Lauf nicht weg

Kapitel 101

Den restlichen Tag feiern wir dann also einfach mit der Family, wobei ich ja halt nichts trinken kann beziehungsweise darf. Ich genieße die Zeit mit meiner Familie wirklich, immerhin habe ich seit meinem Umzug vor allem mit meinen Großeltern echt recht wenig Kontakt. Klar telefoniere ich manchmal mit ihnen und natürlich komme ich immer, wenn ich im Norden bin, bei ihnen vorbei, aber das ist eben nicht das Gleiche, als wenn man sich jederzeit sehen kann. Somit bringe ich dann irgendwann Nils zur Liegewiese, bei der auch wir schon immer gefeiert haben. Okay, eigentlich ist es nur ein semi großer Spielplatz, aber abends sind hier dann doch eher die Älteren, die sich zum saufen treffen. Hier hab auch ich schon ein bisschen was erlebt, wobei ich meine Grenzen eigentlich fast nie überschritten habe.
„Nils, schreib mir bitte spätestens gegen zwei, wann und ob ich dich überhaupt noch abholen soll. Ich will auch nen klein bisschen Schlaf abbekommen."
„Alles klar."
„Ich mein's ernst, bis zwei keine Nachricht und ich hol dich erst morgen irgendwo ab."
„Jaja, hab's verstanden. Ich will sowieso nicht zu krass übertreiben."
„Ha! Wer's glaubt! Du bist der Sohn deines Vaters."
„Ach, was du nicht sagst! Aber was ist deine Ausrede?"
„Ich bin nicht mit ihm verwandt, aber bitte, ich bin gefühlt er in weiblich."
„Stimmt auch wieder. Was machst du dann eigentlich noch bis zwei?"
„Ähm, erstmal Mum helfen, alles etwas aufzuräumen, dann noch nen bisschen mit den anderen draußen sitzen und vielleicht dann nachts ein wenig arbeiten."
„Kennst du noch was anderes als Arbeit? Sowas wie Spaß?"
„Erstens macht mir meine Arbeit Spaß und zweitens mache ich auch noch genug anderes neben der Arbeit."
„Zum Beispiel?"
„Freunde treffen, Sport -zumindest ein wenig."
„Ja gut, wie du meinst."
Ich halte dann also und er springt schon beinahe aus meinem Auto.
„Hab dich lieb" trällere ich übertrieben laut und kassiere direkt einen leicht vorwurfsvollen, genervten, peinlich berührten und für mich echt amüsanten Blick.

Somit fahre ich dann wieder nach Hause, wo meine Brüder inzwischen gegen unseren Papa Tischtennis spielen.
„Ist das nicht ein wenig unfair?" lache ich und lasse mich neben meine Mum auf einen der Stühle fallen.
„Willst du mich verarschen? Wir sind trotzdem am verlieren" brummt Alex.
„Im Ernst? Wow!"
„Man ey, ich kann das nicht, hab das aber nächstes Halbjahr in Sport."
„Ich hatte das auch und hab's hinbekommen."
„Ja, du hast ja auch mit mir zusammen trainiert" lacht mein Papa.
„Ey, das macht keinen Spaß mehr" kommt es dann von Toby und er schmeißt die Kelle weg.
„Na dann, lasst mich mal ran" lache ich.
Ich spiele also zusammen mit Nils gegen meinen Papa, wobei irgendwann nur noch Papa und ich spielen.
„Du bist eingerostet" schmunzelt er dann.
„Ja, ich hab auf meinem Balkon keine Tischtennisplatte" lache ich.
Ich hab wirklich Mühe mitzuhalten, während er das locker flockig aus dem Handgelenk macht.

Mit der Zeit verabschieden sich dann aber alle ins Bett, bis ich zum Schluss nur noch mit meinem Laptop, meinem Tablet und Balu neben mir im Garten sitze. Inzwischen ist es auch nicht mehr ganz so eklig warm, sondern eher angenehm. Zwar trage ich natürlich nicht mehr mein Kleid, sondern eine einfache Jogginghose, ein Top und eine Strickjacke. Während ich auf meinem Laptop arbeite, habe ich außerdem Vampire Diaries die Vierte auf meinem Tablet laufen. Zumindest bis mein Handy aufblinkt. Nachricht von Wincent.
„Noch wach?❤️"
„Jup, wahrscheinlich auch noch ne ganze Weile🙈❤️"
„Hast du Zeit zum telefonieren? Ich will deine Stimme hören❤️"
Somit pausiere ich meine Serie vorerst und rufe Wincent an, während ich mein Handy an meinen Laptop lehne.
„Hey schöne Frau" geht er an meinen Videoanruf ran und lächelt süß in die Kamera.
„Hey" schmunzle ich und mustere ihn kurz.
Er liegt oberkörperfrei in irgendeinem Bett und hat total zerzauste Haare.
„Wie war dein Tag?"
„Echt schön, fast schon eine Reise in die Vergangenheit, ich hab so viele meiner alten Lehrer und auch alte Mitschüler gesehen, das war echt schön. Bei dir?"
„Joa, Konzert geht halt immer" grinst er leicht „Ne, war wie immer einfach nur echt geil!"
Wir reden also eine Weile und nebenbei arbeite ich wenigstens ein ganz bisschen, zumindest bis von meinem Bruder die Nachricht kommt, dass er die Nacht woanders pennt und morgen schreibt, wann ich ihn abholen soll. Ich mache mich dann also bettfertig und falle einfach nur in meine Kissen.
Dass ich Nils am nächsten Tag doch nicht abholen könnte, sondern erstmal in Rekordzeit all meine Sachen packen würde, um doch früher als geplant von Zuhause aufzubrechen, hatte ich jetzt noch nicht gedacht.