Als Kendra aufwachte, brauchte sie einen Moment, um zu realisieren, warum Ryan neben ihr lag. Sie war an ihn gekuschelt und ihr Arm lag quer über seinem nackten Brustkorb. Schnell blickte sie an sich hinunter und stellte erleichtert fest, dass sie ihren Schlafanzug noch trug.
Was sollte sie jetzt tun? Er schlief noch, den Kopf von ihr weggedreht, aber würde sie ihren Arm von ihm nehmen und sich von ihm lösen, würde er bestimmt aufwachen. Und sie wollte ihm nicht in dieser Position in die Augen sehen.
Vermutlich sollte sie am besten so tun, als würde sie noch schlafen und ihm die Lösung dieses Problems überlassen. Andererseits war sie hellwach und bezweifelte, dass sie mit ihrem aufgeregt hüpfenden Herzen noch mal einschlafen könnte oder auch nur so tun könnte als ob.
Also sollte sie wohl doch aufstehen. Vorsichtig hob sie ihren Arm, als er sich in dem Moment zu ihr herumdrehte und die Augen öffnete.
Unfähig, etwas zu tun, blieb sie, wo sie war und starrte ihm in die Augen, die nur so wenig von ihr entfernt waren. Gestern Abend hatte sie zweimal gedacht, er würde sie küssen, war sich aber nicht sicher gewesen, wie sie reagieren würde. Einerseits war sie erleichtert, dass er es nicht getan hatte, andererseits enttäuscht.
„Guten Morgen." Ein spöttisches Grinsen begann um seine Lippen zu spielen. „Dass ich das mal aus dieser Perspektive zu dir sagen würde."
Kendra rutschte von ihm ab. „Entschuldige." Sie setzte sich so schnell auf, dass ihr für einen kurzen Moment schwindelig wurde.
„Alles in Ordnung?" Er sah sie aufmerksam an.
Sie nickte. „Ja. Alles gut. Ich geh dann mal ins Bad." Sie brauchte ganz dringend kaltes Wasser im Gesicht.
„Wie spät ist es?"
Sie wandte sich um und sah auf den Wecker. „Kurz nach elf."
„Das Frühstück." Auch er richtete sich auf. Seine Haare waren verwuschelt und standen an einigen Stellen von seinem Kopf ab. Es sah einfach nur unheimlich süß aus.
Halt, Stopp. Aufhören.
„Frühstück", echote sie nur und hörte sich dabei vermutlich genauso dumm an, wie sie sich fühlte.
Ryan setzte sich auf die Bettkante, mit dem Rücken zu ihr und schien ebenfalls einen Moment zu brauchen, bis er aufstand. In der Zeit hatte sie die Möglichkeit, seinen durchtrainierten Rücken... Kendra, hör auf!, ermahnte sie sich selbst.
„Wir sind schon zu spät. Nicht, dass sie uns noch suchen oder denken wir hätten sonst was gemacht." Er hielt kurz inne. „Also, zum Beispiel abzuhauen."
Sie runzelte die Stirn. „Ja. Klar."
„Willst du als erstes ins Bad? Dann ziehe ich mich hier um." Es gab zwar mehrere Bäder in dem Gebäude, aber nur eines auf ihrem Gang.
„In Ordnung", stimmte sie zu und stand endlich selbst auf. Dabei kam sie nicht umhin, noch einen letzten Blick auf Ryans Oberkörper zu werfen. Sie benahm sich ja schlimmer als jedes verliebte Teenage-Fangirl!
„Du müsstest dann nur klopfen, nicht, dass ich gerade noch weniger trage, wenn du schon zurückkommst." Er zwinkerte ihr zu.
Kendra spürte, wie ihr die Hitze ins Gesicht stieg. Die Erinnerung an seine Haut unter ihren Fingerspitzen, der Wärme seines Körpers so nahe an ihrem... „Ja. Gute Idee." Sie musste definitiv hier raus. Die Luft war viel zu geladen, sodass es nur einen einzigen Funken gebraucht hätte, um alles explodieren zu lassen.
Sie sammelte ihre Anziehsachen vom Boden auf, griff nach Zahnbürste und Zahnpasta und machte sich auf den Weg ins Bad. Die Tür zog sie extra laut hinter sich zu, um ihren Gedanken einen Schlussstrich zu setzen. Der Erfolg hielt sich in Grenzen.
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Never Too Far
JugendliteraturAls Kendra O'Ryan im Rahmen ihres Studiums einen Praktikumsplatz als investigative Journalistin in Houston angeboten bekommt, beschließt sie, anzunehmen - egal, wo es hinführt. Doch wer hätte gedacht, dass sie dort ausgerechnet Ryan Tucker wiedertre...