56. Kapitel

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In Hartsdale, eine viertel Stunde nördlich von St. John, hielt Ryan bei einer Tankstelle an. Wie es bis jetzt immer geklappt hatte, fand er jemanden, der gegen einen kleinen Aufpreis für sie bezahlen ging, um so den Kameras im Laden auszuweichen.

Seit sie St. John verlassen hatten, hatten sie nicht viel geredet. Kendra hatte sich bei ihm bedankt, dass er ihr geholfen hatte, dann war sie wieder in Schweigen verfallen. Vermutlich saß ihr der Schock noch in den Gliedern.

Ryan selbst würde bei der ersten Gelegenheit das Foto der beiden Männer, das er gemacht hatte, bevor er sich zu ihnen gesetzt hatte, an seinen Bruder schicken und ihn bitten, für die Verhaftung der beiden zu sorgen. „Glaubst du, es gibt hier in der Nähe einen Copyshop oder ein Cybercafé?", fragte er und trank mit einem letzten Schluck seinen Kaffee aus.

„Ich weiß nicht. Wozu brauchst du das?" Kendra setzte sich neben ihn auf den Bordstein am Rand des Parkplatzes, der sich an die Tankstelle anschloss.

„Ich muss ins Internet um meinem Bruder ein Foto von deinen beiden Verehrern zu schicken."

Kendra zögerte. „Vielleicht schickst du es lieber Mark."

Mark, ihrem Bruder oder Josh, der in sie verliebt war? Es war egal, beide würden sich Sorgen machen und vermutlich ziemlich wütend auf Ryan werden. „Mal sehen." Er zielte und warf seinen Pappbecher in den Papierkorb einige Meter weiter, ohne Aufzustehen.

„Guter Wurf", bemerkte Kendra.

„Danke." Er überlegte kurz, ob er ihr etwas von sich preisgeben sollte. Sie wirkte, als könnte sie etwas Ablenkung von ihren Gedanken gebrauchen, also entschied er sich dafür. „Ich hab mal Basketball gespielt."

„So richtig im Verein?"

„Ich war sogar ganz gut", gab er zu. „Ist aber schon länger her." Es war gewesen, bevor er das erste Mal nach Brendshire gekommen war, also beinahe fünf Jahre her. „Und du so?"

„Kein Sport." Kendra schüttelte den Kopf. „Ich habe mich als Kind immer standhaft geweigert, und als ich älter war, war es mir zu peinlich, irgendwo neu anzufangen, wenn alle schon so gut waren wie ich es vermutlich nie werden würde."

Ryan musste lachen. „Ernsthaft?" Was war denn das für eine Ausrede?

„Ja." Kendra zuckte die Schultern. „Ich klettere ab und zu, aber so oft komme ich nicht nach Amarillo, dass es sich lohnen würde, das regelmäßig zu machen."

„Du könntest was mit deinen Freundinnen machen. Ist Emmy nicht in einem Hockeyverein in New Hale? Das ist doch nur eine halbe Stunde von Whitingham entfernt."

„Emmy?" Kendra wirkte irritiert. „Oh, du meinst Shay." Es war für sie vermutlich immer noch ungewohnt, dass er ihre Freundin kannte, ohne dass sie die beiden einander vorgestellt hatte.

„Mir hat sie sich als Emmy vorgestellt, aber ja. Warum redet ihr sie mit ihrem Nachnamen an?"

„Ich weiß nicht. Travis hat irgendwann damit angefangen und wir haben das so übernommen. Hast du eigentlich einen Spitznamen?"

Versuchte sie das Gespräch von sich abzulenken oder wollte sie nicht über ihre Freunde reden? Wie dem auch sein, heute würde er ihr den Gefallen tun und nicht weiter nachfragen. Der Blick, mit dem sie ihn angesehen hatte, als er sich zu ihr und den beiden Männern gesetzt hatte, hatte ihn getroffen. Eine Mischung aus Verzweiflung, Angst und Hoffnung.

„Ryan?"

Er realisierte, dass er auf ihre Frage nicht geantwortet hatte und räusperte sich. „Nicht wirklich."

„Was heißt nicht wirklich?"

„Von Maya. Aber Geschwister haben immer irgendwelche Spitznamen für einen."

Never Too FarWo Geschichten leben. Entdecke jetzt