Kapitel 159

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Hyungjins Sicht:

Fertig mit der Welt schließe ich die Haustür von Jaemins Eltern auf und betrete den Flur leise. Ich war vorhin ziemlich fies zu Jae, weil mich in dem Moment alles genervt hat. Jedenfalls bin ich dann einfach zur Schule gelaufen und habe in der Bibliothek ein Buch gelesen, um wieder runterzufahren. Das hat auch ganz gut geklappt, sodass ich nun um halb acht abends wieder 'Zuhause' bin.

"Wer ist da?", ruft Nuri aus dem Wohnzimmer und lässt mich etwas verkrampfen.

Ich war noch nie alleine mit Jaemins Eltern in ihrem Haus. Irgendjemand war immer da, der sich mit ihnen unterhalten hat, damit ich nur still daneben sitzen konnte. Nervös beiße ich mir auf die Unterlippe und ziehe meine Schuhe aus, bevor ich zu ihr ins Wohnzimmer gehe. Jongdae und Nuri strahlen mich mit einem breiten Lächeln an, was ein wohliges Kribbeln in meinem Bauch erzeugt.

"Oh, Hyungjin. Du bist sogar früher zurück als Jaemin. Der ist noch bei Mino und wird wahrscheinlich bei ihm übernachten. Möchtest du dich zu uns setzen? Es läuft gerade X Faktor - Das Unfassbare", teilt mir Jongdae mit und klopft einladend neben sich auf das Sofa.

Nuri lächelt mich lieb an und hat sich an ihren Mann gekuschelt, der einen Arm um sie geschlungen hat. Es ist irgendwie komisch zu sehen, dass die Beiden zusammen in einem Raum sein können, ohne sich zu streiten oder anzuschreien. Nach wenigen Sekunden nicke ich ihm zu und setze mit einem gewissen Abstand neben ihn. Meine Hände schwitzen total und mir ist in den paaren Minuten echt warm geworden. Worüber soll ich mit ihnen reden? Plötzlich spüre ich, wie Jongdae mir auf den Rücken schlägt und mich anschließend an der Schulter packt und durchrüttelt.

"Entspann dich mal, Großer. Vor uns brauchst du keine Angst haben. Wir beißen nicht. Naja, Nuri schon...", fordert er mich auf und lacht gehässig los, nachdem seine Frau ihn für die letzte Aussage schlägt.

"Hör nicht auf den Spinner. Hast du Hunger? Soll ich dir etwas kochen?", fragt sie mich und macht schon Anstalten aufzuspringen und in die Küche zu rennen.

"Nein, danke. Ich möchte nichts. Du brauchst nicht extra für mich kochen", antworte ich schnell und etwas panisch.

"Ich habe gefragt, ob du Hunger hast. Nicht, ob du etwas möchtest. Hast du jetzt Hunger? Ja oder Nein?", meint sie und sieht mich so an, als wäre ich schwerhörig.

"Ich habe keinen Hunger", sage ich ihr dann deutlich, jedoch sieht sie mich misstrauisch an und beschließt dann trotzdem etwas zu kochen, da ich den ganzen Tag unterwegs war.

Verwirrt schaue ich ihr dabei zu, wie sie von der Couch aufsteht und dann eilig in die Küche rennt. Ich sehe Jongdae an, der ahnungslos seine Hände in die Luft hält und sagt, dass er auch nicht weiß, was mit ihr nicht stimmt.

"Halt die Klappe, Jongdae!", schreit sie von der Küche aus.

"Ignorier sie einfach. Die ist blöd. So wie Jaemin. Ich habe gehört, dass du ihn heute Mittag angeschrien hast. Finde ich gut, weil dieser Junge echt nicht darüber nachdenkt, was er eigentlich anrichtet. Ich dachte, dass Jeongguk in seiner Jugend schrecklich war, aber er war im Gegensatz zu Jaemin gar nichts", schüttelt Jongdae frustriert den Kopf und lässt mein Herz in meine Hose rutschen.

"Ja, Jaemin ist manchmal echt anstrengend, aber ich habe mich dazu entschieden mit ihm befreundet zu sein. Da komm ich nicht mehr raus", witzle ich gezwungen, um etwas lockerer zu wirken.

"Natürlich kommst du da nicht mehr raus, mein Lieber. Die Sozialstunden dürft ihr jetzt schön zusammen abarbeiten. Ihr seid ganz schöne Opfer, aber das habt ihr verdient für diese dummen Straßenkämpfe", lacht er plötzlich los und schlägt mir auf den Oberschenkel.

"Du weißt davon?", frage ich entsetzt und bin irgendwie erleichtert, dass er mich auslacht, anstatt mich anzuschreien.

"Taehyung hat mich vorhin angerufen und mir alles erzählt. Du hast dich anscheinend ganz schön aufgeregt, was?", erklärt er mir und sieht mich belustigt an.

Mir schießt das Blut ins Gesicht und ich wende ruckartig meinen Blick ab. Jongdae haut schon wieder auf meinen Arm und umarmt mich dann von der Seite, während er mich auslacht. Mit dieser Reaktion hätte ich überhaupt nicht gerechnet. In der Bibliothek habe ich mir die schlimmsten Szenarien ausgedacht, aber er lacht mich einfach nur aus. Automatisch muss ich ebenfalls anfangen zu lächeln und bin echt erleichtert, dass meine Vorstellungen nicht in die Realität umgesetzt wurden.

"Ach, Hyungjin. Ich finde dich klasse. Wenn es nach mir gehen würde, hätte ich dich längst adoptiert. Aber Jeongguk sagt, dass das so viele Schritte wären, die wir uns auch sparen können, jedoch hat der genauso wenig Ahnung wie seine Mutter und sein Bruder. Ich bin der Coolste. Das musst du dir merken, verstanden?", murmelt er mir zu und sieht mich zum Ende hin komplett ernst an.

"Alter, Appa. Halt dein Maul. Du bist der Dümmste von uns allen. Schwätz den armen Hyungjin nicht mit deinen Lügen voll", meckert Jeongguk ihn an und schmeißt sich neben mich auf die Couch.

"Das sind keine Lügen. Dein Leben ist eine Lüge", mault der Älteste zurück und streckt seinem Sohn die Zunge raus.

"EOMMA, APPA GEHT UNS AUF DIE NERVEN!", brüllt Jeongguk los und legt eine Mappe mit Dokumenten vor sich auf den Kaffeetisch.

"JEON JONGDAE! Beweg deinen fetten Arsch in die Küche und hilf mir! Lass die Kinder in Ruhe!", schreit Nuri ihn an.

Jongdae plustert seine Wangen wie ein bockiges Kind auf und steht widerwillig auf. Er wirft dabei seinem Sohn einen giftigen Blick zu, der nur eine hässliche Grimasse schneidet und in Richtung Flur mit seinem Arm zeigt. Stampfend verlässt Jongdae das Wohnzimmer und jammert direkt los, als er die Küche betritt. Jeongguk verdreht die Augen und holt die Dokumente aus der Mappe, bevor er sich auf den Boden setzt.

"Was sind das für Dokumente?", möchte ich interessiert wissen und setze mich neben ihn.

"Für eine Adoption. So ein dummes Ehepaar will den Luca adoptieren, aber denen werde ich es nicht so leicht machen. Ich gebe ihn erst her, wenn ich ganz genau weiß, dass keine Gefahren für ihn bestehen. Ich mag es nicht, wenn meine Kinder gehen müssen", murrt er schlecht gelaunt und hat anscheinend gar kein Bock drauf.

"Wie süß. Das hört sich so an, als würdest du sie wirklich wie deine eigenen Kinder sehen", grinse ich und schnappe mir ein Blatt auf dem Luca zu sehen ist.

"Es wäre komisch, wenn ich nicht so denken würde. Die meisten von ihnen bekam ich im Baby- und Kleinkinderalter ins Waisenhaus. Ich fahre mit ihnen zum Arzt und ins Krankenhaus, wenn sie sich verletzt oder krank sind", entgegnet er leise und konzentriert sich gerade irgendein Formular auszufüllen.

"Dann kommt dein Bruder, der sagt, dass Kinder kleine Teufel sind und er keine haben möchte", schüttle ich amüsiert den Kopf.

"Ach, der ist auch ein Dummkopf mit seinem Mino. Ich habe schon gehört, dass du ihn vorhin angeschrien hast. Gut so. Hat er mal verdient, weil er nie die Klappe halten kann", erwidert er genervt.

"Ich verstehe ja immer noch nicht, wieso diese beiden Schlampen erst jetzt zusammengefunden haben", meine ich und frage mich wirklich, warum sie nicht früher gemerkt haben, dass sie auf demselben Level sind.

"Weil die dumm sind, sowie dieses Ehepaar. Konnten die nicht in ein anderes Waisenhaus gehen?", antwortet er trocken und bringt mich zum Schmunzeln.

"Du weißt schon, dass du nicht jedes Kind behalten kannst oder fällt es dir gerade so schwer, weil es Luca ist?", erinnere ich ihn und treffe wohl total ins Schwarze mit meiner Vermutung, da er ohne es zu wissen schmollt.

"Ich habe Luca halt besonders lieb. Er ist voll das liebe und lustige Kind. Es würde das Herz der anderen Kinder brechen, wenn er eines Tages verschwinden würde", murmelt er und lässt seinen Kopf auf die Tischplatte vor sich fallen.

Ach, Jeongguk. Du weißt ganz genau, dass es nicht nur daran liegt. Von Jaemin habe ich erfahren, dass Taehyung und er schon seit Jahren noch ein Kind adoptieren möchten und anscheinend fiel seine Wahl auf Luca. So wie ich Jeongguk kenne, wird er irgendeine Ausrede finden, damit Luca im Waisenhaus bleibt.  

I fucking love you | Buch 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt