25. Kapitel

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Kendra holte tief Luft und straffte die Schultern, bevor sie die Glastür öffnete und den großen Raum betrat. Überall standen Schreibtische, auf denen Computer standen und zahlreiche Akten und Blätter lagen. Journalisten wuselten hin und her, Telefone klingelten, Tastaturen klapperten.

Das war also der Houston Chronicle. Kendra spürte Aufregung in sich aufkeimen, die bisher erfolgreich hatte verdrängen können.

Gestern war sie mit dem Zug in Houston angekommen, wo sie für zwei Monate eine kleine Ferienwohnung am Stadtrand gemietet hatte.

Sie hatte Mark und Neela nur am Sonntag kurz beim Gottesdienst gesehen, nachdem sie am Samstag aus ihren Flitterwochen zurückgekehrt waren.

Ihr Bruder hatte sie noch am letzten Dienstag angerufen und sie hatten anderthalb Stunden über Josh gesprochen. Es hatte Kendra gut getan, Marks Einschätzung zu der Situation zu erhalten und hatte ihr die Panik vor der erneuten Begegnung mit Josh genommen.

Dieser war erstaunlich verständnisvoll gewesen, als sie sich am Mittwoch getroffen hatten und Kendra ihm erzählt hatte, dass sie Abstand brauchte und darum das Angebot aus Houston angenommen hatte. Dennoch hoffte sie noch immer, dass wenn sie zurückkam, sie immer noch einen besten Freund hätte.

„Entschuldigen Sie? Das hier ist nur für Angestellte."

Kendra wandte sich zu einem Schreibtisch nahe der Tür, wo ein Mann mittleren Alters sich nach vorne beugte und sie misstrauisch anblickte. „Das bin ich. Ich mache mein zweimonatiges Praktikum hier und fange heute an. Ich wurde hier nach oben geschickt."

„Bei wem bist du eingeteilt?"

Kendra warf einen Blick auf den Zettel, den ihr die Dame am Empfang gereicht hatte. „Mr. Edward Sweeny."

„Auf der linken Seite die dritte Tür ist sein Büro." Der Mann deutete auf den Rand des großen Raumes, der scheinbar von kleineren Einzelbüros gesäumt wurde.

„Vielen Dank." Sie schenkte dem Journalisten ein strahlendes Lächeln, das sie immer aufsetzte, um ihre Unsicherheit zu überspielen und erntete dafür nur ein knappes Kopfnicken.

Sie beschloss, sich nichts daraus zu machen und steuerte auf das beschriebene Büro zu. Auch hier gab es Glastüren und große Fenster, die in Richtung des großen Raumes zeigten, jedoch allesamt mit dünnen Jalousien verschlossen waren, die vor neugierigen Blicken schützten.

Kendra hob die Hand und klopfte.

„Herein!", klang eine gedämpfte Männerstimme aus dem Innern des Büros.

Ein wenig zögerlich trat Kendra ein.

„Ah, Miss O'Ryan, guten Tag." Mr. Sweeny erhob sich hinter seinem Schreibtisch und schüttelte ihr zur Begrüßung die Hand. „Bitte, setzen Sie sich doch." Er wies auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch.

Kendra nahm Platz, ihre kleine Handtasche auf dem Schoß, und betrachtete den Mann ihr gegenüber, der so ganz anders war, als sie es aus seinen dynamisch wirkenden E-Mails geschlossen hatte.

Wo sie sich einen jungen, attraktiven, vor Energie sprühenden, aktiven Journalisten vorgestellt hatte, war Mr. Sweeny eher klein und untersetzt, hatte eine Halbglatze und wirkte wie jemand, der den ganzen Tag hinter dem Schreibtisch verbrachte.

„Vielen Dank für die Möglichkeit, hier doch noch mein Praktikum zu absolvieren", sagte sie höflich.

Es wirkte wie eine Floskel, war aber die Wahrheit. Gerade jetzt war sie froh, einmal aus Whitingham herauszukommen, auch wenn sie jetzt für zwei Monate in Houston festsaß.

„Gerne." Mr. Sweeny lächelte. „Haben Sie etwas dagegen, wenn ich Sie duze und mit Vornamen anrede?"

Kendra schüttelte den Kopf. Sie war davon ausgegangen, dass er das automatisch tun würde, immerhin war sie „nur" die Praktikantin.

Never Too FarWo Geschichten leben. Entdecke jetzt