„Was sollte das, Kelsey?" Wütend sah Ryan die junge Frau an, die sich nun hinter ihm auf die Verandastufen setzte und begann, ihn zu massieren. Es tat gut, das musste er zugeben, dennoch forderte er sie mit einem Blick auf, aufzuhören.
Erstaunlicherweise leistete sie dem Folge und rutschte neben ihm auf die Stufe. „Was sollte was?"
„Du hast vor Kendra so getan, als hätten wir was am Laufen! Ich war gerade dabei, ihr alles zu erzählen, und dann kreuzt du auf und..." Er hob die Hände, weil ihm die Worte dafür fehlten, wie sehr er hasste, was sie getan hatte.
„Jetzt bleib mal ruhig, Süßer" antwortete Kelsey in ihrer gewohnten gespielt selbstbewussten Art. Aber er hatte hinter ihre Fassade blicke können, er wusste, dass das nicht sie war. Eigentlich war Kelsey ein verängstigtes kleines Mädchen, das viel zu früh hatte erwachsen werden müssen und nun vollkommen hilflos versuchte, in der Welt, in der sie lebte, nicht unterzugehen. „Ich hab dir einen Gefallen getan."
„Hast du das? Ich sehe das nämlich nicht so." Er überlegte, ob er Kendra hinterherlaufen sollte, aber vermutlich war es besser, sie sich erst beruhigen zu lassen. Sie hatte ziemlich aufgewühlt gewirkt und würde er jetzt wieder mit ihr sprechen würde ihr Streit mit ziemlicher Sicherheit wieder eskalieren.
„Doch." Kelsey stützte sich mit ihren Armen hinter sich ab und blickte in den dunklen Himmel über ihnen, an dem nur vereinzelt Sterne zu sehen waren. „Durch mich hast du gerade ziemlich viel über sie erfahren."
„Das da wäre?"
„Wenn du mich fragst, würde ich sagen, dass sie deine Gefühle erwidert."
Skeptisch hob Ryan die Augenbrauen. „Ah ja."
„Ja. Es ist ganz einfach." Kelsey schlug ihre Beine übereinander. „Sie ist eifersüchtig. Wer eifersüchtig ist, liebt."
„Kendra und eifersüchtig?" Ryan lachte freudlos auf. „Sie ist wütend oder enttäuscht, aber bestimmt nicht eifersüchtig."
Kelsey seufzte. „Du bist echt schwer von Begriff." Sie richtete sich wieder auf. „Okay, pass auf. Hast du auf ihre Augen geachtet?"
„Ich gebe mir Mühe, sie nicht anzustarren", versuchte er sich zu rechtfertigen.
„Ryan! Wie soll sie denn so wissen, dass du auf sie stehst?", fragte Kelsey entrüstet.
„Ich stehe nicht...", wehrte er ab, wurde jedoch von Kelsey unterbrochen.
„Doch, tust du. Sowas von. Hör auf dich rauszureden. Seit Tagen drehen sich unsere Gespräche nur noch um sie und glaub mir, du bist ziemlich verliebt. Und sie auch."
Die Bestimmtheit, mit der sie das sagte, weckte eine Hoffnung in ihm, die er nicht wollte. Er würde am Ende nur enttäuscht und mit einem gebrochenen Herzen da stehen. Er konnte nicht zulassen, dass Kendra die Mauern einriss, die er um seine Gefühle herum aufgebaut hatte. „Woher willst du das wissen?"
„Ihr Blick." Kelsey grinste. „Sie hat die ganze Zeit zwischen uns hin und her gesehen, als würde sie versuchen einzuschätzen, wie wir zu einander stehen. Und ganz ehrlich, sie wirkte nicht glücklich darüber, wie ich mit dir umgegangen und was ich angedeutet habe. Und sie ist schnell gegangen. Und sie hatte Tränen in den Augen. Und..."
„Tränen?" Wieso war ihm das entgangen?
„Jap." Kelsey lächelte siegesbewusst. Sie schien wirklich vollkommen überzeugt von dem, was sie zu sehen geglaubt hatte.
„Sollte ich ihr hinterhergehen?", fragte er unsicher. Er hatte immer geglaubt, er hätte Kontrolle über die Frauen. Jetzt stellte er fest, dass es bei Kendra anders herum war. In ihrer Gegenwart hatte er zunehmend das Gefühl, sich wie ein Trottel aufzuführen und bevor er etwas tat überlegte er erst, wie sie darauf wohl reagieren würde. War das überhaupt noch normal?
DU LIEST GERADE
Never Too Far
Teen FictionAls Kendra O'Ryan im Rahmen ihres Studiums einen Praktikumsplatz als investigative Journalistin in Houston angeboten bekommt, beschließt sie, anzunehmen - egal, wo es hinführt. Doch wer hätte gedacht, dass sie dort ausgerechnet Ryan Tucker wiedertre...