„Dann würde ich dein Angebot annehmen."
Ryan nickte, stieg aus, schlug seine Autotür zu und schloss den Wagen ab. Seinem eigenen Handy traute er nicht mehr, seit Brooklyn ihm von Ash und dessen Kontakten erzählt hatte. Er trat an die Telefonzelle, warf ein paar Münzen ein und wählte Brooklyns Nummer.
„Hallo?" Sie klang nicht annähernd so müde, wie er es um drei Uhr nachts erwartet hätte. Immerhin hatte auch sie einen langen Tag gehabt.
„Es gab einige Probleme, Brooke. Ich bin jetzt auf dem Weg nach Brendshire", sagte er, ohne sich zu melden.
„Ryan? Wo bist du?"
„Noch in Houston. Kendra O'Ryan ist mir über den Weg gelaufen, ich nehme sie jetzt mit nach Brendshire."
„Wieso Brendshire? Ich bin seit einer Stunde auf dem Weg nach Fort Worth."
„Ich glaube, dass Brendshire die bessere Lösung ist..."
„Weil?"
„Fort Worth nahe bei Dallas und Houston liegt. Niemand rechnet damit, dass ich direkt wieder nach Whitingham zurückkomme. Außerdem gab es einige Komplikationen."
„Ich weiß. Ich wurde vor einer halben Stunde vom FBI angerufen, die mich informiert haben, dass du wegen Mordes an Suárez und seinen Männern sowie einem ihrer Kollegen gesucht wirst." Ihre Stimme klang erstaunlich beherrscht. Ob das nur die Ruhe vor dem Sturm war?
„Der FBI-Agent ist tot?"
„Ebenso mit einem Messer erstochen wie die anderen vier. Ryan, was um Himmels willen ist passiert?"
Ryans Gedanken überschlugen sich. Ein Messer? Er trug keine Messer bei sich, mit denen man jemanden umbringen konnte. Sein Taschenmesser war vermutlich viel zu stumpf dafür. Außerdem hatte er den Agenten überwältigt und niedergeschlagen, aber ganz gewiss nicht umgebracht!
Jetzt waren es also sechs Morde, die ihm angelastet wurden...
„Ich habe mit dir telefoniert und als ich wieder hochkam, waren sie tot. Ich wurde von einem FBI-Agenten überrascht, hab ihn bewusstlos geschlagen und bin geflohen", fasste er knapp zusammen.
„Sie haben deine Fingerabdrücke auf der Mordwaffe gefunden. Gehe ich recht in der Annahme, dass deine DNA auch auf den Körpern der Toten zu finden sein wird?"
„Ich habe vier Stunden mit ihnen geredet, natürlich! Wir haben uns die Hand geschüttelt und ich habe bei allen nach dem Puls getastet. Also ja, man wird meine DNA dort finden." Er raufte sich die Haare. Es war ein Reflex gewesen, das Messer aufzuheben. Warum hatte er sich nicht beherrschen und vorher einen Moment nachdenken können?
„Wenn ich das mal so sagen darf, steckst du bis zum Hals im Moor, Ryan." Brooklyn seufzte. „Ich werde mein Bestes geben, dich da rauszuholen, aber wenn sich das FBI entschließt, die Ermittlungen gegen dich alleine aufzunehmen, kann ich nichts dagegen machen."
Ryan lehnte sich seitlich gegen die Wand des Telefonhäuschens und warf einen Blick in Richtung seines Autos. Bei ihrer Sturheit würde er Kendra zutrauen, doch noch abzuhauen. Sollte sie doch! Wenn er ehrlich war, wäre es ihm deutlich lieber gewesen, nicht die nächsten zehn Stunden mit ihr verbringen zu müssen.
„Das FBI sieht mich als den Täter?"
„Ganz bestimmt. Einer der ihren ist tot, das werden sie nicht auf sich sitzen lassen. Außerdem hast du ihre Ermittlungen gegen Suárez gestört, indem du ihn ermordet hast."
„Ich habe niemanden ermordet!", erwiderte Ryan heftig.
„Ist gut, Ryan, ich glaube dir ja", beteuerte Brooklyn beschwichtigend. „Ich sage nur, dass es nicht leicht wird, das auch zu beweisen."
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Never Too Far
Teen FictionAls Kendra O'Ryan im Rahmen ihres Studiums einen Praktikumsplatz als investigative Journalistin in Houston angeboten bekommt, beschließt sie, anzunehmen - egal, wo es hinführt. Doch wer hätte gedacht, dass sie dort ausgerechnet Ryan Tucker wiedertre...