„Jesse, du kümmerst dich um den Mann", wies Ash einen seiner Männer an, bevor er sich wieder Kendra zuwandte. „Keine Sorge, Sie sind bei uns in Sicherheit."
Kendra nickte zitternd und sah Jesse Sherman hinterher, der sich auf den Weg machte, ihren Angreifer zu suchen und zu verhaften. Zum Glück waren die Polizisten noch nicht weit weg gewesen, sodass sie sie hatte einholen können, bevor der Mann mit dem Messer sie erreicht hatte. Der war sofort wieder umgedreht, als er die drei Männer gesehen hatte.
Ein wenig stolz war sie schon auf sich, den stummen Hinweis der Männer erkannt und sie als das enttarnt zu haben, was sie waren: Polizisten. Die Guten.
„Kannten Sie den Mann? Haben Sie ihn vor heute schon mal gesehen?", wollte Ash wissen. Er hatte sich ihr mit Vornamen vorgestellt, vermutlich, um ihr in ihrer Panik ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln. Es hatte definitiv funktioniert.
Kendra schüttelte den Kopf. „Nein, nie."
Ash nickte verstehend. „Officer Sherman wird sich darum kümmern. Sie sind außer Gefahr."
„Vielen Dank." Sie hatte wirklich Glück gehabt, direkt vor dem Angriff die Undercover-Polizisten getroffen zu haben, sonst hätte sich Ryans düstere Prophezeiung vermutlich doch noch erfüllt. „Es tut mir leid, ich wollte Sie nicht von etwas abhalten."
„Kein Problem. Ich habe ja gesagt, wir sind jederzeit für Sie erreichbar."
„Damit meinten Sie wahrscheinlich nicht das hier", mutmaßte Kendra und warf einen kurzen Blick zu dem etwas abseits stehenden dritten Polizisten, der mit seinem Handy beschäftigt war.
„Die Polizei, dein Freund und Helfer." Ash zwinkerte ihr zu.
„Wissen Sie, Kendra, ich glaube nicht an Zufälle", offenbarte er ihr. „Gibt es da vielleicht etwas, was Sie uns noch über Ryan Tucker erzählen können?"Kendra rieb sich über die Arme und sah zwischen den beiden Polizisten hin und her. Sie standen auf einer der kleinen Gassen, nicht weit entfernt von der Pension, in der sich Ryan vermutlich immer noch aufhielt. Er hatte gemeint, sie könne sich noch im Zeitfenster von einer halben Stunde umentscheiden, sollte sie doch mit nach Whitingham fahren wollen, und diese Zeit war noch nicht um. Ob sie das den Polizisten sagen sollte?
„Ich war vorhin in seiner Pension", gab sie zu.
Ash hob überrascht die Augenbrauen, als er ihre unglückliche Äußerung scheinbar missinterpretierte.
„Er ist der Bruder meines besten Freundes. Ich hab ihn vorhin getroffen und er hat angeboten mich nach Hause zu bringen", korrigierte und beschönigte sie zusammenfassend, was passiert war.
Ash nickte verstehend. „In Ordnung. Können Sie uns dorthin führen?"
Kendra blickte sich um. „Ich habe die Wahrheit gesagt, als ich meinte, dass ich keinen guten Orientierungssinn habe. Aber vielleicht könnte ich den Weg zurück finden."
„Das wäre eine große Erleichterung für uns." Ash bedeutete ihr, vorzugehen und schloss sich ihr ebenso an wie der andere Polizist. Derjenige, der den Mann mit dem Messer verfolgte, war noch nicht zurück.
Kendra lief einige Meter und erkannte schon bald wieder, wo sie sich befand. Von hier aus müsste sie den Weg zurück zu Ryans Pension finden. So schlecht wie er behauptet hatte, war ihr Orientierungssinn also gar nicht!
Ash schloss wieder zu ihr auf und sprach sie erneut an: „Haben Sie etwas Außergewöhnliches an Ryan Tucker bemerkt? Hat er irgendetwas davon gesagt, dass er abreisen wollte?"
Kendra zögerte nur kurz, entschied sich dann aber dafür, die Wahrheit zu sagen.
Ryan war jetzt wirklich kein unbeschriebenes Blatt und hatte das Gefängnis zweifellos verdient, egal, ob er die fünf Menschen wirklich umgebracht hatte, oder nicht. Aber es war nicht ihr Job, das herauszufinden, sondern der der Polizei und genau denen würde sie Ryan jetzt übergeben. Dann wäre er wenigstens nicht länger ihr Problem.
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Never Too Far
Teen FictionAls Kendra O'Ryan im Rahmen ihres Studiums einen Praktikumsplatz als investigative Journalistin in Houston angeboten bekommt, beschließt sie, anzunehmen - egal, wo es hinführt. Doch wer hätte gedacht, dass sie dort ausgerechnet Ryan Tucker wiedertre...