Kapitel 27

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"Was ist das bloß für ein Tag?", seufzt Juhee und zieht ihre Highheels in meinem Zimmer aus, um sich zu Ethan und Hyungjin in mein Bett zu legen.

Hyungjin hat einen Arm über seine Augen gelegt und versucht zu schlafen. Ethan liegt daneben und schaut immer wieder besorgt zu ihm, da unser Teddybär mit solchen Situationen nicht umgehen kann. Das ist doch alles scheiße. Genervt lege ich mich zu den dreien und quetsche mich zwischen Juhee und Hyungjin. Der größere murrt mich an, aber dreht sich dann nur zu Ethan und schnappt sich seinen Arm, um mit diesem zu kuscheln. Der Braunhaarige wird augenblicklich rot im Gesicht und muss ein wenig lächeln. Er ist ja total in Yuna verliebt. Wow. Wen will er verarschen? Wo ist Yuna überhaupt?

"Wisst ihr, wo Yuna ist?", frage ich dann nachdenklich in die Runde.

"Die kleine Bitch ist bestimmt wieder bei ihren behinderten Freundinnen", kommt es abwertend aus Juhee.

"Nein, sie ist mit Mino unterwegs", meint Ethan und verdreht die Augen.

"Wie bitte? Was macht sie-... Ganz ehrlich? Ist mir jetzt auch vollkommen egal. Die beiden gehen mir sowieso nur noch auf den Sack", erwidere ich und presse meine Lippen zusammen.

Ethan und Juhee sehen mich augenblicklich ungläubig an, weil ich zum ersten Mal sage, dass es mir egal ist, was Yuna macht. Eigentlich will ich immer wissen, wo sie ist und so weiter, aber irgendwie habe ich keine Lust mehr darauf, weil sie sowieso nicht auf mich hört.

"Merkst du endlich, dass deine Nichte eine blöde Kuh ist?", fragt mich Juhee grinsend und klopft auf meine Brust.

"Oha, übertreib. Er hat nur gesagt, dass sie ihm auf den Sack geht", sagt Ethan entsetzt.

"Nö, ich finde auch, dass sie eine blöde Kuh ist", murmelt Hyungjin schläfrig.

Oh, Mann. Was habe ich für Freunde? Plötzlich klopft es an meiner Tür und wir alle geben ein frustriertes Geräusch vor uns. Danach kommt die Person einfach rein und Eomma erscheint im Türrahmen.

"Gott sei Dank geht es euch gut. Taehyung hat mir schon erzählt, dass ihr Hyesung getroffen habt. Dieser Kerl ist einfach nur schrecklich. Sie hätten ihn niemals aus dem Gefängnis lassen sollen", gibt sie erleichtert von sich, als sie uns wie die größten Gammler auf dem Bett liegen sieht.

Ächzend setze ich mich auf und habe endlich die Chance meine Mutter zu fragen, was hier eigentlich los ist.

"Eomma, wo ist Jeongguk?", frage ich sie erstmal, da ich nicht möchte, dass er irgendwas davon mitbekommt.

"Der schläft unten im Wohnzimmer. Wieso fragst du?", antwortet sie perplex.

"Dann mach bitte die Tür zu. Kannst du mir mal endlich sagen, was hier abgeht?", bitte ich sie flüsternd.

Eomma seufzt lange auf, aber schließt dir Tür leise, um sich dann meinen Schreibtischstuhl zu schnappen und sich vor uns hinsetzt. Juhee setzt sich auch auf und sieht meine Mutter gespannt an.

"Womit soll ich bloß anfangen?", fragt sie sich selbst und fährt sich angespannt durch die Haare.

"Am besten beim Anfang", meint Ethan, der sich nicht aufsetzen kann, weil Hyungjin ihn als Kissen missbraucht.

"Als Jeongguk 15 Jahre alt gewesen ist, hat er sich auf eine Beziehung mit diesem Hyesung eingelassen, aber hat sie nach zwei Wochen auch schon beendet, weil Hyesung ihn gedrängt hat, mit ihm zu schlafen. Auf jeden Fall hat Gukkie mit ihm Schluss gemacht und Hyesung schien das nicht verkraftet zu haben, da er an dem Tag auf eine Party gegangen ist und sich so zugedröhnt hat, dass er etwas sehr schreckliches getan hat", fängt Eomma an zu erzählen und bekommt eine richtig fette Gänsehaut an den Armen.

Was ist das denn für ein Spast? Wie sehr muss er Jeongguk denn so gedrängt haben, sodass dieser mit ihm Schluss machen musste, damit er seine Ruhe hat? Wenn ich auf der Welt gewesen wäre, hätte ich dem eine geklatscht.

"Was hat er denn getan?", fragt Juhee beunruhigt und spielt mit ihren Fingern.

"Naja, er hat... Er hat seinem besten Freund Drogen gegeben und ihn dann auf einer Toi-Toilette vergewaltigt. Tae hat Doyun ihn dann blutend und zusammengekauert aufgefunden und ihn direkt ins Krankenhaus gebracht. Doyun war Taehyungs bester Freund, aber er hat sich nach dieser traumatischen Erfahrung das Leben genommen", stottert Eomma und ihre Augen werden etwas glasig.

Wir ziehen alle scharf die Luft ein und reißen unsere Augen auf. Was zur Hölle? Der arme Doyun.. Der Typ ist doch geistesgestört! Alter, wie ekelhaft muss man eigentlich sein und der hat mich auch noch angefasst! Stop, stop, stop! Das heißt doch nicht, dass er auch Jeongguk..

"Mama, er hat doch nicht auch Jeongguk..", fange ich an und spüre schon wie mein Herz anfängt zu rasen.

"Ach, du meine Güte! Nein, nein! Er hat ihn nicht vergewaltigt, aber nach zwei Jahren hat er bemerkt, dass Tae und Guk sich immer nähergekommen sind und Gefühle füreinander entwickeln. Das hat ihm überhaupt nicht gepasst und fing an Jeongguk zu belästigen. So wie ihr Taehyung kennt, war er überhaupt nicht begeistert davon und hat sich immer wieder mit ihm angelegt, bis sie sich schließlich geprügelt haben, was zum Schulverweis geführt hat. Das hat wiederum Jeongguk und Taehyung zusammengebracht. Naja, irgendwann waren die beiden auf einer Party und wollten kurz nach Mitternacht nach Hause. Ich weiß gar nicht mehr, wo wir alle waren, aber auf jeden Fall waren die beiden alleine Zuhause und dann ging das Horrorszenario jeder Mutter los", erzählt sie weiter und fängt zum Ende hin an zu lachen, aber ihr angespannter Gesichtsausdruck sagt was ganz anderes.

Sie atmet tief durch und schenkt uns dreien ein kleines Lächeln. Juhee und ich sehen uns verunsichert an. Anscheinend macht dieses Thema nicht nur Tae und Guk fertig, sondern auch alle anderen.

"Eomma, du musst es uns nicht erzähle-", will ich ihr schon sagen, dass sie aufhören kann, aber sie unterbricht mich.

"Es geht schon, Jae. Aber mir tut es so weh, deinen Bruder wieder so zu sehen. Er musste so vieles in seinem Leben durchmachen und bei keiner einzigen Sache konnte ich etwas für ihn tun. Ich fühle mich so nutzlos und hilflos, weil ich meinem eigenen Kind nicht helfen kann. Ein Glück hat er Taehyung an seiner Seite, der ganz genau weiß, was Guk braucht, um wieder glücklich zu werden. Ich wüsste wirklich nicht, wie dein Bruder geendet wäre, wenn er Tae nicht hätte", wimmert sie und ihr laufen ein paar Tränen aus den Augen, die sie gleich wieder wegwischt.

Ich habe wohl wirklich keine Ahnung, was meine Familie betrifft. Es gibt so viele Dinge, die ich einfach nicht weiß und wahrscheinlich auch nicht wissen werde. Zwar bin ich froh, dass ich das alles nicht erleben musste, aber wenn ich sie verzweifelt und depressiv sehe, dann versetzt es mir einfach einen Stich ins Herz, der einfach nicht aufhört.  

I fucking love you | Buch 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt