10. Kapitel

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„Josh!" Erschrocken schlug Kendra die Hand vor den Mund, als ihrem besten Freund die Tür öffnete.

Er trug einen Verband um den Kopf und lächelte schief. „Hi."

„Was ist passiert?" Sie umarmte ihn kurz, bevor sie die Tür so weit öffnete, dass er eintreten konnte.

„Man könnte sagen, ich hatte einen kleinen beabsichtigten Dienstunfall." Er zog sich die Jacke aus und verzog das Gesicht, als er sich bückte, um seine Schnürsenkel zu öffnen.

„Wer war das? Wieso beabsichtigt? Hast du Schmerzen? Kann ich dir etwas bringen?"

„Ein Glas Wasser wäre fantastisch. Ich hoffe ich störe nicht?" Er wirkte ein wenig zerknirscht, dass er so unangemeldet vorbeigeschneit war.

Kendra verzog das Gesicht. „Shay und Nat sind spontan vorbei gekommen." Ihren Vorsatz, sich nur an den Wochenenden mit ihren Freundinnen zu treffen, hatte sie schon lange aufgegeben. Immerhin ging es gerade um Shays erste Nacht in einer WG mit Travis, der ebenfalls zu ihrer größeren Freundesclique gehörte.

„Ein Hühnerstall also."

„Hey." Sie schlug ihm leicht gegen den Arm. „Es wird kein Problem für sie sein, sich ein paar Minuten allein zu beschäftigen. Du erzählst mir jetzt erst mal, was passiert ist." Sie ging ihm voraus in die Küche und füllte ihm ein Glas mit Wasser, bevor sie sich beide an den Tisch setzten. „Also?"

Josh nahm einen Schluck. „Ich hatte eine Begegnung mit meinem Bruder."

„Ernsthaft? Ryan?" Joshs Bruder tat nichts, um ihre Wut auf ihn zu reduzieren, im Gegenteil!

„Mehr oder weniger. Ich hab ihm gesagt, er soll mich niederschlagen. Wir wissen ja beide, dass ich im Zweifel schneller bin als er." Josh lächelte halbherzig.

Kendra runzelte die Stirn. Sie verstand nicht allzu viel von dem, was er erzählte. „Jetzt noch mal von vorne?"

„Sorry." Josh drehte das Glas zwischen seinen Händen. „Wir haben heute eine anonyme Meldung bekommen, dass eine Drogenübergabe stattfinden sollte. Wir haben den eigentlichen Käufer vorher abgefangen und stattdessen einen unserer Leute zum Treffpunkt geschickt. Es hat sich ehrausgestellt, dass der Dealer mein kleiner Bruder war."

„Kaum draußen schon baut er wieder Mist." Kendra verdrehte die Augen. Das hörte sich ganz nach Ryan an!

„Ganz so ist es nicht."

„Ach nein? Du willst deinen Bruder auffliegen lassen, er zieht dir eins über und haut ab. Hab ich was vergessen?"

Josh wand sich unter ihrem Blick. „Ja. Ich hab ihm gesagt er soll das machen. Sonst wäre es nicht glaubwürdig gewesen, dass er entkommt, obwohl er mir direkt über den Weg laufen musste."

„Muss ich das verstehen?" Wieso schützte er seinen Bruder noch? Nach all dem, was Ryan ihm angetan hatte? „Ich wollte auch glauben, dass er sich gebessert hat, nachdem er mit diesem Pastor bei der Hochzeit meines Bruders aufgetaucht ist, Josh, aber allem Anschein nach hat er das nicht."

„Kenny?" Shay und Nat betraten die Küche. „Oh, hi, Josh", grüßte Shay.

„Was ist mit deinem Kopf passiert?", wollte Nat wissen.

„Dienstunfall", murmelte Josh.

Hatte sie ihn mit ihren harten Worten über Ryan verletzt? Aber sie hatte doch recht! Was konnte sie dafür, wenn er in seiner Liebe zu seinem Bruder die Wirklichkeit nicht sah? „Du musst mit deinem Chief reden und ihm das alles erzählen", forderte sie.

Josh schüttelte den Kopf. „Nein."

„Josh!" Kendra stand auf und stemmte die Hände in die Seiten. Sie war sich der kritischen Blicke ihrer beiden Freundinnen sehr wohl bewusst, aber Josh war ihr gerade wichtiger. Er konnte sich doch nicht so von Ryan an der Nase herumführen lassen!

Never Too FarWo Geschichten leben. Entdecke jetzt