„Wenn das so weitergeht kommen wir übermorgen in Chicago an!" Frustriert ließ Kendra sich auf den Rand der asphaltierten, menschleeren Landstraße sinken. Laut des Verkäufers aus Surf'n'Copy war das die Straße, die in Richtung Chicago führen sollte und auf der sie wohl genügend Autofahrer finden würden, die sie mitnehmen könnten. Nur hatten sie in der Stunde, die sie jetzt unterwegs waren, erst zwei Autos zu Gesicht bekommen und keines davon hatte sie mitnehmen wollen.
„Sieh es positiv, wenn wir die ganze Strecke laufen müssen, verbringen wir mehr ungestörte Zeit zu zweit."
„Das nennst du positiv?"
„Du etwa nicht?" Ryan setzte sich neben sie auf den Grünstreifen am Straßenrand.
„Ähm... nein."
„Wir könnten uns unterhalten, das wolltest du doch so gerne."
„Momentan würde ich es bevorzugen, zu schweigen bis wir endlich wieder was zu trinken haben." Ihr Mund fühlte sich bereits jetzt ausgetrocknet an und sie ärgerte sich, nach dem Frühstück nichts mehr getrunken zu haben. Und jetzt waren Essen und Trinken samt Geld und Auto weg. „Diese dummen Truthähne!"
„Was?" Auch wenn nicht die Spur eines Lächelns auf Ryans Gesicht zu sehen war, hatte sie das Gefühl, er lache sie aus.
„Ach nichts."
„Warum Truthähne?"
„Das sind keine Beleidigungen, aber je nachdem wie man es betont klingt es wenigstens so", erklärte Kendra widerwillig.
„Ah ja." Jetzt zuckte ein Grinsen über sein Gesicht und bestätigte ihren vorigen Eindruck, er würde über sie lachen. „Das ist natürlich logisch."
„Ach, vergiss es, du verstehst das eh nicht." Vermutlich gehörte er sowieso eher zu den Menschen, die ständig fluchten und mit Beleidigungen um sich warfen. „Erzähl mir lieber von deinem Zweitnamen."
„Erzählen? Wolltest du nicht raten?"
Genervt stöhnte sie auf. „Ist ja gut. Was ist mit Lincoln?"
„War Republikaner."
„Wieso bitte weißt du sowas?"
„Das ist die Geschichte unseres Landes, Kenny."
Kendra schnaubte. „Also ich kann maximal zehn Präsidenten aufzählen und definitiv nicht deren Parteien! Bin ich jetzt ungebildet?"
„Das ist nichts neues", erwiderte Ryan ungerührt. „Wen kennst du denn noch?"
„Bush, Clinton. Washington. Carter. Wilson, Kennedy, Nixon, Reagan", ging Kendra die Namen durch, die sie in Erinnerung hatte. Ihr Geschichtsunterricht war doch erst fünf Jahre her, warum wusste sie gefühlt nichts mehr? „Truman. Roosevelt." Sie überlegte kurz, kam aber auf nicht mehr. „Das war's."
„Das waren mit Lincoln sogar elf, herzlichen Glückwunsch."
„Von wie vielen?"
„Vierundvierzig."
Wenn sie ehrlich war, musste sie zugeben, dass sie nicht geglaubt hätte, dass er so viel über amerikanische Geschichte wusste.
„Es hat mich mal eine Zeit lang interessiert", erklärte er mit einem beinahe entschuldigend wirkenden Schulterzucken.
„Okay." Sie musterte ihn misstrauisch. Das hatte sie wirklich nicht erwartet. „War dein Zweitname dabei?"
„Joshs auch."
„Sehr gut." Das war erleichternd. „Ryan Truman Tucker?"
„Nein." Er lachte auf. „Aber Josh Washington."
DU LIEST GERADE
Never Too Far
Teen FictionAls Kendra O'Ryan im Rahmen ihres Studiums einen Praktikumsplatz als investigative Journalistin in Houston angeboten bekommt, beschließt sie, anzunehmen - egal, wo es hinführt. Doch wer hätte gedacht, dass sie dort ausgerechnet Ryan Tucker wiedertre...