9. Kapitel

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Ryan setzte die Kapuze seiner dünnen Jacke auf und vergrub die Hände in den Hosentaschen, während er auf seinen Kunden wartete. Er konnte es kaum fassen, dass Blake ihn erst einmal wieder in den Verkauf geschickt hatte!

Hätte er nicht lieber Pläne entwerfen sollen, wie Ash befreit werden konnte, oder an die Grenze reisen, um Kontakte nach Mexiko herzustellen? Dafür wäre er eindeutig besser qualifiziert gewesen als für das hier!

Selbst bevor er verhaftet worden war, hatte er schon lange keine einfachen Verkaufsarbeiten mehr gemacht! Und jetzt ließ ihn der Käufer auch noch warten.

Passend zu seiner Laune hatte sich das Wetter geändert. Heute Morgen hatte noch die Sonne geschienen, doch mittlerweile hatte sich Nebel über die Stadt gelegt und es hatte begonnen zu nieseln.

Ryan stand im Eingang eines verlassenen, alten Hauses, der ihm wenigstens ein wenig Schutz vor dem Wetter bot.

Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass der Käufer bereits zehn Minuten zu spät war. Da konnte doch etwas nicht stimmen.

Mit zusammengekniffenen Augen überflog er die schmale Gasse. Er befand sich im armen, kriminellen Viertel Whitinghams, Midway Hall. Aber selbst für diese Gegend war die kleine Straße, in der er sich befand, erschreckend heruntergekommen. Abgebrannte, verlassene Häuser mit eingeschlagenen Fensterscheiben waren an der Tagesordnung und nur die Müllsäcke auf der Straße verrieten, dass hier mehr Menschen lebten als man es denken und hoffen würde.

Gerade, als Ryan sich von der Wand abstieß, um zurück zum Hauptquartier an der St. Patrick's Road zu gehen, nahm er aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahr. Er wandte sich nach rechts und sah einen dunkel gekleideten Mann auf sich zukommen. Das schien der Käufer zu sein.

Ryan runzelte die Stirn. Der Mann lief anders, selbstbewusster, sicherer, als die meisten Käufer, die hibbelige, ungeduldige Drogenjunkies waren. Entweder es war ein Unterhändler für einen anderen, konkurrierenden Drogenring, von dem Ryan nichts wusste, oder es war ein Cop.

Ryan begann automatisch, die Gasse nach einem Fluchtweg abzusuchen. Klar, er könnte in die entgegengesetzte Richtung davonrennen, aber wenn dieser Mann tatsächlich zur Polizei gehörte, dann würden in dieser Richtung seine Kollegen postiert sein.

Drogen an einen Polizisten zu verkaufen war mit das dümmste, was man machen konnte, aber die Drogen jetzt noch loszuwerden, ohne dass sie später entdeckt werden würden, war utopisch.

Ryan ließ den Mann ein wenig näher herankommen. Vielleicht irrte er sich auch und er wollte gar nicht zu ihm. Doch schon bald blieb kein Zweifel. Das war derjenige, der sich als sein Käufer angekündigt hatte.

Ob Blake ihn mit Absicht in die Falle gelockt hatte? Wollte er ihn loswerden oder war das eine Art Prüfung? Sollte er sich beweisen? Zeigen, dass er auf der richtigen Seite stand?

Aber was auch immer das sollte, ob von Blake beabsichtigt, gewusst oder nicht, er durfte sich nicht erwischen lassen. Brooklyn Hayes würde ihn zwar vor dem Gefängnis bewahren können, das würde allerdings Misstrauen bei Blake säen, und darauf war Ryan nicht gerade scharf.

„Sie haben was für mich?" Der Mann war vor ihm angekommen. Er wippte undgeduldig auf den Ballen vor und zurück und kurzzeitig fragte Ryan sich, ob er sich in dem Mann getäuscht hatte, aber dann entdeckte er einen Knopf an der Jacke, der dort eindeutig nicht hingehörte. Ein Abhörgerät.

„Das Geld?", versuchte Ryan, sich ein bisschen Zeit zu verschaffen. Der Mann, der nun in seiner Jackentasche nach den Geldscheinen suchte, war breiter gebaut als er und versperrte ihm nicht nur sämtliche Auswege, sondern war auch noch um einiges muskulöser, was es unmöglich machte, an ihm vorbei zu kommen. Blieb also nur der Weg nach hinten.

Never Too FarWo Geschichten leben. Entdecke jetzt