Lauf nicht weg

Kapitel 109

„Hey" lacht Christian mich dann an.
„Hey" schmunzle ich.
„Lange nicht gesehen, wie geht's dir?" setzt er sich dann auch noch neben mich und ich merke, wie Wincent sich ein ganz bisschen anspannt.
Das ist jetzt wahrscheinlich schon etwas übertrieben, immerhin hat er mich nicht mit ‚Hey, seit unserem One Night Stand nicht mehr gesehen, wie geht's dir?' begrüßt.
„Ihr kennt euch?" spricht Kevin dann Wincents Frage aus.
„Wir haben uns mal kennengelernt, is aber auch schon ne Weile her" antworte ich.
„Irgendwie bei der Arbeit oder...?" harkt Wincent neben mir nach, während er seinen Arm über meine Stuhllehne legt.
„Äh ne, im Biergarten, ich war eventuell ziemlich auf mein Handy fixiert, als ich vom Klo zurück zum Tisch bin und bin total in ihn reingelaufen."
„Kommt mir ja irgendwie bekannt vor" schmunzelt Wincent dann und kurz verharren sich unsere Blicke.
„Haben uns auch nochmal gesehen gehabt, sind aber irgendwie nicht in Kontakt geblieben" ergänzt Christian.
Er scheint zumindest so viel Grips zu haben, dass er gecheckt hat, dass Wincent mein Freund ist und der Grund für den ‚Kontaktabbruch' definitiv nicht hier her gehört. Kurz unterhalten wir uns trotzdem noch über banalen Kram, bevor die Gespräche doch wieder in andere Richtungen gehen.

Der Abend verläuft eigentlich echt entspannt, wobei es mir doch echt unnormal unangenehm ist, zwischen meinem Freund und meinem One Night Stand zu sitzen. Ich hab das mit Christian schon bereut, kurz nachdem es passiert ist, aber Wincent auch nie erzählt, was da in der kleinen Trennungsphase so passiert ist. Er mir aber auch nicht. Ich hab auch eigentlich nicht mehr an diese Nacht mit Christian gedacht. Zumindest bis heute...
Irgendwann verschwindet Christian dann mal kurz und die Gelegenheit nutzt Lisi und setzt sich mit dem kleinen Louis neben mich. Kurz zwinkert sie mir zu und beginnt dann ein Gespräch. Irgendwann klettert Louis vom Schoß seiner Mama runter und versucht dann auf meinen zu klettern.
„Louis" lacht Lisi direkt los.
Leicht lachend hebe ich ihn dann also auf meinen Schoß und nun plappert er mich voll, mit der Zeit wird er dann aber auch wieder ein bisschen ruhiger.
„Du kannst gut mit Kindern, oder?"
„Joa, ich hab ja drei kleine Brüder und hab bei den zwei jüngsten viel mitgeholfen. Und im Gegensatz zu den Dreien ist der kleine Mann hier der reinste Engel muss ich sagen."
„Der Fratz? Ein Engel? Wow, deine Brüder müssen echt anstrengend gewesen sein."
„Sind sie immer noch" schmunzle ich.
Mit der Zeit verschwinden dann schon ein paar Leute, auch Christian, und irgendwann bringt Kevin den kleinen Louis auch schon ins Bett. Wincent hat den Arm um mich gelegt und ich lehne einfach an ihm, während ich den Gesprächen lausche.
„Sollen wir langsam abhauen?" flüstert er dann und drückt mir einen Kuss auf den Kopf.
„Nicht wegen mir."
„Ich trink noch ein Bier und dann fahren wir."
„Okay."

Es dauert dann doch etwas länger, was mir aber ziemlich egal ist. Wir sitzen also kurz nach zwölf in meinem Auto und ich fahre, dabei hat Wincent schon kurz nach dem Losfahren seine Hand auf meinen Oberschenkel gelegt. Es herrscht eine komische Stille zwischen uns, ich merke aber, dass Wincent irgendwas loswerden will.
„Wincent, spuck jetzt aus, was du loswerden willst."
„Was ist das mit diesem Christian da gewesen? Ich bin zwar nen Mann, aber selbst ich hab gecheckt, dass die Stimmung zwischen euch echt komisch war."
„Babe..."
„War da mal was zwischen euch?"
„Ja" seufze ich, schaffe es aber nicht, zu ihm rüber zu schauen.
Ich fahre dann bei der nächsten Gelegenheit einmal auf einen Platz an einem kleinen Waldstück, wohingegen es in Wincent noch arbeitet.
„Wann?" kommt es dann immer noch ziemlich verwirrt von ihm „Als du nach München gekommen bist und danach warst du bis letztes Jahr vergeben und dann hat's auch nicht lange gedauert, bis wir zusammenkommen sind."
„Während wir getrennt waren. Wir sind einmal in der Kiste gelandet und dann haben wir nichtmal mehr miteinander geschrieben oder irgendwie anders Kontakt miteinander gehabt. Ich hab mich direkt danach schon so unglaublich beschissen gefühlt. Ich hab einfach mit jedem Mittel versucht, dich zu vergessen. Das hat natürlich nicht geklappt. Wincent bitte sag irgendwas, aber schau nicht gradeaus ins Nichts... Macht das irgendwas mit uns?" flüstere ich, woraufhin Wincent mich endlich mal ansieht.
Wobei ich seinen Blick echt nicht deuten kann, er schaut mich beinahe emotionslos an.