29. Kapitel

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Kendra straffte die Schultern und atmete tief durch. „Auf in den Kampf", murmelte sie leise vor sich hin, während sie auf den Tisch zusteuerte.

Ein Blick zurück sagte ihr, dass auch Micah bereits unterwegs zu ihren ersten Kunden war.

Am Tisch der Männer wurde sie mit einem gut gelaunten Pfeifen empfangen. „Hey hey, eine Neue." Der älteste der Männer, der um die fünfzig sein musste, betrachtete sie unverhohlen. „Seit wann bist du hier?"

„Mein erster Tag", antwortete Kendra. „Kann ich euch schon was bringen?"

Es war ein komisches Gefühl, fremde Männer zu duzen, zumal wenn sie doppelt so alt waren wie sie selbst.

„Bringen? Du könntest bleiben." Ein Mann auf der anderen Seite des Tisches, der eine blaue Schirmmütze mit dem Logo der Houston Texans trug, wackelte anzüglich mit den Augenbrauen.

Kendra unterdrückte einen Würgereiz und zwang sich, sich auf die Situation einzulassen. Es war eine Rolle, die sie spielte, und in dieser Rolle musste sie sich an die Spielregeln halten. Eine davon lautete: Der Gast ist König.

Sie zwang sich zu einem Lächeln und setzte sich auf den freien Platz neben dem Mann, der sie zuerst angesprochen hatte. Sofort legte der einen Arm um ihre Schultern und zog sie an sich.

„So lässt es sich leben. Da braucht man nicht einmal ein Bier."

„Wir sind schließlich nicht nur zum Trinken hier." Der Houston Texans- Fans sah Kendra flirtend an. „Wie ist dein Name, Hübsche?"

„Jordyn." Sie musste sich wirklich noch daran gewöhnen, nicht mit ihrem richtigen Namen zu antworten.

„Jocose Jordyn", lachte der dritte der Männer, der sich bisher noch nicht zu Wort gemeldet hatte. Drollige Jordyn.

„Das klingt gut, findest du nicht?" Der älteste der Männer zog Kendra noch näher und drückte ihr einen Kuss auf die Wange.

Sie runzelte die Stirn und versuchte ein Stück abzurücken, aber der Griff des Mannes hielt sie schraubstockartig fest.

„Vielleicht passt Prudish Jordyn besser", lachte der Football-Fan.

Kendra hätte sich nie als prüde bezeichnet, aber im Verständnis dieser Männer war sie es vermutlich schon.

„Möchtet ihr jetzt etwas trinken? Meine Aufgabe ist die Bedienung, was darüber hinaus geht, dafür bin ich nicht zuständig." Kendra richtete sich auf und hoffte, dass die Hitze in ihren Wangen nicht bedeutete, dass sie rot geworden war. Sie war ärgerlich, dass sie trotz Micahs Worten unvorbereitet ins kalte Wasser gestoßen worden war.

Unter Lachen bestellten die drei Männer allesamt alkoholische Getränke und ließen Kendra endlich ziehen. Sie gab die Bestellung an den Barkeeper weiter und wartete so lange, bis er ihr die Getränke reichte, da der große Raum noch leer und nur zwei Tische besetzt waren.

„Die drei sind harmlos", sagte der Barkeeper und sah sie prüfend an. „Du musst dich ein bisschen durchsetzen, aber das lernst du schon noch. Sie sind nicht diejenigen, die dir gegen deinen Willen etwas aufzwingen."

„Gibt es solche denn?", wollte Kendra wissen, während sie umständlich die drei Getränke entgegennahm.

„Zur Genüge. Wenn es ganz extrem wird, müssen wir manche rausschmeißen. Wir dulden keine Übergriffe auf unser Personal." Der Barkeeper nickte ihr zu und wandte sich dann an Micah, die in diesem Augenblick ebenfalls mit einer Bestellung kam.

Kendra balancierte die drei Getränke zu dem Tisch und stellte sie ab. Glücklicherweise wurde sie nicht noch einmal aufgefordert sich zu setzen.

In den nächsten zweieinhalb Stunden füllte sich der Raum zusehends, bis kaum noch Plätze frei waren. Shelby war zwar endlich zurückgekehrt, dennoch hatte Kendra alle Hände voll zu tun und hetzte von einem Tisch zum anderen. Ihre Beine sehnten sich schon bald nach einer Pause, aber das kam momentan nicht infrage, wie Micah ihr unmissverständlich klar machte.

Never Too FarWo Geschichten leben. Entdecke jetzt