Ryan zog Kendra an sich und legte seine Arme um sie. Er war froh, dass Kendra zu verwirrt schien, als dass sie ihm widersprochen hätte, als er sie gebeten hatte, so zu tun, als seien sie ein verliebtes Pärchen.
Sein Verfolger suchte einen einzelnen Mann, nicht zwei verliebte junge Menschen, die sich die Einsamkeit im Schatten eines Gebäudes genossen.
Ryan betete, dass seine Tarnung nicht auffiel und der zweite FBI-Agent einfach an ihnen vorbei laufen würde.
Er hatte keine Ahnung mehr, wie er es geschafft hatte, den ersten Agenten zu überwältigen, bewusstlos zu schlagen und aus dem Red Mary zu entkommen, allerdings war er dabei dem zweiten Agenten über den Weg gelaufen. In dieser Berufsgruppe war man selten alleine unterwegs, das kannte er von Josh und Mark.
Ryan spürte, wie Kendra zögerlich ihre Arme um seine Taille legte und seine Umarmung erwiderte. Dann hörte er die näher kommenden Schritte. Er schien doch einen größeren Abstand gehabt zu haben, als er gedacht hatte, aber eine Verfolgungsjagd mit einem sehr viel besser konditionierten Agenten hätte er nicht lange durchgestanden.
Die Schritte blieben stehen, als würden sie zögern und Ryan musste sich zwingen, sich nicht umzusehen. Was sie momentan taten war nicht sehr glaubhaft. Eine Umarmung würde niemanden davon abhalten, sich nach einer rennenden Person umzusehen.
Ryan zögerte nur kurz, bevor er sich vorbeugte und Kendra küsste. Er spürte, wie sie überrascht Luft holte und hoffte nur, dass sie ihn jetzt nicht zurückstoßen würde. Einem so temperamentvollen und sturen Mensch wie ihr würde er das durchaus zutrauen.
Hätte ihm jemand noch vor wenigen Minuten gesagt, dass er einmal Kendra O'Ryan küssen würde, hätte er ihn ausgelacht, aber jetzt nahm die Verzweiflung überhand. Er wusste, wenn seine Tarnung nicht echt wirkte, würde er auffliegen und im günstigsten Fall nur ins Gefängnis kommen, was auch so schon schlimm genug war. Ob er als Polizeispitzel darin überleben würde, war eine ganz andere Frage.
Erleichtert spürte Ryan, wie Kendra endlich begann, seinen Kuss zu erwidern. Ihre weichen Lippen schienen nach mehr zu verlangen, hätte er nicht gewusst, dass das alles nur eine Farce war.
Ihre Hände glitten unter sein Oberteil, was er mit überrascht hochgezogenen Augenbrauen bemerkte. Sie wollte es anscheinend wirklich echt wirken lassen, was es ihm deutlich leichter machte, trotz seiner Anspannung ebenfalls völlig vertieft zu wirken.
Er drängte sie zurück, bis sie die Wand des Hauses in ihrem Rücken hatte und intensivierte den Kuss weiter. Widerspruchslos ließ sie es geschehen und er wurde den Eindruck nicht los, dass sie es gar nicht so schlimm fand, was sie hier taten.
Kendra schob sein Shirt nach oben und als er begriff, dass sie es ihm ausziehen wollte, hob er mit einem spöttischen Grinsen die Arme und ließ es geschehen. Sie nahm ihre Rolle wirklich ziemlich ernst, was er gut fand, ihn aber auch belustigte.
Endlich hörte er Schritte, die sich wieder entfernten. Er löste seine Lippen von Kendras und vergrub sein Gesicht in ihren Haaren, während sie leichte Küsse auf seinem Hals verteilte. Schließlich hielt auch sie inne.
„Er ist weg", flüsterte sie.
„Wohin?"
„Über die Brücke. Nach rechts."
Ryan nickte und entließ sie endlich aus seiner Umarmung. Kommentarlos hob er sein Shirt vom Boden auf, nahm ihre Hand und zog sie zurück in die kleine Gasse, aus der sie gekommen waren. Was hatte sie hier eigentlich gemacht? Musste sie nicht in die andere Richtung?
„Wo steht dein Auto?", wollte er wissen. Er selbst war mit der Bahn hierhergefahren.
„Ich habe kein Auto."
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Never Too Far
Teen FictionAls Kendra O'Ryan im Rahmen ihres Studiums einen Praktikumsplatz als investigative Journalistin in Houston angeboten bekommt, beschließt sie, anzunehmen - egal, wo es hinführt. Doch wer hätte gedacht, dass sie dort ausgerechnet Ryan Tucker wiedertre...