Es dauerte eine ganze Woche, bis Luke sie endlich mit in die Stadt nahm. In der Zwischenzeit unterhielt Kendra sich viel mit Ryan und Luke und verbrachte ganze Tage damit, neue Gesellschaftsspiele auszuprobieren und den beiden jungen Männern mehrere Runden täglich aufzubrummen.
Außerdem gewöhnte sie sich an die historischen Romane von Mrs. Hawkins und begann sogar, den Erzählstil der Autoren richtig zu mögen. Der Haushälterin half sie, wann immer sie konnte, um wenigstens etwas zu tun zu haben.
Jeden Abend, wenn Ryan arbeitete, machte sie außerdem Spaziergänge durch die Straße, in der sie mittlerweile seit anderthalb Wochen lebte.
Vor vier Tagen hatte außerdem Luke begonnen, gemeinsam mit ihr zu laufen, wobei sie sich jedes Mal gut unterhielten. Ryan wusste davon nichts oder sprach sie zumindest nicht auf die neue Vertrautheit zwischen Luke und ihr an. Und das war auch gut so, denn Kommentare von seiner Seite hätten das Ganze für sie zerstört.
Seine Gleichgültigkeit schmerzte sie mittlerweile jedoch auch, ein seltsames Gefühl, von dem sie nicht wusste, woher es kam. Es sollte nur ganz schnell wieder verschwinden, so viel wusste sie.
Der Tag, an dem Luke sie endlich auf ihren Ausflug ansprach, war ein Mittwoch.
„Heute Abend nach dem Essen. Ich hol dich bei deinem Zimmer ab", hatte er ihr beim Frühstück ins Ohr geraunt. Seitdem hatte sie ihn nicht mehr gesehen. Laut Ryan war Luke ins Stadtzentrum gefahren und traf sich dort mit Freunden.
„Ich geh jetzt los", verkündete Ryan und hob zum Abschied die Hand.
„Alles klar." Kendra sah nicht von ihrem Buch auf, damit er die Aufregung auf ihrem Gesicht wegen des bevorstehenden Ausflugs mit Luke nicht bemerkte. Da sie es vor Ryan geheim halten wollten, mussten sie den Ausflug abends machen, wenn er arbeitete.
Was genau Ryan für Chris und Luke tat, wusste Kendra allerdings immer noch nicht. Das war ein Thema, über das niemand mit ihr sprach. Es weckte zwar ihre Neugier, allerdings war sie mittlerweile tagsüber und vor allem an den Abenden zu abgelenkt, um länger darüber nachzudenken.
„Ist alles in Ordnung, Kenny?" Misstrauisch sah Ryan sie von der Tür her an. „Was hast du vor?"
„Nichts. Jetzt geh schon." Sie machte eine Handbewegung, wie um eine lästige Fliege zu vertreiben.
„Du hast nicht vor, abzuhauen, oder? Oder ist es ein Date mit Luke?" Er kniff die Augen zusammen.
Kendra schnalzte verärgert mit der Zunge. „Jetzt geh schon, Ryan. Keine Sorge, ich werde schön brav im Bett liegen, wenn du wiederkommst."
„Jetzt mache ich mir Sorgen", erwiderte Ryan trocken und trat wieder zwei Schritte ins Zimmer zurück. „Tu mir den Gefallen und verlass das Haus heute Nacht nicht."
Kendra verdrehte die Augen. „Ich werde definitiv das Haus verlassen. Ich lasse mir von dir nicht verbieten, in den Garten zu gehen oder die Straße entlang zu spazieren." Sie hoffte, dass er das Thema von selbst fallenlassen würde, ohne, dass sie ihn anlügen oder ihm die Wahrheit erzählen musste.
„Spazieren? Also doch ein Date mit Luke?" Ryan hob die Augenbrauen.
Das war ihre Chance. „Und wenn?"
Ryan schüttelte verständnislos den Kopf. „Du hörst wirklich nie auf das, was man dir sagt, oder?"
„Da kenne ich noch jemanden", schoss Kendra sofort zurück.
Er verdrehte die Augen. „Weißt du was, Kenny? Mach doch was du willst. Triff dich mit diesem Idioten, schmeiß dich an ihn ran, tu was du magst. Aber sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt!" Sichtlich aufgebracht verließ er das Zimmer und warf die Tür hinter sich zu.
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Never Too Far
Teen FictionAls Kendra O'Ryan im Rahmen ihres Studiums einen Praktikumsplatz als investigative Journalistin in Houston angeboten bekommt, beschließt sie, anzunehmen - egal, wo es hinführt. Doch wer hätte gedacht, dass sie dort ausgerechnet Ryan Tucker wiedertre...