Kapitel 61

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„Also, würdest du nicht sagen, dass du dein Vater in weiblich bist?" lache ich, wie auch immer wir auf dieses Thema gekommen sind.
„Nein, null... ich kenne ihn ja nichtmal so richtig, aber dafür bin ich einfach wirklich mein Stiefpapa in weiblich. Meine Brüder sind ihm natürlich auch sehr ähnlich und so kannst du dir vorstellen, dass meine Mum manchmal mehr als verzweifelt ist."
„Oh wow" lache ich und schnappe mir noch ein Stück Sushi „Mein Opa ist gleichzeitig auch mein Papa-Ersatz, ich denke ich hab mir da auch das meiste abgeschaut, vor allem was das ‚Mann sein' angeht."
„Was das ‚Mann sein' angeht?" grinst sie leicht.
„Hab ich das grade echt gesagt?" lache ich, stelle mein Bier weg und verstecke mein Gesicht in ihren Haaren.
„Du hattest anscheinend nen sehr gutes Vorbild, was das ‚Mann sein' angeht" flüstert sie und legt ihren Kopf auf meinem ab.
Inzwischen ist es schon kurz nach zehn und wir sind vom Balkon ins Wohnzimmer umgezogen, da es draußen nun auch mit den ganzen Decken zu kalt wurde.
Wir reden einfach über irgendwelche Geschichten unseres Lebens und natürlich stehe ich in vielen meiner ziemlich dumm dar. Okay, Leo erzählt mir auch die ein oder andere, bei denen ich mich echt etwas am Riemen reißen muss, nicht direkt laut loszuprusten.
„Ne, ich liebe meine Familie, mit all den Macken, die sie zu bieten hat" schmunzelt sie „Und ehrlich gesagt will ich keine Blümchenbeziehung, für mich ist das, was meine Eltern haben, wirklich perfekt. Ich brauche keine 10.000 Komplimente am Tag, ich will auch nach 15 Jahren Ehe einfach lachen können."
„Mein Oma kassiert tatsächlich immer noch nen Klaps auf den Po von meinem Opa, das will ich in deren Alter auch. Okay, ist noch echt lange hin, aber davon träum ich jetzt schon."
Ich sehe einfach raus auf den Balkon, wo immer noch die Lichterkette leuchtet und spüre Leos Blick auf mir. Kann ich mir das mit ihr irgendwann mal vorstellen? Ja, irgendwie schon, denk ich... Okay, ist wahrscheinlich noch etwas früh, das zu sagen.

„Winceeent" werde ich dann von Leo wieder aus den Gedanken gerissen.
„Was? Ja, sorry, war grade kurz in Gedanken" schüttle ich mich kurz und sehe sie dann einfach auffordernd an, damit sie nochmal wiederholt, was sie eben gesagt hat.
„Ich hab gefragt, wann du wieder weg musst."
„Ich hab am Mittwoch ein paar Termine in Berlin, fahre die Nacht von Dienstag zu Mittwoch hoch und wenn ich da die Wohnung hab, bleib ich wahrscheinlich auch mal ein klein bisschen länger da" meine ich leise und kann sie ehrlich gesagt nicht wirklich ansehen.
Wir sind gerade sowas wie zusammen und schon bin ich wieder weg. Okay, wahrscheinlich zeigt es sich genau dann, ob wir eine Zukunft haben.
„Ich fahr am Freitag hoch in den Norden übers Wochenende und bleib dann noch kurz in Hamburg" erwidert sie nur und lenkt mich so von meinem kleinen Gedankenchaos ab.
Sie greift nach meiner Hand und verschränkt unsere Finger miteinander, was das Kribbeln in mir nochmal etwas verstärkt. Fuck, ja okay, ich mag sie echt, also muss das irgendwie funktionieren...

Wir haben an diesem Abend einfach geredet, okay, vielleicht ein ganz klein wenig rumgeknutscht auch. Den Tag hab ich heute dann wirklich im Studio verbracht und auch Leo hatte irgendwelche Termine plus irgendein relativ wichtiges Treffen mit einer Freundin am am Abend, wodurch wir uns echt nicht nochmal sehen konnten, bevor ich mich auf den Weg nach Berlin gemacht habe.
Die folgenden drei Wochen telefonieren wir und schreiben eigentlich echt oft, naja immer, wenn wir beide Zeit haben und es noch nicht mitten in der Nacht ist. Abgesehen von den paar Tagen, wo sie bei ihrer Familie und ihrer besten Freundin war, da haben wir aber auch ab und zu geschrieben. Irgendwie ist es mit ihr echt einfach, auch wenn ich das Gefühl habe, dass das so nicht für immer laufen kann. Okay, Leo ist arbeitstechnisch auch gut eingespannt und ab und zu auch unterwegs, wie ich jetzt schon festgestellt habe, vielleicht spielt uns das auch gut in die Karten. Wir haben jetzt also schon Anfang März, und ich hocke gerade noch im Interview mit Yvonne, bevor ich zurück in meine Wohnung hier fahre.
„Können wir einmal kurz Pause machen" lächelt meine Ex mich dann an, was ich einfach nur mit einem kurzen Nicken beantworte und dann kurz mein Handy nehme, um mich einfach kurz zu beschäftigen.
Okay, ich schau einfach nur, was Shayenne mir geschrieben hat und antworte schnell, bevor es auch schon wieder weiter geht.
Eine knappe Dreiviertelstunde später ist auch alles im Kasten und irgendwie beginnt Yvonne dann doch tatsächlich etwas Smalltalk mit mir.
„Wie läuft's im Studio?" fragt sie dann.
„Gut, ich fahre übermorgen wieder runter und dann wird weiter an ner neuen Single gearbeitet."
„Klingt doch gut und sonst so?"
„Joa, ich kann mich grade nicht beschweren, will dieses Jahr zwar mehr zuhause sein, aber viel Zeit wird auch für Studio und auch die Sommertour draufgehen."
Wir unterhalten uns noch etwas, wobei ich mich dann doch echt schnell wieder verabschiede und mich zuhause, beziehungsweise in meiner neuen Wohnung, erstmal mit nem Bier aufs Sofa pflanze. Alleine. Wie immer eigentlich. Wobei, kann sich das nicht doch ändern? Mit Leo kann es ernst werden. Kurzerhand nehme ich mir mein Handy und rufe sie an.
Es klingelt und klingelt, aber rangehen tut sie nicht. Somit wechsle ich einfach mal zu Instagram, wobei ich auch direkt mit dem Grund, warum meine -Freundin?- nicht ans Handy geht, konfrontiert werde. Und was ich sehe, lässt mich vor Eifersucht beinahe überkochen.

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