81. Kapitel

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Ryan war erleichtert, seinen Dienst heute Nacht schon um eins beenden zu können. Eigentlich sollte er bis drei Uhr draußen bleiben, aber wenn Luke Scott ihn zurückrief... Ryan schloss seinen Griff fester um das Lenkrad. Dass Mike sich wieder an Kendra vergreifen würde, damit hatte er schon halb gerechnet, und doch ließ es eine ungeahnte Wut in ihm aufkeimen.

„Wir kehren schon um?" Kelseys Stimme klang nicht mehr angriffslustig wie noch zu Beginn seiner Schichten als ihr Fahrer. Zum einen war sie ihm mittlerweile freundlicher gesinnt, seit er sie in die Suche nach Kendra vor zwei Tagen mit einbezogen hatte und zum anderen war sie vermutlich einfach erschöpft. Sechs Kunden hatte sie diese Nacht bereits gehabt, zwei von ihnen hatten darauf bestanden, dass sie nicht anhielten, sondern Ryan mit der Limousine weiter durch die Straßen fuhr.

„Ja. Luke hat angerufen. Ich soll mich um eine Freundin kümmern." Freundin für Kendra war eindeutig übertrieben, aber jeder andere Ausdruck hätte genauso wenig ihre Situation beschrieben. Bekannte traf es vermutlich noch am besten, erklärte aber nicht, warum er ihretwegen zurückfuhr.

„Kendra? Was ist mit ihr?"

„Sie soll gerade nicht alleine sein."

„Wegen Mike?"

Ryan warf einen Blick in den Rückspiegel. Die Trennwand nach hinten hatte er heruntergefahren, sodass er Kelsey wieder sehen konnte. „Woher weißt du das?"

„Ich kenne ihn." Kelsey schnaubte. „Dummerweise", schob sie leiser hinterher.

Das war für ihn Zeichen genug, dass sie das hier nicht freiwillig tat. „In welcher Beziehung stehst du zu Mike?", tastete er sich vorsichtig an den Kern der Sache heran.

„Ich wohne bei ihm." Kelsey sah zur Seite. „Können wir bitte nicht über ihn reden?"

„In Ordnung." Ryan nickte. Er hätte gerne mehr über sie erfahren – wer sie war, woher sie kam, wie sie zu den Scotts gekommen war – hatte aber das Gefühl, nicht das Recht zu haben, so in ihre Privatsphäre einzudringen. Sie schwiegen beide, bis Ryan in die Meere Street einbog, in der die Scotts und ihre Leute lebten. Es war schon erstaunlich, dass sie in den letzten drei Jahren, seit er das letzte Mal hier gewesen war, nicht hatten umziehen müssen. Sie schienen nicht allzu sehr aufzufallen.

Ryan warf einen Blick in den Rückspiegel, um zu überprüfen, dass ihnen niemand gefolgt war, bevor er in den Hinterhof von Mike einbog, von dem er die Limousine erhalten hatte. Normalerweise standen hier noch mindestens vier, fünf andere Limousinen, aber Ryan und Kelsey waren um kurz nach eins die ersten, die zurückkehrten.

Ryan stieg als erstes aus und hielt Kelsey die Tür auf.

Sie warf ihm einen misstrauischen Blick zu. „Du auch?"

„Ich?" Er war überrascht, begriff dann aber was sie meinte. „Nein, Kelsey. Ich halte dir nur die Tür auf, damit du aussteigen kannst. Nicht mehr und nicht weniger."

„Okay." Ihr Blick blieb unsicher, als wüsste sie nicht, ob sie ihm trauen könnte. „Ich schätze, wir sehen uns morgen", verabschiedete sie sich, nachdem sie ausgestiegen war.

„Ja." Ryan nickte.

„Weißt du, ob Mike Zuhause sein wird?"

„Nein. Wieso?"

Sie schüttelte nur den Kopf. „Bis morgen."

„Hey, warte." Er hielt sie am Arm zurück. „Bekommst du Probleme, weil wir so früh zurück sind?"

„Wir werden sehen." Kelsey riss ihren Arm von ihm los und wandte sich ohne weitere Worte von ihm ab. Ihre hohen Absätze klackerten über den asphaltierten Boden, als sie auf die Hintertür des Gebäudes zu ging.

Never Too FarWo Geschichten leben. Entdecke jetzt