Zum wiederholten Mal sah Landon Gray Sheppard seinen Vorgesetzten in seine Richtung zeigen. Wer waren die beiden Männer, die vor einer guten Stunde angekommen waren und sich benahmen, als wären sie hier die Bosse?
„Hey, Shep, kennst du die?"
Landon wandte sich zu Jude Garrett um, seinem Zimmergenossen in der Kaserne, wo er zum Navy-Soldaten ausgebildet wurde. Gerade hatten sie Mittagspause und saßen in der riesigen Mensa auf Holzbänken an den langen Tischen. Die Lautstärke war mal wieder ohrenbetäubend – ein Wunder, dass noch keiner ihrer Vorgesetzten eingegriffen hatte.
„Nein, keine Ahnung." Landon schüttelte den Kopf und widmete sich wieder seiner Suppe. Wenn jemand zu ihm wollte, würden sie schon kommen.
„Ist das jetzt wieder eine deiner Trotz-Phasen? Die wollen eindeutig was von dir! Du könntest schon mal hingehen und zeigen, wie aufmerksam du bist!", argumentierte der wie immer sehr aktive Jude, den sie alle nur JG nannten.
„Oder ich könnte es sein lassen und kein Gespräch unterbrechen", erwiderte Landon gelassen. Seit einem guten Monat war er jetzt hier und absolvierte die Ausbildung, die ihm alles abverlangte. Aber auf eine seltsame Art und Weise tat es gut, hier zu sein.
„Komm schon, Shep. Wir sind alle neugierig", argumentierte JG.
Shep war der Name, den sie ihm gegeben hatten, die Abkürzung von seinem Nachnamen. Gut, eigentlich war es Lisas Nachname, den er als Künstlernamen angenommen hatte.
Landon sah JG genervt an. „Halt die Klappe."
„Ich sag ja nur. Ein bisschen mehr Aufmerksamkeit könnte nicht schaden, um dich wieder beim Captain einzukratzen. Sorry, aber du hast es echt nötig." JG pustete, um die Suppe auf seinem Löffel abzukühlen.
Mit einem Scheppern ließ Landon sein Besteck zurück in den fast leeren Teller fallen. Die Blicke seiner Kameraden waren auf ihn gerichtet, als er aufstand und zum Captain und den beiden Unbekannten hinüber lief. Ihm war klar, dass er eigentlich hier war, um Respekt vor Autoritäten zu lernen, aber das fiel ihm noch immer nicht leicht. Und wenn er ehrlich war, sah er auch keine Notwendigkeit, Respekt vor einem Captain zu haben, der sich diesen nur durch Strafmaßnahmen erarbeitete und erhielt. In seinen Augen musste man sich Respekt verdienen und nicht einfach aufgrund seines Ranges erwarten.
Mit dieser Sichtweise stand er ziemlich alleine und vermutlich hatte er es nur dem Einsatz seines Schauspielagenten zu verdanken, dass er nicht längst rausgeflogen war.
„Kann ich Ihnen helfen, Captain?" Er salutierte nicht, als er zu seinem Vorgesetzten und den beiden Männern trat. Schon allein dafür würde der Captain sich eine saftige Strafe ausdenken. Vielleicht wieder Extra-Runden auf dem Sportplatz bei strömendem Regen.
„Soldat Sheppard." Der Blick des Captains brannte förmlich auf seinem Gesicht, aber Landon hielt ihm stand. „Das sind die Agents Greene und Teasly. Es geht um einen Sechsfachmord Ihres Freundes."
Auf einmal war es wie totenstill in der Mensa. Niemand traute sich zu sprechen, alle wollten dem Gespräch von Landon, dem Captain und den beiden Neuankömmlingen folgen.
„Welcher Freund?"
„Ryan Tucker", meldete sich einer der beiden Agents zu Wort.
Landon kniff die Augen zusammen. Die wollten ihn doch verarschen! „Danke für den Witz, ich würde dann jetzt weiter essen." Ryan und sechs Morde? Nie im Leben!
„Soldat Sheppard, Ihre Bestrafung erfolgt später. Jetzt gehen Sie erst mal mit den beiden Agents mit."
Widerwillig gehorchte Landon und folgte den beiden Agenten den Gang hinunter in das private Büro des beurlaubten Lieutenants. „Setzen Sie sich", wurde er aufgefordert.
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Never Too Far
Teen FictionAls Kendra O'Ryan im Rahmen ihres Studiums einen Praktikumsplatz als investigative Journalistin in Houston angeboten bekommt, beschließt sie, anzunehmen - egal, wo es hinführt. Doch wer hätte gedacht, dass sie dort ausgerechnet Ryan Tucker wiedertre...