Kendra wachte auf, als das Auto von außen geöffnet wurde. Sie hatte, den Kopf an die Fensterscheibe gelehnt, geschlafen und das rächte sich jetzt mit Schmerzen im Nacken. Blinzelnd blickte sie zu Ryan, der vor der geöffneten Autotür stand und einen Kaffeebecher in der Hand hielt.
Sie befanden sich auf einer Raststätte, der sich an eine Tankstelle und ein kleines Bistro anschlossen, die für Fernreisende am Freeway eingerichtet worden war.
Die Sonne schien bereits aufgegangen zu sein, auch wenn sie von grauen Wolken verdeckt wurde, die Regen verkündeten. Kendra musste mindestens drei Stunden geschlafen haben, wenn nicht noch länger.
Sie richtete sich auf und beugte sich etwas vor, um Ryans Gesicht sehen zu können. „Wo sind wir?", wollte sie wissen. Ihre Stimme klang kratzig und belegt vom Schlaf.
Ryan legte seine Arme auf dem Autodach ab und beugte sich zu ihr hinunter. „Bei Abilene."
Abilene... das kam ihr bekannt vor. Hatte er das schon mal erwähnt? „Wo liegt das?"
„Zwischen Houston und Whitingham."
„Damit hätte ich ja gar nicht gerechnet", erwiderte Kendra sarkastisch. „Wie weit sind wir gefahren?"
„Ich bin gefahren", verbesserte er. „Fünf Stunden statt der geplanten sechs. Seit etwa zweieinhalb Stunden stehen wir hier auf dem Parkplatz." Er setzte sich neben sie auf den Fahrersitz und ließ ein Bein draußen stehen.
Im Kopf rechnete sie nach, wie spät es sein musste und kam auf elf Uhr mittags. Hatte sie wirklich mehr als sieben Stunden geschlafen? „Tut mir leid. Eigentlich sollte ich dich ja wach halten." Schuldbewusst verzog sie das Gesicht.
„Keine Sorge, dein Schnarchen hat mich dafür später sanft in den Schlaf gewiegt."
Kendra sah ihn mit offenem Mund an und spürte, wie ihr die Hitze in die Wangen stieg. Sollte es stimmen, dass sie geschnarcht hatte, wäre ihr das unglaublich peinlich, selbst vor Ryan. Oder vielleicht gerade vor Ryan. „Du hast also geschlafen?", wechselte sie schnell das Thema.
Er nickte. „Zwei Stunden etwa. Willst du was essen oder können wir weiterfahren?"
Hatte er nicht in Gatesville halten wollen? War ihm das doch zu riskant gewesen? Kendra schob den Gedanken daran zur Seite. „Essen klingt gut."
Ryan nahm den Deckel von seinem Kaffeebecher und trank den Rest aus. „Da hinten kannst du dir was kaufen. Ein richtiges Frühstück wird es nicht, aber das kannst du ja in Whitingham nachholen."
„Ich hab kein Geld mit."
Ryan verzog genervt das Gesicht, zog aber ein Portemonnaie aus seiner Hosentasche und reichte ihr etwas Geld. „Dafür darfst du meinen Becher in den Müll werfen." Kendra griff nach seinem Kaffeebecher und öffnete schon die Tür, als er noch hinterher schob: „Und mir einen neuen Kaffee mitbringen."
„Wie trinkst du deinen Kaffee?"
„Mit Milch und Zucker."
Wie Josh also.
Sie nickte, stieg aus und ging hinüber zu der Raststätte. Es fühlte sich komisch an, nach dem langen, unbequemen Sitzen wieder zu laufen, aber gleichzeitig auch unglaublich gut.
Kendra suchte zunächst die wenig hygienisch wirkenden Toiletten auf, bevor sie das Gebäude betrat. Aus den Regalen mit billigeren Snacks sprach sie nichts wirklich als Frühstück an, also ging sie zu der Theke mit weiterem Essen hinüber und suchte sich zwei belegte Brötchen aus. Für Ryan wählte sie Kaffee und für sich heiße Schokolade zum Trinken.
DU LIEST GERADE
Never Too Far
Teen FictionAls Kendra O'Ryan im Rahmen ihres Studiums einen Praktikumsplatz als investigative Journalistin in Houston angeboten bekommt, beschließt sie, anzunehmen - egal, wo es hinführt. Doch wer hätte gedacht, dass sie dort ausgerechnet Ryan Tucker wiedertre...