Kendra griff nach ihrer Tasche und ihrer Jacke und folgte ihrer besten Freundin Bailey in Richtung Ausgang, als ihr Blick auf Ryan fiel.
Ryan Tucker in einer Kirche? Sie blinzelte, doch er stand immer noch dort und redete mit der schwangeren Frau des Pastors. Die beiden wirkten recht vertraut, schienen sich also zu kennen. Kendra fiel ein, dass Ryan mit Pastor Bradshaw zur Hochzeit von Mark und Neela erschienen war.
Das war auch der Grund, warum Kendra heute hier war: Sie hatte mal einen anderen Gottesdienst besuchen wollen, und da sie von Pastor Bradshaws kurzfristig entwickelter Traupredigt sowie seinem authentischen Auftreten überzeugt gewesen und neugierig geworden war, hatte sie ihre beste Freundin überredet, heute mit ihr mitzukommen.
„Kenny, alles in Ordnung?" Bailey griff nach ihrer Hand und drückte sie kurz, um Kendras Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
„Hm?" Kendra schreckte aus ihren Gedanken auf und wandte sich wieder ihrer Freundin zu. „Was ist los?"
„Das wollte ich gerade von dir hören", lächelte Bailey.
„Oh." Sie war wirklich ein wenig durcheinander. „Ryan ist hier." Sie deutete mit dem Kopf in die Richtung, in der sich Joshs Bruder befand.
„Das ist cool." Bailey verzog bewundernd das Gesicht. „Damit hätte ich nicht gerechnet, nach dem, was du über ihn erzählt hast."
„Vielleicht will er jemanden hier ausspionieren", vermutete Kendra. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er aus anderen Motiven freiwillig eine Kirche betreten würde. Nicht Ryan Tucker.
„Oder er ist einfach neugierig geworden? Immerhin hatte er mit Pastor Bradshaw zu tun. Das meintest du doch, oder?"
„Wer weiß, was ihm diese Beziehung wieder bringt", knurrte Kendra. Sie konnte es nicht ändern, aber sie stand Ryan mehr als skeptisch gegenüber. Etwas anderes hatte er auch nicht verdient, versuchte sie sich zu rechtfertigen, aber ihr schlechtes Gewissen, weil sie ihn ständig verurteilte und nicht ausstehen konnte, blieb.
„Ich weiß es nicht, was er hier macht!", wiederholte Kendra, in der Hoffnung, ihre Zweifel laut auszusprechen würde ihr Baileys Zustimmung sichern und so ihr schlechtes Gewissen vertreiben.
„Dann lass ihn uns doch fragen." Bailey griff nach ihrer Hand und zog sie in Richtung Ryan.
„Nein." Kendra stemmte ihre Füße in den Boden. „Lass uns bitte einfach gehen, ich bin nicht sonderlich scharf auf eine Begegnung mit ihm."
„Komm schon, Kenny, du bist doch sonst auch nicht so schüchtern. Und sollte er irgendetwas sagen, denk dran, ich bin auch noch da. Dann bekommt er es mit mir zu tun!"
Kendra musste lachen. Bailey wirkte keineswegs einschüchternd, selbst wenn sie sich Mühe gab, und könnte niemals jemandem etwas zu leide tun.
„Aber ich will das nicht", wehrte sie sich nur noch halbherzig, als ihre Freundin sie weiterzog.
Warum war sie auch so neugierig? Das war ihr schon oft zum Fallstrick geworden und sie begann ernsthaft zu hinterfragen, ob sie diese aus ihrer Sicht unangenehme Eigenschaft wirklich zu ihrem Beruf machen wollte.
Aber sonst würde sie ihre Neugierde vermutlich in ihrer Freizeit ausleben - so wie jetzt etwa - , und das wäre tendenziell schlimmer und würde definitiv in einem Chaos enden.
Als Ryan aufblickte und sie entdeckte, meinte sie einen Funken Unsicherheit in seinem Blick zu erkennen. Hatte er Angst, sie würde aufdecken, warum er wirklich hier war? Darauf konnte er sich gefasst machen!
„Hi." Bailey ließ Kendra los und reichte Ryan die Hand. „Du bist also Ryan Tucker", stellte sie fest.
Ryan wirkte ein wenig überrascht und blickte zwischen Bailey und Kendra hin und her, doch er fand erstaunlich schnell seine charmante Art wieder. „Ja", antwortete er. „Und mit wem habe ich das Vergnügen?"
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Never Too Far
Roman pour AdolescentsAls Kendra O'Ryan im Rahmen ihres Studiums einen Praktikumsplatz als investigative Journalistin in Houston angeboten bekommt, beschließt sie, anzunehmen - egal, wo es hinführt. Doch wer hätte gedacht, dass sie dort ausgerechnet Ryan Tucker wiedertre...