Was war das für ein Haus? Kendra sah sich stirnrunzelnd auf dem Gang um, von dem fünf verschiedene Türen abgingen. Sie wollte nicht jede einzelne probieren müssen, um den Gemeinschaftsraum zu finden, von dem Chris gesprochen hatte, aber genau das müsste sie vermutlich doch tun.
Aufgebaut war das Gebäude wie ein großes Wohnhaus, aber was sich hinter den anderen Türen verbarg, konnte Kendra nicht sagen. Von Waffenlager bis privatem Schlafzimmer von Mike oder Chris konnte es alles sein. Wobei - hatte Chris nicht davon gesprochen, dass Mike ein eigenes Haus hatte? Aber warum hatte der dann auf den Verandastufen zu diesem Haus das junge Mädchen vergewaltigen wollen? Das ergab doch alles keinen Sinn!
„Kann man dir helfen?"
Kendra wandte sich zu der Stimme um, die ihr merkwürdig bekannt und gleichzeitig fremd vorkam. Sie sah sich einem jungen Mann gegenüber, der gerade aus dem Treppenhaus kam und sich nur zwei Schritte vor ihr lässig gegen die Wand lehnte. Mit seinen dunklen Haaren, den markanten Gesichtszügen und dunklen Augen sah er Chris sehr ähnlich. „Ähm... Ja?", stotterte sie überrascht.
Ein Grinsen begann um die Mundwinkel des jungen Mannes zu spielen, der etwa in ihrem Alter sein musste. Er war attraktiv, so viel musste sie zugeben. „Luke", stellte er sich vor und reichte ihr die Hand.
Kendra schüttelte sie. „Freut mich. Kendra."
„Ich weiß."
„Wieso das?", fragte sie verdutzt.
„Wir haben nicht oft Gäste. Spricht sich rum", erklärte Luke mit einem Schulterzucken.
„Oh", machte Kendra, noch immer ein wenig sprachlos. Sie wusste nicht genau, ob das daher rührte, dass sie überrascht war, dass er mit ihr sprach, was er sagte oder doch eher wie er aussah.
„Du willst zum Gemeinschaftsraum? Zum Essen?", soufflierte Luke.
„Ähm. Ja." Konnte sie bitte mal aufhören, so dämlich zu stottern? Das tat sie doch sonst auch nicht, und sie war schließlich mit Ryan unterwegs, dem Mann, der selbst einer ihrer besten Freundinnen den Kopf verdreht hatte!
„Ich kann dich hinbringen", bot Luke an.
„Gerne."
Luke nickte und stieß sich von der Wand ab. „Du bist im falschen Teil des Gebäudes."
„Was?"
„Du hättest hinter der Treppe langlaufen müssen." Luke ging einige Meter zurück in die Richtung, aus der sie gekommen war und zeigte ihr, was er meinte. „Das Gebäude hier ist ein bisschen wie eine Jugendherberge aufgebaut. Am Anfang war es ein normales Wohnhaus wie die anderen Gebäude in dieser Straße, aber wir haben irgendwann angefangen, es immer mehr auszubauen."
„Wieso das?", wollte Kendra wissen, während sie ihm an der Treppe vorbei in einen Gang folgte, den sie vorhin gar nicht bemerkt hatte.
„Wir haben einige Freunde aufgenommen."
„Wir sind deine Familie und du?"
„Mein Bruder und ich. Chris hast du ja schon kennengelernt."
Also stimmte ihre Vermutung tatsächlich. „Man sieht die Ähnlichkeit."
Luke lachte. „Ja, das sagen viele. Aber vom Charakter sind wir sehr verschieden."
Das klang wie bei Ryan und Josh. „Ist das nicht oft so?"
„Bei dir auch?", wollte Luke wissen, während sie den Gang entlangliefen.
„Nein." Rebekka und sie hatte nicht sehr viele äußerliche Ähnlichkeiten. „Aber bei Ryan und seinem Bruder."
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Never Too Far
Teen FictionAls Kendra O'Ryan im Rahmen ihres Studiums einen Praktikumsplatz als investigative Journalistin in Houston angeboten bekommt, beschließt sie, anzunehmen - egal, wo es hinführt. Doch wer hätte gedacht, dass sie dort ausgerechnet Ryan Tucker wiedertre...