Dunkles Schicksal Kapitel 28

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Dunkles Schicksal


Kapitel 28



Arthur machte in Madrid einen Zwischenstopp. Besser gesagt, er musste rasten, denn die Sonne ging auf. Er landete vorsichtig in der Dunkelheit, damit ihn niemand sah. Menschen würden so etwas nicht verstehen und er wollte kein Aufsehen. Er ging schnell durch die Straßen, die etwas außerhalb des Zentrums lagen und schaute zum Himmel. Langsam färbte er sich rötlich, der Stern, der diesem Schein folgte, würde kein Erbarmen mit ihm haben.

Alexej entkommen und vernichtet durch die Sonne, dachte er sarkastisch, als er noch schneller lief. Ein Haus, nicht sehr einladend fiel ihm in den Blick. Der Verputz abgebröckelt, die Fenster verkommen. Doch über dem Eingang hing ein Schild, dessen Buchstaben, die schief und krumm waren und teilweise flackerte und das Ganze als Motel ausgaben. Sollte wohl ein Witz sein, doch Arthur hatte keine Zeit darüber nachzudenken. Sein größter Feind streckte seine Hände nach ihm aus.

Er ging darauf zu und schnell hinein. Ein etwas ungepflegter Mann schaute hoch, er roch nach Alkohol, Zigarren und einiges anderem, worüber er lieber nicht nachdenken wollte. Arthur war nicht begeistert, doch er hatte keine Zeit mehr.

„Ich möchte ein Zimmer", sagte er auf spanisch.

„Allein?"

Der Mann musterte ihn und Arthur schaute zu den Fenstern. Verdammt! Er war spät dran.

„Sehen sie hier noch jemanden?", herrschte er ihn an „Falls nicht, dann geben sie mir jetzt ein beschissenes Zimmer."

Er hätte nicht übel Lust, seinen Durst an ihm zu stillen. Doch er wirkte so ungepflegt, das Arthur Abstand davon nahm, selbst als Vampir. Und er hatte eh keine Zeit mehr. Der dickliche Mann musterte ihn abschätzend, dann sagte er.

„Ich vermiete eigentlich stündlich, wenn sie wissen, was ich meine. Hierher kommen die Huren mit ihren Kunden."

Arthur spürte die Sonne. Sie war im Anmarsch. Er griff in die Tasche und legte dem Mann genug Geld auf den Tisch und zischte.

„Es ist mir scheißegal, wer hier wohnt oder wer hier vögelt. Geben sie mir ein Zimmer."

Der Mann brummte etwas, griff nach dem Geld und drehte sich um. Er nahm einen Schlüssel von der Wand und gab ihn Arthur.

„Die Treppe rauf und rechts, das dritte Zimmer."

Arthur nahm den Schlüssel und lief die Treppe hoch. Er öffnete das Zimmer und zuckte zurück. Die Sonne schien durch das Fenster und er fluchte. Dann stürmte er hinein und zog die dunklen Vorhänge vor, die das Zimmer abdunkelten. Wenigstens achteten sie darauf, das die Leute ungestört waren, wenn sie sich hier vergnügten. Er schaute auf die verbrannte Haut auf seinen Händen, die schon begann zu heilen.

Arthur fuhr sich durch die Haare und sah sich jetzt in dem schummrigen Zimmer um. Es war einfach eingerichtet, die Möbel alt und verbraucht, sowie das Bett. Doch das war ihm egal, er würde hier bleiben bis die Sonne unterging und dann sofort weiter. Er schloss die Tür ab und ging zu dem Bett, zog die verblichene Tagesdecke weg. Na wenigstens war das Bett frisch überzogen. Er setzte sich auf die Bettkante und fuhr sich durch sein Gesicht. Er war müde und mal wieder verdammt knapp dran gewesen. Seufzend legte er sich auf das Bett. Er wäre gern weitergeflogen, doch dieser verdammte, brennende Stern ließ ihn nicht.

Am Abend nach Sonnenuntergang verließ er das Motel, das eigentlich keines war, eher eine Absteige für gewisse Dinge. Zwei käufliche Mädchen saßen auf dem alten Sofa und musterten ihn von oben nach unten. Als er zum Ausgang ging, sagte eine von ihnen.

„Hey, Süßer. Lust auf ein paar Stunden mit uns beiden?"

„Nein, danke. Ich habe es eilig."

Sie zog einen Schmollmund.

„Oh, wie schade. So etwas Hübsches kommt selten hierher."

Arthur lächelte charmant und verließ das Hotel. An einer ruhigen Stelle schaute er sich um und erhob sich in die Luft. Er stieg schnell höher und setzte seinen Weg fort. Diese Fähigkeit beherrschte er immer besser und genoss es zu fliegen. Sethos hatte keine Vorstellung, was er ihm da geschenkt hatte. Was überhaupt. Arthur fühlte sich so stark wie nie zuvor. Und diese Fähigkeiten waren der Wahnsinn.

Viele Vampire hatten nicht so viel Glück. Manche besaßen harmlose Gaben, so wie Tatjana, die Blumen wachsen lassen konnte. Doch die Fähigkeit, Erdbeben auszulösen war nicht harmlos. Und so etwas besaß eine Psychopathin, die gerade ihren Lehrmeister oder Schüler verloren hatte. Arthurs Haare flatterten im Wind und er fühlte sich frei, als er Sevilla immer näher kam. Und hoffentlich auch Merlin.


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Er landete in den Vierteln, in denen er immer gejagt hatte, denn er verspürte Hunger. Das Fliegen war anstrengend gewesen und er musste konzentriert bleiben und kostete ihn immer noch Kraft. Doch Sethos sagte, das es eine Frage der Zeit und Übung wäre, bis er das locker beherrschte. Er schaute sich um und wollte gerade in die nächste Straße einbiegen, als er Menschen witterte.

Drei Kerle kamen auf ihn zu. Da Arthur gut gekleidet war, sahen sie ihre Chance. Sie blieben vor ihm stehen und grinsten, einer sagte.

„Hast du dich verlaufen, du feiner Pinkel?"

„Kann schon sein."

„Okay", sagte der Kerl, der ihn angesprochen hatte und musterte ihn spöttisch „Wir zeigen dir den Weg nach Hause. Das ist unsere gute Tat für heute, diese Gegend ist gefährlich. Komm!"

Sie führten ihn in eine dunkle Gasse und Arthur seufzte leise. Zumindest das hatte sich nicht verändert. Diese Leute waren immer noch so schlecht wie zuvor. Sie würden ihn ausrauben und vielleicht umbringen. Von wegen den Weg nach Hause zeigen. Manchmal fragte er sich, wieso Merlin solche Leute vor ihm beschützen wollte, indem er sie hier jagte. Bei nächster Gelegenheit würden sie das mit ihm auch machen. Dankbarkeit kannten solche Leute nicht. Nun gut, dann konnte er seine Kräfte ausprobieren.

Bevor die drei etwas tun wollten, erstarrte die Zeit. Arthur schaute sich um. Die drei Kerle standen um ihn herum, unbeweglich und wirkten wie Puppen. Arthur ging um sie herum, dann nahm er einen der Typen und warf ihn über die Schulter. In der nächsten Straße ließ er seine Kraft los, der Mann schaute sich um, ziemlich verwirrt.

„Was ist passiert?"

„Nichts, ich habe nur Hunger", sagte Arthur und riss ihn an sich. Er schlug seine Fänge in den Hals des Mannes und trank schnell. Dann ließ er ihn los und er fiel zu Boden.

„Danke", sagte Arthur sarkastisch und setzte seinen Weg fort.

Als er die miesen Viertel verließ und endlich in die Straße einbog, indem sein Haus lag, blieb er einen Moment stehen. Er war zu Hause. Arthur dachte nicht, das er jemals wieder nach Hause käme. Nachdem Alexej sein Schwert in sein Herz stieß und ihn danach mit seinem Silberdolch quälte, hatte er mit seinem Leben abgeschlossen. Nur die Gewissheit, das er Merlin gerettet hatte, ließ ihn seinen eigenen Tod akzeptieren. Und doch stand er jetzt hier, stärker als jemals zuvor und mit mächtigen Gaben ausgestattet.

Er schaute sich um. Es war vier Uhr in der Nacht und alles ruhig. Er stellte sich hinter einen Baum gegenüber seines Hauses, als er jemanden näher kommen hörte. An seinen Bewegungen und das er kein Herzschlag hörte, war derjenige ein Vampir. Arthur lächelte, als er Lance erkannte, der vom Jagen zurück kam. Wie immer super pünktlich. Er hatte noch nie erlebt, das er auf die letzte Minute kam, nicht Lance.

Als Lance die Treppe hochging und ins Haus eintreten wollte, stand Arthur so schnell hinter ihm, das niemand diese Bewegung sah.

„Hallo, Lance."

Dieser wirbelte genauso schnell herum und starrte ihn an. Er sagte kein Wort, starrte ihn nur an, als wäre Arthur ein Geist. Wurde er jetzt verrückt? Er trauerte so sehr um seinen Freund, das er ihn vor sich stehen sah? Er bewegte sich nicht, so als wollte er vermeiden, das dieser Augenblick vorüber ging und er frustriert feststellte, das er Arthur so schmerzlich vermisste, das er ihn schon überall sah. Ein langer Augenblick verging. Arthur runzelte die Stirn.

„Hey, erkennst du deinen besten Freund nicht mehr?", sagte er amüsiert „Da bin ich ein paar Monate weg und du siehst mich an, als wäre ich ein Gespenst."

„Du...Du bist tot."

„Haha", sagte er sarkastisch „Sehr lustig. Natürlich bin ich tot, du Trottel. So tot wie du."

Lance schüttelte langsam den Kopf.

„Nein, ich meine wirklich tot, endgültig tot."

„Tja, wie du siehst, bin ich es nicht. Was ist denn los? Wieso denkst du, das ich tot bin?"

Lance kam die Treppe wieder langsam herunter und blieb vor ihm stehen.

„Du bist es wirklich", murmelte er, mehr zu sich selbst.

„Natürlich. Was zum Teufe..."

Weiter kam Arthur nicht, denn Lance umarmte ihn so heftig, das er keine Luft bekäme, wenn er sie brauchen würde. Lance küsste ihn auf die Wange und streichelte durch sein Haar, so das er sagte.

„Meine Güte, hast du die Seiten gewechselt?", sagte er immer noch scherzhaft und etwas verwirrt, während Lance immer wieder sagte.

„Ich dachte, du bist tot. Doch du bist es nicht; du bist es nicht. Dem Himmel sei Dank", und Tränen glitzerten in seinen Augen.

„Ich...", er ließ Arthur los und wischte sich verstohlen über sein Gesicht. Die letzten Tage waren schwer für ihn gewesen. Er hatte seinen Leuten sagen müssen, das ihr Meister nie mehr wiederkam. Und er hatte die Führung des Clans übernommen. Doch Arthurs Tod machte ihm sehr zu schaffen, selbst der Gedanke an Maria half ihm nicht sehr. Wieder umarmte er Arthur, als müsste er Körperkontakt haben, um zu realisieren, das er wirklich vor ihm stand.

Arthur ließ ihn, genoss seine Zärtlichkeiten, die eigentlich vollkommen untypisch für Lance waren, was ihn anging. Obwohl Vampire zu beiden Geschlechtern tendierten, hielt sich Lance an das weibliche Geschlecht, obwohl er in seinem langen Leben auch mit Männer geschlafen hatte. Doch Frauen waren eindeutig sein Favorit. Arthur nahm sein Gesicht in beide Hände und schaute ihn liebevoll an.

„Ich bin es wirklich und wieder da. Und ja, ich liebe dich auch."

Dann küsste er Lance auf die Lippen, der das geschehen ließ. Diese Nähe war so untypisch für beide und doch innig. Sie waren Freunde, sehr gute Freunde, fast eins. Und sie liebten sich, doch nie kam es zu solchen Momenten wie jetzt. Arthur küsste ihn wieder und strich sein langes Haar aus der Stirn.

„Ich habe dich auch so vermisst", sagte er leise.

Lance machte sich los und schaute sich verlegen um. Noch nie war er Arthur so intim nah gekommen. Gut sie haben sich mal umarmt, aber noch nie geküsst. Es war seltsam und angenehm zugleich gewesen und wohl die absolute Ausnahme, was seinen besten Freund anging, der eigentlich sein Bruder war. Nur nicht über das Blut.

„Komm, lass uns hineingehen, bevor jemand kommt und denkt, das wir..."

Arthur grinste und sie gingen ins Haus und hinunter zu Arthurs Räume. Lance konnte es nicht glauben. Vielleicht träumte er und wachte bald auf. Merlins Schilderungen waren präzise gewesen und der Jäger glaubte wirklich, das er tot ist.

Lance goss sich einen doppelten Wodka ein und Arthur Bourbon. Gott, das brauchte er jetzt. Er reichte ihm das Glas und trank einen großen Schluck von seinem Wodka.

„Ich kann es nicht glauben, das du hier vor mir stehst. Wo kommst du denn her und wo warst du all die Zeit?"

Arthur interessierte sich nur für eines.

„Ist Merlin in Sevilla?"

Lance nickte.

„Er kam vor ungefähr vier Wochen hier an und ohne dich. Ich hatte mir furchtbare Sorgen gemacht."

Arthur schloss einen Moment die Augen vor Erleichterung. Noel hatte sein Wort gehalten und ihn in Sicherheit gebracht. Er war diesem Vampir sehr dankbar.

„Ist Noel auch da?"

„Nein, sollte er?" Lance kannte ihn nicht persöhnlich, nur aus Arthurs Erzählungen.

„Normalerweise schon. Er war mit Merlin zusammen", antwortete Arthur „Und ich bot ihm die Zugehörigkeit unseres Clans an. Eigentlich wollte er das annehmen."

Lance bohrte nach. Er musste wissen, was passiert war und wo Arthur all die Zeit war.

„Was ist passiert, Arthur? Und sage jetzt nicht nichts Besonderes. Du hast Alexej getroffen und er hat wieder Schlimmes mit dir angestellt, nicht wahr?"

„Woher weißt du das?"

„Von Merlin. Als ich hörte, das er zurück war und du nicht, suchte ich ihn auf. Er erzählte mir, das du tot bist. Das Alexej dich getötet hatte oder die Explosion...oder die Sonne. Er hatte gesehen, das Alexej dir ein Schwert durch dein Herz trieb und später jeder tot war, der in den Trümmern war."

„Das ist richtig, nur war das Schwert nicht aus Silber", antwortete Arthur und schenkte sich noch Bourbon ein.

Lance kam auf ihn zu und blieb vor ihm stehen. Er war froh und zornig zugleich. Arthur hatte sich so in Gefahr gebracht, was Alexej anging. Von den Erzählungen Arthurs wusste er, das der Dreckskerl seine Liebhaber bis an den Rand des Todes folterte und sich dann sexuell gütlich an ihnen tat. Die Schreie und das Blut waren ein Vorspiel für ihn. Lance hasste den russischen Vampir mit solch einer Hingabe, das er fast enttäuscht war, das er so schnell starb. Er war kein Sadist, doch für Alexej hätte er eine Ausnahme gemacht.

„Schlimm genug. Und jetzt erzähl mir, was er mit dir getan hatte. Merlin sagte, das er dich wieder gefoltert hatte und so einiges mehr. Er hat dich in jeder Hinsicht wieder benutzt. Merlin sagte mir, das du so schlimm verletzt warst, als er dich endlich gehen ließ. Und anscheinend schlimmer als jemals zuvor. Was hast du dir nur dabei gedacht, wieder in seine Nähe zu kommen. Was?"

Arthur drehte sich um, schaute Lance groß an.

„Er hat mich gesehen, als ich von Alexej kam? Merlin war da?"

„Anscheinend schon. Er hatte mir sehr detaillierte Angaben über deine Verletzungen gemacht."

Arthur murmelte etwas. Es war ihm unangenehm, das Merlin ihn so gesehen hatte. Seinen zerschundenen, blutigen Körper und seine intimen Stellen, die sehr mitgenommen waren. Er schämte sich darüber, selbst jetzt noch. Arthur hatte Noel ausdrücklich gesagt, er solle zusehen, das Merlin nicht dabei war. Anscheinend hatte er den Jäger unterschätzt, der so stur wie ein Esel war. Und Lance, der grünliche Schlieren in seinen Augen hatte, die an Intensität zunahmen. Er war sauer. Arthur hob die Arme in einer beschwichtigten Geste.

„Beruhige dich. Es ist alles gut."

„Gut?", herrschte ihn Lance an „Das er dich fast zu Tode gequält und gefickt hatte, ist gut? Verdammt, Arthur. Ich sagte, das du ihm nicht unter die Augen kommen sollst. Das war doch vorauszusehen, der Scheißkerl war doch so auf dich fixiert, selbst nach so langer Zeit."

„Ich musste es tun, das war ein Teil des Plans", verteidigte sich Arthur, jetzt auch leicht zornig. Er wollte nicht daran erinnert werden. Es war schon peinlich genug, das Merlin ihn so sah. Lance lachte auf. Es klang bitter.

„Toller Plan. Und dann legst du dich auch noch mit ihm an? Wolltest du sterben?"

„Nein, aber ich musste Merlin beschützen. Er ist sterblich."

Wieder lachte Lance.

„Oh ja. Er ist sterblich. Du auch, du Vollidiot, vor allem, wenn du dich mit einem Meistervampir anlegst, der doppelt so alt wie du bist", schrie Lance „Was hast du dir nur dabei gedacht? Das du gewinnen könntest?"

„Hätte ja sein können. Alexej hätte einen Fehler machen können."

Lance schüttelte den Kopf und herrschte ihn zornig an.

„Einen Fehler? Arthur, wie naiv bist du denn? Er ist...", er fuchtelte mit seinen Armen herum, um dem Ganzen Ausdruck zu verleihen „War fast doppelt so alt wie du und ein Sadist und Psychopath. Die ticken anders, denn all die Jahre konnte ihm die Gilde nichts nachweisen, das er Menschen und Vampire folterte, bis sie starben. Und am besten, wenn er sie dabei noch ficken konnte. Du kanntest ihn und doch bist du so einfach in seinen Unterschlupf marschiert. Was dachtest du denn? Das er dir einen Kuchen backt und Blumen schenkt und dich wie einen liebevollen Liebhaber behandelt?"

„Nein, natürlich nicht", zischte Arthur aufgebracht „Doch besser ich als Merlin. Er hätte das nicht überlebt."

Lance seufzte. Merlin, ja. Arthur war ganz auf ihn fixiert und um ihn zu retten. Er hätte wahrscheinlich alles ertragen, um den Jäger zu schützen, selbst seinen endgültigen Tod. Was Lance eindeutig sagte, das er den dunkelhaarigen Mann wirklich und wahrhaftig liebte. Und schon wieder einen Sterblichen, der irgendwann sterben würde. Arthur war unverbesserlich.

Sie wussten beide nicht, wieso sie sich jetzt stritten. Lance war die letzten Tage so angespannt gewesen. Der Tod von Arthur und der Gedanke, das er jetzt alleine war, hatte an ihm genagt und explodierte jetzt in Zorn. Zorn darüber, das Arthur wieder durch die Hölle von Schmerzen und Demütigung gegangen war und beinahe für immer getötet wurde. Und da war die Angst, das er ihn wieder gezwungen hatte, an den Blutorgien teilzunehmen.

„Hat er dich wieder gezwungen an diesen blutigen..."

„Nein", sagte Arthur etwas ruhiger „Dafür war keine Zeit mehr."

Wenigstens etwas Positives, dachte Lance. Er hätte nicht gewusst, ob er es wieder schaffen würde, Arthur von Blutgier zu befreien. Es schlummerte noch in ihm, allzu gerne bereit auszubrechen, wenn Arthur es nicht in Zaum hielt. Einmal der Blutgier verfallen, gab es selten jemand, der es zurückschaffte. Nur starken Charakteren gelang es und das auch nur mit eisernem Willen. Doch der Drang grausam zu töten und zu foltern war dennoch präsent. Wie ein Monster lauerte es im Verborgenen, bereit an die Oberfläche zu kommen.

Arthur seufzte.

„Warum streiten wir jetzt, Lance? Ich bin wieder da und es geht mir gut, mehr als gut."

Doch der schüttelte den Kopf.

„Das glaube ich dir nicht. Nicht, nachdem ich weiß, wie Alexej in dieser Kammer vorgeht. Du kannst mir nicht erzählen, das du das so locker weggesteckt hast. Arthur, lüg mich nicht an. Nicht mich."

Arthur drehte sich um, einen Moment sagte er nichts, doch dann antwortete er ruhig.

„Ja, du hast ja recht. Ich hatte mich überschätzt und...er ist noch grausamer gewesen."

„Ich sagte dir, das du von ihm fern bleiben sollst. Ich habe es gesagt", belehrte ihn Lance schon wieder zornig.

Arthur nahm Luft.

„Ja, hast du. Doch ich dachte nicht, das er sich weiter entwickelt hatte, was Folter angeht. Ich konnte es fast nicht glauben, auf welche abartigen Ideen er kam."

„Na klasse", sagte Lance resigniert „Ich hätte dich nicht gehen lassen sollen. Ist das Schwein wirklich tot? Sag nicht vielleicht, sonst raste ich komplett aus. Ist er wirklich tot? Merlin wusste es nicht mit absoluter Gewissheit."

Arthur drehte sich um zu ihm und nickte.

„Ja."

„Und wie? Du konntest ihn ja schlecht töten mit einem Schwert im Herzen. Starb er durch das Dynamit? Hast du seine Leiche oder das was übrig war gesehen?"

Lance traute dem Dreckskerl wahrlich zu, das er nach Sevilla kam, um Arthur zu holen. Jetzt da er anscheinend mit Bestimmtheit wusste, wo er sich aufhalten würde. Niemand sprach ihn je so an wie Arthur und Lance war sich sicher, das er ihn nie wieder hätte gehen lassen, wenn das alles nicht passiert wäre.

„Nein, Sethos hat ihn getötet. Mit meinem Silberschwert hatte er sein Herz zerfetzt."

„Was?", schrie Lance schon wieder völlig überrascht „Wie kommt denn Sethos nach Moskau? Jetzt bin ich wirklich verwirrt."

Lance hatte den alten Vampir damals mit Arthur getroffen und wusste, das er sehr mächtig war. Seine Macht hatte ihm damals fast den Atem geraubt, als sie über ihn schwappte, bildlich gesprochen. Der attraktive, ägyptische Vampir war so alt wie geheimnisvoll und Lance konnte sich keinen Reim darauf machen, wieso er in Moskau war. Er wusste, das Sethos Alexej abgrundtief hasste und versucht hatte, ihm das Handwerk zu legen. Doch die Gilde fand nie einen Beweis für seine Grausamkeiten. Alle seine Anhänger schwiegen und die Opfer waren entweder tot oder so traumatisiert, das sie nicht mehr klar waren. Dazu kam, das Tatjana seinen Rücken frei hielt. Alle wussten, das er Zeugen eliminierte, aber nie war ihm etwas nachzuweisen.

„Es ist ein Wunder gewesen, das er dort auftauchte und mich gerettet hatte, zum richtigen Zeitpunkt", er zögerte „Und bevor Alexej mir das Herz mit dem Silberdolch herausschneiden wollte. Vielleicht war es Schicksal, das wir ihn in Prag getroffen hatten, sonst wüsste er nicht, was wir vorhatten."

Lance schenkte sich noch Wodka ein und stöhnte.

„Du lieber Himmel. Nicht vorzustellen, wenn er nicht gekommen wäre. Was hat er getan?"

Arthur schüttelte den Kopf.

„Ich weiß es nicht. Ich war zu dem Zeitpunkt schon besinnungslos. Der Blutverlust und die Wunden mit Silber setzten mir sehr zu."

„Er hat dich gefoltert, während du hilflos am Boden lagst? Mit einem Silberdolch?", fragte er geschockt „Was hat er getan? Du erzählst mir jetzt von Anfang an, was passiert ist. Vorher gehe ich nicht."

Und Arthur begann zu erzählen von dem Tag an, an dem sie Sethos in dieser Bar trafen. Lance würde nicht eher Ruhe geben, das wusste er nur zu gut.



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Doch Lance sprang wieder zornig auf, als Arthur erzählte, wie schwer er ihn verletzt hatte, als er hilflos am Boden lag. Und das mit einem Silberdolch.

„Verdammter Bastard! Wenn er nicht schon tot wäre, würde ich das selbst tun. Und ich würde..."

Er verstummte und fuhr herum.

„Warte mal. Er hatte dich mit Silber so schwer verletzt? Du sagtest, das er dir die Wangen aufgeschlitzt hatte und dir ein paar Mal den Dolch in den Körper trieb, bis du besinnungslos warst?"

Arthur nickte und Lance kam näher, begutachtete seine Wangen. Keine Narben, nichts. Und dann wurden seine Augen groß und Arthur lächelte wissend, als er sagte.

„Sethos gab mir viel Blut von sich."

„Er ist über viertausend Jahre alt", sagte Lance ehrfürchtig.

Er kannte Sethos. Der ägyptische Vampir war so attraktiv wie geheimnisvoll. Niemand wusste wirklich, wie alt er war und niemand wusste, was er für Fähigkeiten hatte. Der Vampir hielt sich verdeckt, was seine privaten Dinge anging.

„Ja und sehr mächtig. Ich weiß es, denn..."

„Du hast ein Teil seiner Fähigkeiten übernommen, als du sein Blut getrunken hast, ja? Welche?", fragte er neugierig.

Arthur grinste.

„Ich kann fliegen."

„Im Ernst?"

Er nickte.

„Was denkst du denn, wieso ich so schnell hier war."

„Was noch?"

„Telekinese."

„Ach was."

Arthur streckte die Hand aus und die Flasche Bourbon auf dem Tisch kam in seine Hand geschwebt. Er lachte, als er das Gesicht von Lance sah, der ihn entgeistert anschaute.

„Und die Zeit beherrsche ich auch. Wir haben geübt und das nicht wenig. Glaube mir, es war mörderisch und Sethos erbarmungslos. Doch es hatte sich bezahlt gemacht."

„Und du warst die ganze Zeit bei ihm?"

Arthur nickte.

„Ja, er wohnt sehr luxuriös und abgeschieden. Aber frag mich nicht, ich habe es ihm versprochen, das ich nicht sage, wo er wohnt. Und jetzt kommt das Tollste überhaupt. Wir stammen von Sethos Blutlinie ab. Der Vampir der uns verwandelt hatte, war ein Meistervampir von Sethos. Er ist unser Ahnherr und wir gehören zu ihm."

„Ist nicht wahr? Echt jetzt?", sagte Lance erfreut. Er mochte Sethos." Das ist wirklich toll, nun...ich denke, wenn ich wählen dürfte, hätte ich ihn gewählt und..."

Lance hob die Hand, als hätte er eine Erleuchtung.

„Deshalb hat er dich gerettet. Weil du zu ihm gehörst. Na hoffentlich kommt das nicht raus, wegen der Gilde."

„Nein", sagte Arthur „Es lebt niemand mehr, der ihn gesehen hat und wir werden eher sterben, als etwas zu sagen."

Lance nickte und Arthur stand auf, kam zu ihm und blieb vor ihm stehen.

„Ich muss Merlin sehen."

Lance sah nach oben, es war kurz vor Sonnenaufgang.

„Die Sonne geht bald auf. Du musst warten bis heute Abend", er musterte Arthur einen Moment und stellte fest „Du liebst ihn, nicht wahr? Deshalb wolltest du ihn retten."

Arthur nickte, doch er sagte.

„Ja, mehr als ich dir sagen kann. Ich liebe und begehre ihn. Doch es ist sinnlos. Merlin liebt mich nicht. Ich bin ein Vampir und das wird immer zwischen uns stehen. Und wir hatten eine Abmachung. Waffenstillstand, bis Alexej tot ist. Und nun ist er es und ich denke, das unsere Zusammenarbeit beendet ist."

Lance sagte nichts dazu. Er wusste aus Merlins eigenem Mund, das es nicht so war. Arthur würde eine Überraschung erleben. Er war der Meinung, das es ihm nicht zustand, sich da einzumischen. Die beiden sollten allein zueinander finden. Und außerdem wollte er seinem besten Freund die Freude seines Lebens nicht vermasseln. Stattdessen zog er Arthur schweigend und ergriffen in seine Arme und sagte leise und glücklich.

„Ich bin so froh, das du lebst, Arthur. Und ich schäme mich nicht, dir zu sagen, das ich durch den Wind war, als ich von deinem Tod erfuhr. Ich liebe dich und bilde dir nur nichts darauf ein, du blonder, sturer Mistkerl. Und wage es nie wieder, mir so einen Schrecken einzujagen. Ich dachte wirklich, das ich jetzt allein wäre."

Wieder küsste er Arthur auf die Wangen, der jetzt lachte.

„Was ist denn mit dir los? Du hast mich noch nie umarmt, geküsst oder gestreichelt. Was kommt als Nächstes?"

„Nichts, du Idiot. Ich mag nicht unbedingt Männer in meinem Bett, das weißt du. Und wenn, dann wärst du der Letzte. Das wäre, als würde ich mit meinem Bruder schlafen."

„Nun, das weißt du nicht, wenn du es nicht ausprobierst, mein Süßer", sagte Arthur amüsiert und zog ihn auf. Er selbst könnte sich das beim besten Willen nicht vorstellen, mit Lance zu schlafen.

Arthur lachte, als er das Gesicht von Lance sah und der ihn nun auf seinen Arm knuffte.

„Dir scheint es ja gut zu gehen, wenn du mich aufziehen kannst", sagte er belustigt.

Er war so glücklich, so unendlich glücklich, das Arthur lebte. Und vielleicht hatte Maria recht. Vielleicht war da eine klitzekleine Hoffnung, das alles gut werden würde. Doch Arthur war erschöpft und musste ruhen. Lance konnte sich nicht vorstellen zu fliegen, doch das war bestimmt anstrengend und Arthur sah müde aus.

„Geh ruhen. Du siehst beschissen aus."

Der blonde Vampir nickte.

„Ja, aber ich werde noch ein Bad nehmen."

„Hast du getrunken?"

Wieder nickte er.

„Bevor ich nach Hause kam."

„Dann bis heute Abend", sagte Lance und ging hinaus.

Arthur nahm ein Bad und schloss seine Augen. Er konnte nicht warten, Merlin zu sehen. Doch es war Tag und er musste warten. Merlin lebte und war gut in Sevilla angekommen. Mehr wollte Arthur nicht. Nein, das stimmte nicht. Er wünschte sich so, das Merlin ihn lieben würde.

Doch das würde nie passieren. Vielleicht sah er ihn jetzt wieder mit anderen Augen. Die Mission war vorbei und sie gingen getrennte Wege. Vielleicht würde Merlin wieder Jagd auf ihn machen, aber das konnte er sich nicht vorstellen. Doch er würde wahrscheinlich nie zu seinem Freundeskreis gehören. Er war ein Vampir und Vampire töteten seine Familie. Er würde ihn immer daran erinnern.

Nein, er sollte sich keine Hoffnungen machen. Doch er wollte ihn nur noch ein einziges Mal sehen. Gewissheit haben, das es ihm gut ging. Dann würde Arthur sich zurückziehen, für immer. Merlin hatte ein Leben verdient. Ein Leben, in dem er glücklich war und mit Menschen zusammen, die er mochte.

Arthur konnte ihm nur Dunkelheit und ein Leben im Schatten bieten und er liebte ihn genug, um ihm das nicht anzutun.



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Merlin saß in seinem Arbeitszimmer auf dem Sofa und versuchte ein Buch zu lesen. Es waren jetzt mehrere Wochen vergangen, er wusste nicht mehr, wie viele. Doch es schien ihm, als wäre es gestern gewesen. Und immer noch versuchte er herauszufinden, was er falsch gemacht hatte. Als ob das eine Rolle spielte, es war vorbei und geschehen. Vielleicht erhoffte er sich Absolution, Freisprechung von seinen Schuldgefühlen, die an ihm nagten. Wenn er nur herausfinden könnte, das er es nicht anders hätte machen können.

Doch Arthur im Stich zu lassen und zu fliehen, wenn er es auch nicht freiwillig getan hatte, sprach ihn von nichts frei. Er hatte ihm so oft das Leben gerettet und er war geflohen. Das nagte sehr an Merlin und der furchtbare Kummer, etwas verloren zu haben, das er zu spät zugelassen hatte. Er dachte an den Moment, als er mitten auf der Straße stand und er den Revolver zog.

„Verschwinde, bevor ich dir eine Kugel verpasse", hatte Merlin gesagt und Arthur hatte geantwortet.

„Das wäre weiter nicht schlimm, nur meine Kleider wären dann voller Blut."

Merlin lächelte wehmütig, anhand dieser Erinnerung. Diese Aussage war so typisch Arthur und ja, eine Kugel konnte ihm nichts anhaben. Er seufzte und versuchte sich wieder auf das Buch zu konzentrieren. Er würde sich nur selbst quälen mit den Erinnerungen. Er sollte Arthur loslassen, ihn ruhen lassen. Doch der Gedanke daran verursachte in ihm ein Chaos und er stand auf und goss sich einen Brandy ein.

Merlin hatte Angst, Arthur zu vergessen. Zu vergessen wie er aussah und redete. Und seine ganze Art, die liebevolle Blicke und seine Verführungskünste. Er liebte ihn und ihn loszulassen, bedeutete ihn zu vergessen. Aber Merlin wollte nicht vergessen. Das war seine Buße, sich zu quälen, das er sein Glück mit den Füssen getreten hatte.

Und Arthur im Stich gelassen hatte und er alleine starb.

Maria kam herein und war nicht begeistert, das er schon wieder ein Glas in der Hand hatte. Sie schüttelte den Kopf.

„Merlin, du hast mir doch versprochen, nicht mehr so viel zu trinken. Was ist denn nur mit dir los? Seit du zu Hause bist, benimmst du dich seltsam."

Er drehte sich um und schaute auf sein Glas.

„Ja, hast ja recht, Maria. Tut mir leid."

Sie lächelte und kam auf ihn zu, nahm ihm das Glas aus der Hand. Das Personal war damit beschäftigt, das Haus weihnachtlich herzurichten. Maria liebte es, alles festlich zu schmücken. Noch vier Tage bis Weihnachten. Merlin dachte mit Schrecken daran. Er war nicht in der Stimmung zu feiern. Am liebsten würde er allein sein und sich einsperren, doch das konnte er Maria nicht antun. Sie war alles, was er an Familie hatte.

„Am Samstag ist der Weihnachtsball. Weißt du schon, was du anziehen wirst?", fragte sie ihn, doch dann hob sie die Hand „Und eine Woche später der Silvesterball. Ich freu mich immer auf diese Zeit. Zwei Bälle und tanzen im Übermaß."

Oh Gott, der beschissene Weihnachtsball und auch noch Silvester? Merlin fluchte innerlich. Alles in ihm sträubte sich, dort aufzutauchen, doch als er in die strahlenden Augen von seiner Schwester sah, wusste er, das er nicht absagen konnte. Das würde ihr das Herz brechen. Maria tanzte für ihr Leben gerne und wollte keine Gelegenheit auslassen. Na, prima! Er war alles andere als in Partylaune.

„Wie immer", antwortete er und ließ sich seinen Frust nicht anmerken „Männer machen sich da nicht so viele Gedanken deswegen. Hauptsache, das du weißt, was du anziehst."

„Ich wollte ursprünglich in Grün gehen", sagte sie „Doch ich werde ein wunderschönes, rotes Kleid anziehen, auf das so gut die schöne Halskette mit den Rubinen passt, die du mir mitgebracht hast. Und zum Jahresende..."unterbrach sie sich „Okay, das weiß ich noch nicht so genau."

Merlin hatte sie in Mailand gekauft und die goldene Halskette mit den blutroten Rubinen stach ihm sofort ins Auge. Sie war sehr schön mit großen Steinen und dementsprechend kostspielig gewesen. Doch Merlin dachte an Arthur, als er die roten Edelsteine sah. Rot wie Blut, das Arthur so begehrte und erinnerte ihn an die Hütte auf dem Berg, als er Arthur sein Blut gab.

Er lächelte.

„Ist doch toll. Du wirst eh die Schönste auf dem Ball sein."

Ja, dachte sie. Ich werde schön für Lance sein, denn sie rechnete damit, das er auch kam.

Sie hängte sich bei Merlin ein.

„Und? Was wünschst du dir zu Weihnachten, Merlin?"

Er zuckte die Schultern und tippte ihr sanft auf die Nase. Wenn Maria nicht wäre, die so viel Lebensfreude versprühte, dann wüsste er nicht, was er tun sollte. Sie hielt ihn mit ihrem Tatendrang etwas über Wasser.

„Weiß nicht, Schwesterlein. Ich lass mich überraschen."

Sie lachte und ging zur Tür.

„Ich weiß ja, das du Überraschungen liebst, obwohl du neugierig bist. Du hast früher immer das Haus auf den Kopf gestellt und die Geschenke gesucht, doch nie gefunden", sie winkte amüsiert ab „Okay, ich werde mit der Köchin das Essen für die Feiertage zusammenstellen. Bis nachher."

Dann war sie weg und Merlin steckte die Hände in seine Taschen und ging zum Fenster. Langsam ging die Sonne unter und tauchte das Land in einen rot goldenen Schimmer. Merlin seufzte leise und sah über das Land, ohne es wirklich zu sehen. Sein sehnlichster Wunsch würde sowieso nie in Erfüllung gehen. Der Wunsch in der Zeit zurückzugehen und diese Reise nicht zu machen. Arthur würde noch leben, wenn er nicht nach Moskau gegangen wäre.

Alles wäre anders gekommen, doch vielleicht hatte es so sein sollen. Und plötzlich wurde ihm etwas klar, das er die ganze Zeit nicht gesehen hatte.

Wahrscheinlich hätte er Arthur eines Tages getötet, wenn sie nicht gemeinsam diese Reise gemacht hätten. Mit Sicherheit hätte er weiter gejagt und nicht geruht, bis er ihn hatte. Oder Arthur wäre weggezogen, um Ruhe zu haben.

Er lachte leise und freudlos.

Ohne diese Reise hätte er Arthur nie so kennengelernt und sich in ihn verliebt und mit der Reise hatte er ihn verloren. Man konnte es drehen und wenden wie man wollte. Diese verfluchte, scheiß Reise hatte er machen müssen, um die Liebe zu finden und um sie wieder zu verlieren. Und wäre das nicht so gewesen, würde er immer noch jagen und verbittert sein. Verbittert?

Gab es eine Steigerung zu verbittert? Denn er fragte sich gerade, wie er jetzt fühlte. Super verbittert oder unendlich verbittert? Er wusste es nicht.

Das Schicksal konnte erbarmungslos sein und hatte sehr viel Sinn für grausame Spiele.

Doch er wollte Maria nicht den Weihnachtsabend ruinieren. Sie freute sich so darauf. Und auf den Ball, nein zwei, an die er mit Schrecken dachte. Wäre nur schon alles vorbei.

Die Bälle würden am Samstag sein, einen Tag vor Weihnachten und eine Woche darauf. Und alles was Rang und Namen hatte würde anwesend sein. Die Herren und Damen der gehobenen Gesellschaft, die wieder ein Ereignis in ihrem Leben hatten. Merlin ging zum Tisch und nahm das Glas Brandy, das Maria ihm aus der Hand genommen hatte. Er schaute darauf und zögerte, dann stellte er es wieder auf den Tisch. Maria hatte recht, er sollte mit dem Trinken aufhören. Der Kummer konnte er damit betäuben, doch am nächsten Tag war er wieder da und das stärker wie zuvor.

Verfluchte Scheiße! Er musste sich in den Griff bekommen, denn sein Leben ging weiter.


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Nachdem Maria sich zur vorgerückten Stunde in ihr Zimmer zurückzog, ging Merlin in sein Arbeitszimmer. Die Post lag immer noch ungeöffnet auf seinem Tisch und er schaute sie desinteressiert durch. Ein Brief aus Italien lies ihn innehalten. Er schaute auf den Absender. Sergio. Merlin öffnete ihn und las die Zeilen.

Merlin, mein Freund.

Es ist schon eine Weile her, das wir von dir hörten. Bin im Moment noch bei meiner Familie in Sizilien. Habe Nachricht von Hennessy und Leo aus Deutschland. Wir werden uns nach Weihnachten in Madrid treffen und würden uns sehr freuen, wenn du auch kommen würdest. Leo sagt, das dort Vampire hausen. Wäre doch schön, wenn wir drei mal wieder zusammen jagen würden und natürlich feiern. Wir werden zwei Wochen nach Weihnachten aufbrechen und werden in unserem gewohnten Hotel sein. Wäre schön, dich zu sehen.Und schöne Weihnachten.

Sergio.

Merlin legte den Brief auf den Tisch. Zusammen jagen? Er war nicht interessiert und vom Reisen hatte er im Moment genug. Es schien ihm, als wäre das ein anderes Leben gewesen, als er mit seinen Jägerfreunden auf die Jagd ging. Es kam ihm so vollkommen unwirklich vor. Seine Einstellung dazu hatte sich geändert. Arthur hatte eigentlich recht gehabt, das es sinnlos wäre, sie alle zu jagen und sich unnötig in Gefahr zu begeben. Er fragte sich sowieso, ob die Menschen es wert waren gerettet zu werden. Mehrere Male hatte seine eigene Spezies versucht ihn umzubringen.

Er ging zur Bar und schenkte sich Brandy ein. Scheiß drauf! Er trank das Glas leer und schleuderte es an die Wand. Es gab ein klirrendes Geräusch, als das Kristallglas in mehrere Teile zerbrach. Er war wütend und kicherte sarkastisch vor sich hin. Langsam wurde er verrückt, mit Sicherheit. War das nicht das zweite Stadium der Trauerbewältigung? Merlin erinnerte sich, das seine Mutter mal darüber gesprochen hatte. Was kam danach? Kummer, Zorn, Resignation und letztendlich würde er wahnsinnig werden? Er schaute aus dem Fenster, es war dunkel draußen, die Tage waren kürzer. Winterzeit.

Es klopfte an die Tür und Merlin fuhr genervt herum.

„Ja!", sagte er herrisch und zornig.

Ein Bediensteter kam herein und Merlin sagte aggressiv.

„Was ist denn? Sagte ich nicht, das ich nicht gestört werden will."

„Verzeihung, Senior", antwortete der Diener unterwürfig und hielt ihm ein Briefkuvert entgegen „Das hier lag auf der Türschwelle. Die Nachricht ist an sie gerichtet. Der Verwalter hatte ihn gefunden, als er das Haus verließ."

Merlin nahm das Kuvert und der Diener verschwand. Erst dann schaute er auf den Brief. Er war an Conte Merlin del la Vega gerichtet und die Handschrift wirkte elegant. Er öffnete den Brief und faltete ihn auseinander.

Jetzt, da meine Zeit angebrochen ist und mein dunkler Verbündeter seine schützende Arme über mich hält, möchte ich dich sehen, Jäger. Da ich nicht zu dir hineinkommen kann, musst du schon zu mir nach draußen. Oder wagt der Jäger nicht aus dem Haus bei Nacht zu gehen? Na, was ist?

Merlin runzelte die Stirn. Kein Absender und keine Unterschrift. Seltsam, auch der Wortlaut, fast spöttisch. Klar war, das es sich nicht um einen Menschen handelte. Allein schon, weil er ihn als Jäger bezeichnete. War das da draußen Lance und ist er jetzt verrückt geworden? Anscheinend war er betrunken, als er den Brief schrieb. Was wollte er schon wieder? Über Arthur reden?

Merlin fluchte. Er wollte die Sache abhaken, doch anscheinend wurde er immer wieder daran erinnert. Vielleicht wollte Lance nur reden, um sich besser zu fühlen. Merlin wusste, das er auch trauerte. Arthur war sein Freund über eine lange Zeitspanne gewesen, die Menschen nicht nachvollziehen konnten.

Verflucht, er wollte nicht wieder reden. Das tat so weh, das er sich wieder betrinken musste. Mit dem Brief in der Hand ging Merlin zum Fenster und schaute hinaus. Drüben am Tor stand jemand und hatte sich lässig an die Mauer gelehnt. Ein Vampir und mit Sicherheit wieder Lance. Merlin hatte ihn beim ersten Mal auch am Tor getroffen.

Doch etwas machte ihn stutzig. Die Art, wie er so lässig an der Wand lehnte. Lance hatte ihn aufgesucht, doch Merlin bemerkte die Anspannung des Vampirs, als er näher kam. Lance würde nie so lässig dort stehen, denn Arthur erzählte ihm, das er immer sehr vorsichtig und auf der Hut war. Doch wer stand dann am Tor?

Ein unmöglicher Gedanke kam ihm und sein Herz klopfte schneller, als er den Mann, der in Schatten gehüllt war dort stehen sah. Er ging näher zur Scheibe und versuchte etwas zu erkennen. Doch so sehr er sich anstrengte, er erkannte nichts. Doch sein Herz wollte unbedingt daran glauben, doch sein Kopf sagte etwas anderes. Unmöglich! Er konnte es nicht sein und doch schlug sein Herz schneller.

Er schüttelte über seine utopischen Gedanken den Kopf. Er konnte es nicht sein. Arthur war tot! Und doch schwankte er zwischen „völlig idiotisch, so was zu denken" und zwischen etwas, was man „ eine unmögliche Hoffnung" nannte.

Nein, er bildete sich das ein oder schlimmer noch. Er war eingeschlafen und träumte. Unbewusst kniff er sich in seinen Arm, es tat weh. Also war er wach. Wieder las er die Zeilen, seine Hand zitterte.

„Unmöglich", flüsterte er wieder leise „Merlin, du wirst verrückt. Das kann nicht sein."

Er schaute nochmal aus dem Fenster, der Vampir stand immer noch dort. Wie in Trance ließ er den Brief fallen und ging zur Tür. Er durchquerte die Halle und steuerte den Eingang an. Ein Diener rief ihm nach.

„Senior? Ihr Mantel. Es ist kalt heute Abend."

Doch Merlin reagierte nicht und ging weiter und hinaus aus der Tür. Mit Schritten, die immer schneller wurden, lief er die lange Auffahrt zum Tor hinauf. Sein Herz klopfte wie verrückt, als er sich der Gestalt näherte und versuchte sich zu wappnen, wenn diese „unmögliche Hoffnung" sich in Rauch auflösen würde.

Er ist es nicht. Er kann es nicht sein. Merlin, sei vernünftig. Er ist es nicht. Unmöglich! Er ist tot!

Diese Gedanken wirbelten durch seinen Kopf, als er weiterging. Zum Tor, das unendlich weit weg schien. Die Gestalt war wie mit den Schatten verschmolzen, doch als Merlin endlich das Tor erreichte, bewegte sich die Person und trat etwas aus dem Schatten.

Merlin vergaß zu atmen, sein Herz raste und klopfte ihm im Hals. Nichts existierte mehr, als er die hellblonde Haare und ein Hauch von einem spöttischen Lächeln sah. Und diese Stimme, die ihm so vertraut war, wie alles an dem Mann, der jetzt genauso spöttisch sagte.

„Hallo...Jäger!"

Merlin blieb abrupt stehen, starrte diese Person an, als würde der Teufel vor ihm stehen oder eine Halluzination oder er wurde jetzt verrückt. Jetzt, in diesem Moment, denn kein anderer stand vor ihm als...

Arthur.

Dunkles SchicksalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt