Kapitel 83

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Sicht Leo
Ich sehe Wincent noch kurz lächelnd hinterher, bevor ich wieder in meine Wohnung gehe und mich ziemlich glücklich auf dem Sofa fallen lasse.
Hat Wincent mir gestern wirklich gesagt, dass er mich liebt? Hat er mir diesen Song wirklich gewidmet? Wow... Von meinem Handy werde ich dann aus den Gedanken gerissen und nehme lächelnd den Anruf entgegen. Doch bei ihren ersten paar Worten schwindet es sofort. Wogegen ich eben noch super gut gelaunt war und sich beinahe jeder Gedanke um Wincent gedreht hat, ist mein Kopf nun wie leer gefegt.

Das ist jetzt nun schon wieder über eine Woche her und so richtig realisiert habe ich das alles immer noch nicht. Ich bin zuhause, im Norden, und kümmere mich weitestgehend allein um meine Brüder... Naja, Nils ist mitten im Abi und deswegen mehr um Alex und Toby, aber das ist schon anstrengend genug. Die ersten zwei Tage waren die beiden auch nicht in der Schule, aber das funktioniert nunmal nicht dauerhaft. Somit gehen die beiden jetzt wieder, wobei ich sie manchmal echt zwingen muss, und in der Zeit kümmere ich mich um den Haushalt, den Hund und sonstige Arbeiten. Naja, meine eigentliche Arbeit erledige ich meistens in der Nacht, was auch nochmal ziemlich an meinen Kräften zerrt. Mein Handy hab ich zwar dauerhaft bei mir, aber für Wincents Anrufe und Nachrichten gerade wirklich keine Zeit, geschweige denn Kopf. Ja verdammt, ich liebe ihn, aber ich... ich kann jetzt einfach nicht mit ihm reden.

Während ich gerade wieder mal in der Küche sitze und arbeite -immerhin läuft die Frist morgen ab und ich muss endlich fertig werden- klingelt wieder einmal mein Handy und ich werfe nur einen wirklich kurzen Blick drauf. Zola. Sie weiß, was los ist, sie weiß, dass ich gerade eher für mich sein will -okay, eigentlich bin ich gerade kaum für mich- aber Zola weiß, dass ich gerade diese Zeit brauche also  weiß sie auch, dass ich sie anrufe, wenn ich sie brauche, also ist es wichtig...
„Hallo" gehe ich leise ans Handy.
„Hey Süße, wie geht es dir? Euch?"
„Naja, es ging schonmal deutlich besser... Zola, warum rufst du an? Doch nicht nur, um das zu fragen."
„Nein... Ich hab mit Wincent geredet."
„Zola, ich hab gerade wirklich keinen Kopf für irgendwelchen Beziehungskram."
„Ich weiß, aber er macht sich scheiß Sorgen um dich, er dachte sogar, dass du dich nicht bei ihm meldest, weil er irgendwas getan hat."
„Zola, ich muss hier noch die Designs fertig bekommen, das wird mich die ganze Nacht brauchen, wie's aussieht. Außerdem, was soll er bitte getan haben?"
„Dir sagen, dass er dich liebt. Leo, bekomm das mit ihm wieder hin, bitte."
„Ich sehe ihn in München, wenn ich wieder zuhause bin, das dauert aber noch etwas."
„Und was sagst du ihm?"
„Weiß ich noch nicht."
„Dann überleg' dir was."
„Zola, bitte, nerv mich jetzt nicht damit."
„Leo, das sollte dich nicht nerven. Ich glaube, du liebst ihn und dass du drauf und dran bist, ihn zu verlieren. Schmeiß das mit ihm nicht weg, nur weil ihr in der Familie Probleme habt."
„Das sind keine einfachen Probleme und das weißt du auch, mein Dad liegt im Krankenhaus und meine Mum kommt da nicht drauf klar. Ich versuche grade so gut es geht, alle Aufgaben die sonst meine Eltern machen macht zu erledigen. Ich kann nicht mehr."
„Und er will für dich da sein, was er nicht kann, wenn du es nicht zulässt. Du verschließt dich vor denen, die dich lieben."
„Tu ich nicht, ich hab nur einfach keine Zeit für irgendwas. Ich hab zwei kleine Brüder, die mich gerade brauchen, von meiner Mum mal abgesehen und Nils lebt gerade auch für nichts anderes als lernen, wenn sich einer verschließt dann er."
„Leo, ich sag dir das jetzt, weil ich dich liebe, okay? Du bist einfach nur bescheuert und dumm! Zieh Anke aus ihrem Wachkoma und dann bekomm dein Leben wieder in den Griff. Andernfalls wird es dir komplett entgleiten und du verlierst alles, was du dir aufgebaut hast."
„Zola, warum checkst du's nicht-"
„Doch, ich check das alles! Du machst dir Sorgen um Frank, aber wir, Wincent, deine Freunde, ich, wir machen uns Sorgen um dich."
„Mir geht's gut."
„Das redest du dir ein, aber es geht dir nicht gut. Ich geb' dir nur noch eine Woche, dann komm ich zu dir und fahre dich höchstpersönlich zurück nach München."
„Ich kann hier gerade nicht weg."
„Du bist 25! Du kannst nicht Übergangsmutti spielen, Anke ist die Erziehungsberechtigte und muss auf deine Brüder aufpassen, das ist nicht dein Job. Genauso wenig ist es dein Job, dich um deine eigene Mutter zu kümmern."
„Und was soll ich deiner Meinung nach tun? Ich kann hier nicht weg, solange mein Dad im Krankenhaus liegt."

Lauf nicht wegWo Geschichten leben. Entdecke jetzt