abendlichen Eskapaden. „Ist angekommen."
„Ich will dir keine Moralpredigt halten, Ryan."
„Schon klar." Er meinte das ernst, auch wenn es ironischer klang als beabsichtigt. „Ich war ja derjenige, der gefragt hat", schob er noch hinterher.
Sawyer nickte zustimmend. „Ich würde dir trotzdem gerne etwas mehr dazu sagen, wenn du möchtest."
„Okay." Er zuckte die Schultern, obwohl er insgeheim neugieriger war, als er zugeben wollte. Sawyer hatte eine interessante und beeindruckende Sicht auf vieles.
„In Ordnung. Ich denke, mit dem Trinken ist es wie mit vielem anderen: In Maßen ja, in Massen nein. Meiner Meinung nach ist es auch etwas, das Gott nicht gut findet, auch wenn sich darüber auf Grundlage der Bibel streiten lässt, da im Urtext nicht immer spezifischen Worte verwendet wurden, wenn es um dieses Thema geht."
Vermutlich redete er über die Geschichte, wie Jesus Wasser in Wein verwandelt hatte. Sawyer hatte ihm empfohlen, mit dem Bibellesen im Johannes-Evangelium zu beginnen und spielte wahrscheinlich direkt auf diese Geschichte an, da er richtigerweise davon ausging, dass Ryan sie bereits gelesen hatte.
„Bei den Frauen ist das etwas eindeutiger. Die Bibel spricht schon im erste Kapitel davon, dass Mann und Frau für einander geschaffen wurden und es gibt etliche Stellen aus denen man herauslesen kann, dass Intimität für die Ehe geschaffen wurde."
Ryan verdrehte die Augen. So viel zum Thema, das würde keine Moralpredigt werden.
„Nein, lass mich ausreden." Sawyer hob beschwichtigend die Hände. „Es geht nicht nur darum, auch wenn das ein wesentlicher Grund ist, warum ich vor Kayden mit keiner Frau geschlafen habe. Und auch nach ihr nicht", fügte er mit einem Grinsen hinzu.
Ryan lächelte leicht, aber hauptsächlich aus Pflichtbewusstsein. Die tiefen Gespräche mit Sawyer waren selten leicht, aber bisher jedes Mal hilfreich gewesen.
„Mich würde interessieren, warum du das machst, Ryan."
„Was mache?" Er hob eine Augenbraue.
„Hast du jemals mehr als ein paar Nächte mit einer Frau verbracht?"
Er zögerte. „Selten." Selbst nicht mit Lary. Das hatte sie nicht gewollt.
„Aber warum?" Sawyer wirkte ehrlich interessiert.
Ryan räusperte sich, ein wenig verunsichert von Sawyers Nachfragen, auch wenn er die Antwort auf seine Fragen nur zu gut kannte. Er hatte sich selbst oft schon gefragt, ob er einfach unfähig sei, wirklich zu lieben, oder ob etwas anderes der Grund war, dass er keine Beziehungen länger aufrecht erhalten konnte.
„Ich gehe, bevor sie mich verletzen können", gab er zu. „Irgendwann vor, ich weiß nicht, sechs, sieben Jahren, habe ich mir geschworen, dass nie wieder jemand mich verletzen würde, indem er mich verließ. Am Anfang habe ich versucht, einfach die Gefühle und Emotionen zu verdrängen, aber das hat nicht so geklappt, wie ich es wollte. Also wusste ich, ich muss das anders anpacken, die Rollen tauschen, um der erste zu sein, der den anderen verletzte und nicht mehr der, der zerstört am Boden zurückblieb."
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Never Too Far
Teen FictionAls Kendra O'Ryan im Rahmen ihres Studiums einen Praktikumsplatz als investigative Journalistin in Houston angeboten bekommt, beschließt sie, anzunehmen - egal, wo es hinführt. Doch wer hätte gedacht, dass sie dort ausgerechnet Ryan Tucker wiedertre...