12. Kapitel

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Sawyer winkte ab. „Alles gut. So haben wir wenigstens noch ein wenig Zeit unter uns. Männergespräche sind selten in einem Haushalt mit lauter Frauen." Er zwinkerte.

Ryan erinnerte sich, dass Sawyer und Kayden drei kleine Mädchen hatten, aber die Namen wollten ihm beim besten Willen nicht einfallen, obwohl er sie schon mehrfach gesehen hatte.

Sawyer und er setzten sich gemeinsam an den gedeckten Essenstisch und während Ryan das Wasser im Mund zusammenlief, beugte der Pastor den Kopf, um ein Tischgebet zu sprechen.

Das Beten war für Ryan am Anfang unangenehm gewesen, aber nachdem Sawyer begonnen hatte, es regelmäßig mit ihm gemeinsam zu tun, war die peinliche Berührtheit von ihm abgefallen und er begann, es zu mögen.

Hätte ihm jemand vor einem halben Jahr gesagt, dass er einmal Christ sein würde, hätte er ihn ausgelacht. Aber er hatte viele Gespräche mit Sawyer im Gefängnis gehabt und mit ihm gemeinsam begonnen die Bibel zu lesen... und irgendwie ergab alles Sinn für ihn.

Daran, dass es einen Gott gab, hatte er nie wirklich gezweifelt, nur hatte er nichts mit ihm zu tun haben wollen, denn für ihn war Gott das Sinnbild der Rache, Gewalt und aufgezwungenen Regeln gewesen.

Ryan würde nie den einen Nachmittag vergessen, als Sawyer ihm von der Liebe Gottes erzählt hatte. Es war der Tag gewesen, an dem er sich bekehrt hatte, denn ab da war das alles nicht mehr nur Theorie gewesen, sondern greifbare Realität geworden.

Es war das erste Mal seit Jahren gewesen, dass Ryan geweint hatte. Der Fakt, dass jemand, Gottes Sohn, für ihn gestorben war, aus Liebe, hatte ihn ziemlich fertig gemacht.

„Amen", schloss Sawyer und Ryan stellte schuldbewusst fest, dass er von dem Gebet des Pastors nichts mitbekommen hatte.

Er beugte sich über den Tisch und griff halb verhungert nach der Auflaufschüssel.

„Lass mich dir helfen", bot Sawyer an, der näher am Essen saß, griff nach Ryans Teller und tat ihm etwas von dem Auflauf auf, dessen Geruch den ganzen Raum erfüllte und den Duft von Rosen vertrieb, der noch immer in der Luft hing.

„Danke", murmelte Ryan. Immer wieder fragte er sich, was Sawyer wohl in ihm sah, dass er so authentisch freundlich zu ihm war.

Bei Brooklyn war das etwas anderes, denn er war es gewohnt, dass Frauen ihn mochten, aber bei Männern hatte er das bisher nur bei Landon erlebt. Bevor er Sawyer kennengelernt hatte, war der Pflegesohn der O'Ryans sein einziger Freund gewesen. Bei dem anderen Geschlecht war irgendwie schon immer besser angekommen.

„Wie war deine Woche bis jetzt?", wollte Sawyer wissen.

In wenigen Worten erzählte Ryan ihm von dem gestrigen Vorfall und seinem heutigen Gespräch mit der Polizistin.

Brooklyn wollte den Pastor zwar nicht in das alles mit hineinziehen, aber Sawyer etwas zu verschweigen war beinahe unmöglich. Er schien das zu spüren und fragte dann nur noch genauer nach. Außerdem machte Ryan die seltsame Entdeckung, dass er seinem neuen Freund gar nichts verschweigen wollte.

„Puh", machte Sawyer, als Ryan geendet hatte. Er hatte ihn nicht ein einziges Mal unterbrochen. „Das heißt, du musst im Prinzip auch mit deinem Bruder zusammenarbeiten?"

Ryan verdrehte die Augen. „Ich habe ja keine Wahl. Brooklyn will dich außen vor lassen, deswegen weiß nur Josh, wie er sie kontaktieren kann."

Sawyer fuhr sich durch die Haare. „Vermutlich ist das wirklich besser so. Josh weiß im Gegensatz zu mir, was es bedeutet, inmitten einer solchen Ermittlung zu sein."

Ryan zuckte die Schultern und nahm den letzten Bissen von Kaydens Auflauf. Sawyer hatte schon länger aufgegessen, aber es war ja auch Ryan gewesen, der die meiste Zeit geredet hatte. „Möglich. Das ändert aber nichts daran, dass ich ihn hasse."

Never Too FarWo Geschichten leben. Entdecke jetzt