Dunkles Schicksal
Kapitel 68
Arthur saß auf dem Boden seines dunklen Zimmers. Noch immer war er nur mit einer Hose bekleidet, weil die Hemden gleich feucht von der übelriechenden Flüssigkeit wurden. Er saß auf einer Decke, auf der er auch schlief. Selbst das Bett war nach seiner Ruhephase feucht. Lance oder Noel brachten ihm regelmäßig Blut, das er trank, doch er hatte keinerlei Ambitionen hinauszugehen. Wenn er in den Spiegel sah, kam meistens ein klagender Laut aus seinem Mund, deshalb tat er das auch nicht mehr.
Doch er hatte viel Zeit zum Nachdenken. Einst war er ein mächtiger Vampir gewesen, stolz der Anführer eines Clans. Mächtig war er immer noch, doch stolz nicht mehr. Er hatte alles falsch gemacht, was er falsch machen konnte. Und er konnte seinen Gefährten nicht spüren. Merlin war spurlos von seinem Vampir Radar verschwunden.
Und er stellte wehmütig fest, das Sethos recht hatte. Merlin war sehr mächtig als Hexer.
Wieso hatte er ihn nie danach gefragt? Er wusste, das etwas nicht mit ihm stimmte, schließlich alterte er nicht. Merlin war unsterblich, etwas was Arthur sich so sehr gewünscht hatte. Deshalb hatte er Merlin letztendlich dazu getrieben, ein Vampir zu werden, doch das hatte sich jetzt erledigt. Zum ersten Mal seit er herausgefunden hatte, das Merlin nicht älter wurde, fragte er sich, wieso er jetzt ein Hexer ist. Doch er war nicht mehr da, um ihm zu antworten.
Eine der Blasen platzte auf und die gelbliche Flüssigkeit rann über seinen Bauch. Bald musste er wieder die Hose wechseln; sie war schon feucht im Schritt. Seinen Penis konnte er gar nicht anschauen, selbst für ihn war der Anblick furchtbar. Sechs Monate war er schon von diesen schrecklichen Beulen gezeichnet, doch er wagte Lance nicht zu fragen, ob er mit Maria geredet hatte.
Was soll es auch? Er hatte es verdient. Und er konnte sie nicht mal hassen, denn er konnte Maria verstehen. Jetzt, da er viel nachgedacht hatte. Er hatte Merlin fortgejagt und damit ihr den Bruder genommen. Merlin streifte durch die Welt, auf der Flucht vor ihm. Toll! Hat er ganz prima hinbekommen. Warum war er nicht imstande, Sethos die Wahrheit zu sagen? Sethos. Ja. Er war mehr als nur sauer; er dachte darüber nach, Arthur zu töten. Hätte er es nur getan. Alles besser als das hier und langsam machte ihn die Einsamkeit verrückt.
Er seufzte leise vor sich hin. Schmerzen hatte er keine. Die Beulen taten nicht weh, doch diese ganze Sache war dermaßen ekelerregend. Arthur ekelte sich vor sich selbst. Er hatte gebadet, nur damit er etwas später wieder von der ekligen Flüssigkeit überzogen war.
Aber warum regte er sich so auf? Sein ganzes Leben lang hatte er nur Scheiße erlebt. Er wurde gequält, gedemütigt und nun auch verachtet. Das engelsgleiche Gesicht von Alexej tauchte vor ihm auf, der ihn angrinste und sofort fielen ihm schlimme Dinge ein. Er hörte sein widerliches Stöhnen, als er ihn die ganze Nacht fickte, spürte fast wie das Blut seinen Körper hinablief, während er das tat. Sah sein schönes Gesicht, das mit seinem Blut bespritzt war und die Geilheit in seinen Augen. Fast körperlich spürte er die unsagbaren Schmerzen an seinem Körper. Und all das kam ihm in den Sinn.
Arthur stöhnte auf, als er daran dachte, das Alexej ihn zwang, Kinder auszusaugen und ihre Mütter. Auch vor schwangeren Frauen machte er nicht halt. Als Arthur sich weigerte, zog er ihm die Haut von seinem Penis und Arthur verlor vor Schmerzen sein Bewusstsein. Doch das hielt Alexej nicht auf. Wieso kam das jetzt alles in seinen Kopf? Er wollte das vergessen, doch es saß in ihm wie ein schwarzes Geschwür und zwang ihn dazu, sich zu erinnern. Oder war es Alexej selbst, der ihn wohl nie loslassen würde.
Warum? Wahrscheinlich, weil Alexej sein Anblick gefallen würde und er ihn trotz das er so ekelhaft aussieht, ihn gefickt hätte. Er stand auf all diese Dinge.
„Arthur...lass uns spielen."
Arthur zuckte zusammen. Er hörte Alexej, denn das sagte er immer, wenn er ihn in seine Kammer führte und ihn festkettete, nachdem er sich ausgezogen hatte. Nein, er war tot. Wurde er jetzt verrückt? Oder hatte er letztendlich doch überlebt. Sethos sagte nein, aber was wäre wenn er gelogen hatte? Er würde Arthur nie loslassen, würde ihn wieder quälen. Er zwang sich zur Ruhe, doch...
„Arthur...Was hältst du von meiner neuen Peitsche?"
Das fragte er Arthur immer, wenn er ihm die Haut von seinem Rücken geschlagen hatte und er sagen musste, das sie toll ist. Sonst hätte er nicht aufgehört.
„Geh weg...Du bist tot", rief er.
„Spürst du mich?"
Wenn er ihn unendlich oft schon genommen hatte, wild und brutal in seinen schon verletzten Intimbereich und Arthur vor Schmerz aufschrie.
„Nein, geh weg...Geh weg. Du bist nicht real", schrie er „Du bist tot."
Er hörte das Pfeifen der Peitsche, bevor sie auf seinen Rücken traf und blutige Streifen hinterließ. Er hörte das Zischen der glühenden Nadeln, die auf sein empfindliches Fleisch trafen. Arthur sprang auf und hielt sich die Ohren zu, schrie.
„Nein...Nein. Aufhören...Aufhören!"
Die Tür wurde aufgerissen und Lance stürmte hinein. Noel hinter ihm und rief.
„Arthur, was ist denn los?"
„Er soll weggehen. Bitte, er soll weggehen", jammerte er „Ich kann...das nicht wieder ertragen."
„Wer?"
„Er ist wieder da und will mich holen. Bitte, er darf mich nicht bekommen. Bitte."
„Wer denn, Arthur?", fragte Lance besorgt und sah sich um, aber da war niemand.
„Alexej...Er kommt. Er kommt mich holen."
Lance sah zu Noel, der genauso verwirrt dreinschaute wie Lance, der jetzt sanft sagte.
„Er ist tot, Arthur. Tot und zu Staub zerfallen."
Dieser schüttelte heftig den Kopf.
„Nein, er spricht mit mir. Er ist da. Lass mich nicht allein, dann kommt er wieder."
Lance fuhr sich durch sein Gesicht und nahm Luft. Maria und er hatten recht. Diese Sache hatte er nicht verarbeitet, sondern nur verdrängt. Und nun, da er hier schon ein halbes Jahr in absoluter Einzelhaft sozusagen lebte, in einem dunklen Zimmer, das sehr schlimm roch, so wie Arthur selbst, wurde er jetzt verrückt? Oder war das der Zeitpunkt, das Arthur diese Geschichte endlich erzählte und damit hoffentlich abschloss. Anscheinend hatte die Einsamkeit das alles wieder nach oben gebracht und Arthur schien zu fantasieren, denn Alexej war und blieb tot.
„Arthur", fragte Lance vorsichtig „Willst du mir nicht erzählen, was er dir angetan hat? Denn wenn du mir das erzählst, wird er für immer verschwinden."
Er schüttelte den Kopf.
„Nein."
„Warum denn nicht, Arthur? Teile deinen Schmerz mit mir. Ich bin dein bester Freund."
„Ich...Ich schäme mich. Er hat sehr schlimme Dinge getan und ich...", er schluchzte auf „Ich konnte nicht dagegen tun."
„Das weiß ich doch, Arthur. Erzähle es mir. Ich werde dir da durchhelfen, damit du das endlich vergessen kannst."
Lance trat auf ihn zu und berührte ihn an seiner Schulter. Es war ekelhaft, die Beulen zu spüren und die Feuchtigkeit, doch er tat es trotzdem. Er hatte geschworen, das er seinem Freund jetzt beistehen würde, egal was passierte und egal wie er im Moment aussah.
„Ich werde dir immer beistehen, egal was du tust oder was du erlebt hast. Rede mit mir. Bitte."
Er sprach sehr sanft und Arthur sah ihn an, seine Augen so unendlich traurig und auch der Schmerz und die Pein standen darin, gepaart mit Angst, das Alexej doch auftauchte.
„Wirklich?"
Lance nickte.
„Wirklich. So wahr wie ich hier stehe. Ich werde dich nie wieder im Stich lassen."
Nach unendlich langer Zeit nickte Arthur langsam und fragte.
„Wird er dann verschwinden?"
„Ja, für immer."
„Und du wirst nicht angewidert davonrennen?"
„Niemals. Du kannst mir alles sagen", antwortete Lance „Ich werde dich nie mehr allein lassen."
Schuld hörte man aus Lances Worten, das sogar Noel auffiel. Er wusste, das Lance sich die Schuld gab, das Arthur nach Moskau ging. Denn er war der Meinung, das Arthur Alexej nie kennengelernt hätte, wäre er nicht abgehauen. Doch dann wäre er immer noch am Leben und würde weiter quälen. Alles hatte einen Grund im Leben; ein Ereignis zog das andere nach. Vielleicht musste Arthur dieses Opfer bringen, so das Alexej getötet werden konnte. Und nun würde er seinem Freund helfen.
Arthur sah zu Noel und Lance nickte ihm nur zu. Der junge Vampir verstand und ging hinaus, schloss die Tür. Die beiden verstanden sich meistens ohne viel Worte. Seit Arthur hier unten fest saß, kümmerte sich Lance um den Clan und Noel half ihm sehr. Arthur wurde etwas entspannter, jetzt da der junge Vampir gegangen war. Lance ließ ihm Zeit, sich zu sammeln und drängte ihn nicht. Arthur schaute ihn nach einer Weile an.
„Du wirst bleiben, egal was ich dir erzähle?"
„Ich werde bleiben, solange du das willst."
„Und du wirst mich nicht mit anderen Augen ansehen?"
„Nein, denn du warst das Opfer, nicht der Auslöser dieser Geschichte. Du bist und wirst immer mein bester Freund sein, egal was du sagst."
Arthur nickte leicht und dann begann er zu erzählen, erst stockend. Von dem Moment an, da er in diesen Clan nach Moskau kam. Und dann wurde es richtig schlimm, so das Lance öfter kurz die Augen schloss, um die Fassung zu behalten. Und Zorn überkam ihn so heftig, das er sich wünschte, er hätte Alexej in dieser Kammer. Doch anstatt besser, wurde Arthurs Erzählungen immer grausamer. Er schaute Lance nicht an; er schämte sich, als er in allen Einzelheiten Lance erzählte, was dieser Teufel getan hatte. Es war unbeschreiblich und Lance fragte sich wieder, wie er das überstanden hatte und einigermaßen...in Anführungsstrichen...normal geblieben war. Andere wären vielleicht ein gebrochenes Häufchen gewesen, die Sinnloses vor sich hin geplappert hätten. Lance hatte solche Verrückten schon gesehen, die ein nicht wiedergutzumachendes Trauma hatten.
Arthur hatte die schlimmste Hölle hinter sich, die überhaupt jemand ertragen musste. Er hatte sich schon so manches Schreckliches gedacht, doch Arthurs Erzählungen übertraf seine Vorstellungen bei weiten. Wahrscheinlich, weil sich Lance nicht vorstellen konnte, so grausam zu sein. Während Arthur erzählte, versuchte Lance sich das nicht bildlich vorzustellen, doch das klappte nicht sehr gut.
Du lieber Gott!
Als der blonde Vampir mit seinen Erzählungen zu Ende war, hob er vorsichtig den Blick, suchte im Gesicht seines Freundes Anzeichen von Ekel und Abscheu. Doch da war nur Lance mitleidvoller Blick, als er sagte.
„Oh, Arthur...Ich hatte keine Ahnung."
„Ich wollte das nicht und ich hatte keine Chance, das..." Seine Stimme versagte und er schluchzte auf.
„Ich habe mir so oft gewünscht, das du kommst und mich da heraus holst. Das du mich suchst und..."
Arthur schluchzte wieder auf und Lance wischte allen Ekel ab, ging auf ihn zu und nahm ihn in die Arme. Das reichte. Arthur fing an zu weinen und weinte an Lance Schulter. Er schluchzte laut, angesichts diesen schlimmen Dingen und auch seine Situation jetzt. All das Elend und der Kummer kamen an die Oberfläche, suchten sich ein Ventil, um alles loszuwerden. Lance hielt ihn, strich über sein verklebtes, feuchtes Haar und murmelte tröstende Worte.
Er wusste nicht, wie lange er dort stand, mit einem schluchzenden, weinenden Arthur, der sich nicht beruhigen wollte. Doch er würde ihn nicht loslassen, egal wie er roch oder wie sehr er spürte, das seine Kleider feucht von der eitrigen Flüssigkeit wurde.
Er würde seinen Freund nie wieder allein oder im Stich lassen. Nie wieder.
Nach unendlich langer Zeit beruhigte sich Arthur, doch machte keine Anstalten, Lance loszulassen. Es schien, das er sich geborgen und beschützt in Lances Arme fühlte. Und dieser hatte alle Zeit der Welt. Noch immer streichelte er die Haare des blonden Vampirs. Es war unvorstellbar für ihn, was Arthur ertragen hatte und der aufgelöste Vampir fragte an seiner Schulter kleinlaut.
„Und da sind noch die schlimmen Dinge, die ich tat, als ich so böse war. Willst du das auch hören?"
„Wenn du willst...Ja."
Arthur erzählte von seinen Greueltaten, wie er die Menschen zerfetzte und was er mit Tatjana tat und deren Gehilfen. Und auch, was er mit Merlin vorhatte. Als er nichts mehr sagte, sprach Lance.
„Das warst nicht du. Auch das ist die Schuld von Alexej. Du bist auch in dieser Sache das Opfer."
„Wirklich?", fragte er leise.
„Ja. Versuche diese ganze Scheiße jetzt endlich zu vergessen und abzuhaken. Es ist vorbei. Alexej hat seine gerechte Strafe erhalten und alle anderen auch. Er wird dir nie wieder etwas tun. Und ich liebe und bewundere dich, das du das alles ertragen hast. Niemand hätte so viel Mut und Kampfgeist gehabt, das alles so lange zu ertragen. Du bist sehr stark und auch sehr mutig gewesen, mein Freund. Du bist nicht zerbrochen."
„Nicht?"
„Nein, du warst nur nicht ganz du selbst."
„Ich habe Merlin verloren", sagte er und weinte wieder „Der Einzige, der ich je geliebt habe und ich habe ihn so schlecht behandelt. Er wird mir nie wieder verzeihen. Ich bin es nicht wert, geliebt zu werden."
„Das ist Blödsinn", antwortete Lance „Ich habe dich immer geliebt und Noel auch. Er hat dir doch dort sehr geholfen, nicht?"
Arthur war im Moment wie ein Kind, als er schluchzend antwortete.
„Ja."
„Und Merlin wird dir verzeihen, irgendwann. Das hat er doch immer."
„Denkst du; er liebt mich noch?"
„Merlin wird dich immer lieben; er ist nur im Moment sehr verletzt. Gib ihm Zeit."
Arthur nickte an seiner Schulter und löste sich von Lance. Er schniefte, als er sich durch sein verweintes Gesicht fuhr und schaute Lance an.
„Du bist ganz nass von dem Eiter. Es tut mir leid."
„Das macht nichts", sagte Lance „Fühlst du dich besser?"
Arthur nickte.
„Ja. Ich fühle mich...erleichtert. Ich wollte dir das schon so oft sagen, aber...Ich habe mich so geschämt."
Lance nickte wissend. Maria würde eine gute Seelenklempnerin abgeben. Sie hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Lance wusste, das die meisten still litten, weil sie sich niemanden aus Scham anvertrauten und deshalb auf eine gewisse Weise gestört waren. Er hatte nach dem Gespräch mit Maria Bücher gewälzt und sich schlau gemacht. Das was Arthur hatte, war so was Ähnliches wie eine dissoziative Identitätsstörung. Ausgelöst durch extreme Gewalt hatte er sich in mehrere Persöhnlichkeiten gespalten, um diese Gewalt zu überleben.
Anscheinend waren die verschiedenen Persöhnlichkeiten noch aktiv. Arthur legte eine Kaltblütigkeit und Desinteresse an seiner Umwelt dar, das er eigentlich nie war. Es war, als wäre er die letzte Zeit ein anderer Vampir gewesen. Grausam, überheblich und eiskalt, selbst was seinen Gefährten anging. Lance verstand nicht wirklich das Seelenzeug der Menschen und dessen Ärzte. Doch er hatte sich dafür interessiert und gelesen. Wahrscheinlich könnte ein Arzt das besser machen, doch es war unmöglich, Arthur zu einem Menschenarzt zu bringen. Sie würden die oberste Direktive verletzen. Das Geheimnis ihrer Existenz.
Arthur hatte sich so verändert, weil diese ganze Geschichte in ihm war und wie ein dunkler Knoten sich in ihm eingenistet hatte. Und er litt still und heimlich noch unter dieser furchtbaren Vergangenheit. Arthur bemerkte seinen innerlichen Konflikt nicht wirklich, doch über Überheblichkeit und flotten Sprüchen, sowie unmäßiger Sex versuchte er das zu kompensieren, ohne sich dessen bewusst zu sein. Mag ja gut sein, das wenn er mit jemanden schlief, er einen Moment innere Ruhe fand...Erlösung im Taumel der Lust.
Im Grunde genommen war das alles sehr komplex, diese ganze Seelensache und Traumas und er bewunderte die Seelenklempner, die so was tagtäglich praktizierten, ohne selbst verrückt zu werden. Kein angenehmer Job, stellte Lance fest. Und sie konnten Arthur nur selbst helfen, da es eine Vampirsache war. Wahrscheinlich wäre der Arzt sowieso ohnmächtig geworden oder fortgerannt. Oder letztendlich selbst auf dem Sofa eines Kollegen gelandet.
Vampire waren da schon etwas härter, mit all dem Blut und Tod, der sie eine Ewigkeit begleitete. Sie waren in der Mythenwelt nicht sehr beliebt; die meisten mieden Vampire, vor allem Hexen.
„Geh jetzt", sagte Arthur und rieb sich die Augen „Es geht mir gut, soweit das möglich ist."
Er setzte sich wieder in seine Ecke auf den Boden und starrte vor sich hin. Lance verließ das Zimmer und schloss es. Er lehnte sich dagegen und fuhr sich seufzend durch sein Gesicht. Das war harter Stoff und noch immer geisterten schreckliche Bilder durch seinen Kopf. Er würde wahrscheinlich Alpträume haben. Noel kam leise näher und schaute ihn an.
„Du hast mir nie gesagt, wie schlimm es war", sagte Lance leise, als sie durch die Gänge gingen „Er hat ihm die Haut von seinem Penis gezogen...du lieber Himmel. Wenn ich mir das vorstelle..."
„Tu das nicht", sagte Noel „Ich war nach ein paar Mal schon fast abgehärtet, wenn er blutüberströmt mit letzter Kraft kam. Doch ich hatte meine Zweifel, ob das wieder heilt."
„Hat es. Zum Glück", er seufzte und sah an sich herunter „Ich brauch ein Bad und neue Kleider."
„Hast du ihn gehalten?"
Lance nickte.
„Er hatte so furchtbar geweint."
Noel blieb stehen und sah ihn groß an.
„Er...Er hat geweint...Arthur? Arthur hat geweint?"
„Ja, was soll denn dieses Erstaunen? Wir sind Vampire, doch haben wir Gefühle. Warum sollten wir nicht auch mal weinen?"
„Weil er niemals in Moskau geweint hatte. Nie! Er hat vor Schmerzen gestöhnt und war nicht ganz bei sich, doch er hatte nie geweint. Nicht davor, nicht danach und überhaupt."
Lance presste die Lippen zusammen, so das sie einen schmalen Strich bildeten, bevor er nickend sagte.
„Und deshalb wurde er so. Deshalb hatte er uns an den Wahnsinn getrieben, seinen Gefährten verloren und nur Mist gebaut. Weil er nichts erzählt hatte und weil er es nie raus gelassen hatte. In keiner Weise. Verstehst du das? Er hatte nicht geweint oder getobt; etwas zerstört. Nichts davon. Es nur still hingenommen und das war fatal."
„Es saß noch in ihm, weil er alles in sich hineingefressen hatte", schlussfolgerte Noel.
„Genau und schreib dir das hinter die Ohren. Wenn du Probleme hast, rede mit jemanden oder mir."
„Werde ich beherzigen."
„Ich gehe mir ein Bad nach oben machen. Bringst du mir frische Kleider? Maria kommt bald."
„Natürlich. Soll ich dir den Rücken schrubben?", grinste Noel.
„Nein. Wieso?"
„Nun...", erklärte Noel „Ich vermisse dich."
„Was?"
„Ich vermisse dich in meinem Bett, Lance", sagte Noel frei heraus „Es wäre eine Gelegenheit, dich nackt zu sehen."
„Verschwinde, bevor ich vergesse, das ich dich mag", drohte Lance „Und hol mir Kleider."
Noel lief weiter, rief aber über die Schulter.
„Dann sehe ich dich ja doch nackt."
Lance drehte sich um und grinste, als er nach oben ging. Er nahm sich zwei Handtücher aus dem Schrank, die seine Menschen regelmäßig wuschen und ging in das große Bad, denn es war Abend. Er ließ sich ein Bad ein, schüttete sehr viel von der wohlriechende Flüssigkeit ins Wasser und atmete den köstlichen Duft ein. Danach legte er sich ins Wasser, nachdem er die übelriechenden Kleider ausgezogen hatte.
Noel kam grinsend herein, legte ihm frische Kleider hin und setzte sich an den Rand der großen Badewanne. Er wedelte mit der Hand den Schaum weg, der seine unteren Regionen bedeckte.
„Da ist er ja", sagte er und griff ins Wasser, doch Lance zog seine Hand von seinem Schwanz, wenn auch halbherzig.
„Lass das. Sonst muss ich das Maria sagen und vielleicht reagiert sie wieder aggressiv, so wie bei Arthur."
Noels Grinsen erlosch und er stand ruckartig auf.
„Sag ihr bloß nichts."
Er nahm angewidert die schmutzigen Kleider mit zwei Händen und verließ das Bad. Lance lachte leise in seiner Wanne.
Sie hatte eindeutig den Respekt aller Vampire hier im Haus.
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Als Maria dann später kam, spazierten sie zu Fuß in die Innenstadt und setzten sich dort in eines der vielen Cafes. Es war Dezember, doch der Abend war mild. Nicht mehr warm, aber auch nicht eiskalt. Auch der Andrang der Touristen war jetzt wieder zurückgegangen; es war ruhiger in der Stadt. Da es nicht so kalt war und beide einen Mantel trugen, setzten sie sich nach draußen, etwas abseits der Leute an ein schönes Blumenbeet. Lance hatte bis dahin nicht über Arthur geredet. Maria war gutgelaunt, sprach den Weg über dieses und jenes und Lance hörte zu, gab ab und zu einen Kommentar dazu ab. Er war froh, das sie nicht mehr so sehr um Merlin trauerte. Doch jetzt sprach er an, was ihm die ganze Zeit auf der Zunge lag.
„Ich habe heute mit Arthur geredet", sagte er, als die Bedienung, die den Cappuccino brachte wieder weg war.
„Über was?"
„Er hat mir von der Zeit bei Alexej erzählt. Alles...bis ins kleinste Detail", antwortete er etwas bitter.
„Was? Einfach so?"
Er schüttelte den Kopf.
„Nein, Noel und ich hörten ihn schreien und wir sind in sein Zimmer gerannt. Er war vollkommen verängstigt, redete etwas von das er ihn holen käme. Ich verstand zuerst nicht, was er meinte, als er sagte, er würde mit ihm reden und kommen. Zuerst dachte ich an Merlin, doch dann wäre er nicht so panisch gewesen. Er hatte wirklich Angst. Die Rede war von Alexej."
„Und wieso jetzt so plötzlich?"
„Ich vermute, diese lange Zeit allein in seinem Zimmer; schließlich ist er quasi lebendig begraben, hat ihn wohl empfänglich für seine innere Qual gemacht. Wir kommen ja nur, um ihm Blut zu geben, denn lange hältst du es dort nicht aus."
„Höre ich da einen kleinen Vorwurf in deiner Aussage?", fragte sie.
„Nein, verdammt. Es war nur eine Feststellung, wieso er plötzlich anfing zu schreien", sagte er vorwurfsvoll „Das diese ganze Scheiße in ihm wieder hoch kam. Und das diese Krankheit so etwas Furchtbares ist. Menschen sterben daran qualvoll und mit Schmerzen, doch wenn man unsterblich ist, finde ich diese Krankheit noch qualvoller, denn du wirst nie erlöst. Kein Wunder, das so viele dem schwarzen Tod erlegen sind."
„Ja. Doch er hatte mal eine Strafe verdient und vielleicht war es ja gut so, denn endlich öffnet er sich mal. Okay, erzähl weiter."
„Ich sprach auf ihn ein, das er mit mir sein Leid teilen sollte, wie mit einem Kind. In dem Moment war er fast ein Kind, das Angst vor dem schwarzen Mann hatte", er schüttelte den Kopf „Kein Wunder, ich hätte auch Angst, diesen dreckigen Bastard jemals wiederzusehen. Nun gut, schließlich willigte er ein. Und dann erzählte er mir die wohl grausigste Geschichte, die ich je hörte", sagte er und verzog das Gesicht.
„Was hat er denn gesagt?", fragte sie neugierig, doch Lance schüttelte entschieden den Kopf.
„Nein, Maria. Das ist wirklich sehr starker, grausamer Stoff. Selbst ich als Vampir, der mit Blut und Tod lebt; ich musste ein paar Mal wirklich schlucken und diese grausige Bilder spuken noch in meinem Kopf. Ich werde dir auf keinen, auf gar keinen Fall erzählen, was dieser dreckige Sadist mit ihm gemacht hatte", sagte er wütend „Auch wegen Arthur, denn er schämte sich, darüber zu reden, obwohl er eigentlich ein hilfloses Opfer war. Damals noch kein Meistervampir und ohne wirkliche Macht. Ich könnte diesen verkommenen, abartigen Drecksack von einem Vampir gerade nochmal töten und es würde sehr lange dauern, bis er tot wäre. Dieser Teufel weckt in mir meine tiefste,dunkelste Seite. Er hatte noch für das, was er getan hatte, einen viel so milden Tod. Sethos hätte ihn auch foltern sollen."
Er war immer wütender geworden, als er das sagte. Maria sah ihn erschreckt an, denn seine Augen wurden grün.
„Lance...deine Augen", sagte sie leise und sah sich um.
Er schloss sie einen Moment und atmete durch. Er war schon wieder so zornig und musste sich beruhigen. Es käme wohl nicht gut an, wenn jemand ihn ansah und seine Augen grün leuchten würden, zumal auch seine Fänge sichtbar wurden. Als er sich etwas beruhigte, sah Lance sie wieder an, noch einige grünliche Schlieren in seinen dunklen Augen.
„So schlimm?", fragte sie leise.
„Es gibt keine Worte dafür, was er durchmachen musste und das hundert Jahre lang. Ich hätte ihn nie verlassen dürfen. Das ist etwas, was ich mir nie verzeihen werde, denn dann wäre das alles nicht passiert. Abgesehen davon, was er dann noch tat, als er wieder dort mit Merlin war. Arthur hatte sehr Grauenvolles, von furchtbaren Schmerzen durchzogenes Martyrium wirklich fast unbeschadet überstanden, was mich immer noch wundert. Jeder andere wäre wahrscheinlich wahnsinnig geworden; ich auf jeden Fall. Wo hatte er nur diese Stärke her, das immer und immer wieder durchzumachen?", er schüttelte ungläubig den Kopf.
„Was passierte, nachdem er dir alles erzählt hatte?", wollte sie wissen.
Maria hätte gerne gewusst, was so schrecklich war, das sogar Lance geschockt war. Doch sie wusste auch, das er es nie sagen würde; einerseits weil es eigentlich keine Außenstehende anging und auch weil er sie schützen wollte. Doch sie ahnte schlimme Dinge und wusste instinktiv, das sie noch nicht annähernd an die wirkliche Wahrheit kam, so wie Lance reagierte.
„Er weinte."
„Er weinte? Wirklich?"
Lance nickte.
„Ich habe ihn im Arm gehalten und er weinte sehr lange und wirklich herzzerreißend. Und ich sage dir, nach achthundert Jahren war dies das erste Mal, das ich Arthur weinen sah. Noch nicht mal als Kind hatte er jemals geweint, egal wie sehr er gestürzt war und sich verletzt hatte. Ich erinnere mich nicht mehr so gut an alles damals, doch ich weiß, das er nie geweint hatte. Nicht einmal, als wir als junge Vampire unsere Familien verlassen mussten. Gwaine und ich hatten still geweint, als wir England verließen und alles zurücklassen mussten, was wir geliebt hatten, um sie zu schützen. Arthur hatte nur auf dem Schiff gestanden, mit einem verschlossenen Gesichtsausdruck, doch er hatte keine einzige Träne geweint. Er war noch nie jemand, der sich in sein Inneres schauen ließ. Ich wusste, das es auch ihm das Herz zerriss, seine Eltern und kleine Schwester zu verlassen, doch er hatte seinen Schmerz wie alles in sich hineingefressen. Okay, er beruhigte sich irgendwann; ich hielt ihn immer noch, anscheinend brauchte er das mehr, als er sich bewusst war. Doch dann fing er wieder an zu weinen, als er mir sagte, das er den einzigen Mann verloren hatte, den er je geliebt hatte."
Maria sagte nichts. Sie konnte sich einen weinenden Arthur überhaupt nicht vorstellen, wenn sie daran dachte, wie er sich gab. Doch sie glaubte Lance, denn er war keiner, der sie anlügen würde. Dazu war er zu anständig. Lance legte seine Hand auf ihre, als er weitersprach.
„Du hattest vollkommen recht. Diese dunkle Vergangenheit war noch in ihm. Sie saß dort wie ein dunkler Knoten und löste diesen inneren Konflikt aus, denn er nicht wirklich wahr nahm. Diese Leere in ihm war die nicht verarbeitete Vergangenheit in ihm. Er hatte sie nur verdrängt, nicht aufgearbeitet. Doch heute hatte er es getan und sich mir anvertraut. Ich werde wohl die nächsten Wochen Alpträume haben, aber das war es mir wert", er seufzte „Arthur ist meine Achillesferse. Ich liebe ihn wie einen Bruder und werde wohl für immer auf ihn aufpassen. Ich bin durch eine nervige Hölle gegangen, habe ihm gedroht, das ich ihn verlassen werde, doch ich selbst mache mir da etwas vor. Ich könnte ihn nie wieder allein lassen, erst recht nicht, da ich endlich weiß, was er ertragen musste. Es ist im Grunde genommen meine Schuld."
„Hör auf. Niemand ist wirklich schuld, was wir tun oder nicht tun. Es sind unsere Entscheidungen, die uns dort hinbringen, wo wir sein sollen. Vielleicht hatte es so kommen müssen, obwohl das schrecklich war. Solche schlimmen Erlebnisse stärken uns oder brechen uns. Arthur, so schlimm das auch war, hatte innere Stärke bewiesen. Hat er noch, denn niemand lebt da unten solange allein mit dieser Krankheit, ohne dabei durchzudrehen. Etwas, was mich wirklich erstaunt. Ich dachte eher, das er nach zwei Wochen bettelt und fleht, das ich ihn erlöse."
Lance nickte.
„Doch stattdessen nimmt er das so hin wie die hundert Jahre Folter bei Alexej. Ja, Arthur hat innere Stärke, doch ist es nicht gut, das alles bei sich zu behalten. Das weiß ich jetzt. Es ist immer besser, sich jemanden anzuvertrauen; seine Ängste, Schuld und Erfahrungen, egal wie schlimm es ist, mit jemanden den man liebt und mag, zu teilen. Darüber zu reden und es aufarbeiten, denn alles andere zerstört dich."
Sie nickte.
„Und du denkst, er wird sich jetzt ändern?"
„Ich hoffe doch. Doch das können wir erst feststellen, wenn er wieder unter uns weilt. Wohl nicht sofort, aber ich denke, so langsam wird er wieder der Arthur werden, den ich kenne. Ich wünsche mir das so sehr, nicht nur für mich, auch für ihn. Arthur war immer etwas arrogant und wusste das Leben zu leben, mit allen angenehmen Dingen. Und auch immer sehr risikofreudig, schon als Mensch. Doch wenn er liebte, dann aufrichtig und tief. Das ist das, was Arthur ausmacht, im Guten und im Schlechten. Damit konnte ich leben, auch wenn er mir manchmal die Nerven raubte, doch das was die letzte Zeit abging; das ist nicht wirklich er. Wir müssen ihm die Chance geben, das er wieder er selbst wird."
Sie lächelte hintergründig.
„Fragst du mich durch die Blume, das ich ihn erlösen soll?"
Er nahm Luft und schaute an ihr vorbei auf die Straße, doch dann sah er sie wieder an.
„Ja, ich bitte dich darum. Ich denke, er hat genug gelitten. Merlin hat sich ja nicht das Leben genommen, sondern ist vor ihm geflüchtet. Und sollte er sich wirklich ändern, ist noch nichts verloren. Das weißt du nur zu genau. Merlin liebt ihn immer noch und wird ihn immer lieben. Und irgendwann wird er ihm verzeihen. Er verzeiht ihm immer."
„Ist das deine Bedingung? Das ich ihn erlöse?"
Er schaute sie grimmig an, anscheinend war er heute nicht gut drauf, bemerkte sie.
„Oh komm schon, Maria. Was soll jetzt der Scheiß? Bedingung? Du bist hier die Hexe, nicht ich. Du hast ihn verhext und nur du kannst es rückgängig machen. Was soll ich tun? Vor dir auf die Knie fallen, um dich zu bitten?", fragte er sarkastisch und böse.
„Wäre lustig", grinste sie.
Lance sprang auf, seine Augen schon wieder grün. Er war heute wirklich sehr reizbar.
„Weißt du was? Dann lass es und komm mir nicht mit so dummen Sprüchen. Die hatte ich zu genüge mit Arthur. Mach doch, was du willst."
Er ging mit großen Schritten die Straße entlang Richtung nach Hause. Maria sah ihm nach und murmelte lächelnd.
„Unser erster Streit. Premiere. Na dann, glätten wir die Wogen", lächelte sie. Sie war nicht zornig, eher amüsiert und irgendwie freudig.
Dann legte sie Geld auf den Tisch und folgte ihm. Vor der Tür des Hauses holte sie ihn ein.
„Lance, warte."
Er blieb stehen und drehte sich um. Ernst und immer noch sauer schaute er ihr entgegen. Sie blieb etwas atemlos vor ihm stehen.
„War das unser erster Streit?", fragte sie „Wirklich?"
„Ja", sagte er grimmig „ Und er ist noch nicht vorbei. Du magst eine Hexe sein, doch ich habe keine Angst, dir zu sagen, was ich denke. Wegen mir verhexe mich, doch ich werde nicht nachgeben. Oder dir immer alles recht machen, so wie vielleicht andere, die panisch werden, wenn sie etwas anderes denken und es nicht sagen würden. So eine Beziehung werde ich nicht führen, das sage ich dir. Und ich werde nicht immer zu allem, was du sagst oder tust ja sagen. Nur weil du mir etwas antun könntest."
Maria schaute ihn zornig an. Jetzt hatte er es geschafft, das sie auch böse wurde.
„Was soll der blöde Spruch jetzt, Lance? Du denkst ernsthaft, ich würde so reagieren, wenn wir nicht einer Meinung sind? Du stellst mich hin, als würde ich jeden verhexen, der es wagt, mir Antwort zu geben oder eine eigene Meinung hat. Sehe ich aus wie ein Diktator, der jeden bestraft, der nicht meiner Meinung ist? Ich bin eine Hexe und kein Monster und immer noch zu einem Teil menschlich, was man von dir nicht sagen kann", schrie sie ihn zornig an „Und ich erwarte nicht von meinem Gefährten, das er jedes Wort auf die Goldwaage legt oder zu allem ja und Armen sagt. Ich will einen Mann und keinen Waschlappen, der sich vor mir duckt, wenn ich nur die Hand hebe, du Vollidiot. Du hast mich ein halbes Jahr nicht auf Arthur angesprochen und ich war jetzt wirklich gespannt, wann du es tust. Hattest du Angst davor, mich zu fragen?"
„Das bestimmt nicht", fuhr er sie an „Du warst die ganze Zeit scheiße drauf. Du hättest nicht zugehört. Und wärst weiter stur geblieben...ich kenne dich. Aber genug ist genug. Arthur hatte seine Strafe und jetzt reicht es. Nein, ich bitte nicht...ich verlange, das du den Hexenzauber auflöst. Hast du mich jetzt verstanden?"
Maria kniff ihre Augen zusammen.
„Ohhh...ich hätte nicht übel Lust, dich wirklich zu verhexen, du Volltrottel."
Lance breitete die Arme aus, seine Augen giftgrün.
„Na dann...Hier stehe ich. Gib mir auch die Beulenpest, dann kann ich mich zu Arthur setzen."
Maria sah ihn einen Moment an, dann...lachte sie. Lance schaute sie verwirrt an.
„Du lachst? Warum?"
„Weil ich mich freue. Ich freue mich, das wir uns hier wirklich streiten. Und das du nicht der Waschlappen bist, den ich nie wollte. Ich will mit dir Streit haben und ich will, das du mir deine Meinung sagst. Oder schreist, wie jetzt."
„Das soll mal einer verstehen", murmelte er „Andere vermeiden Streit und du willst ihn."
„Ja, denn das zeigt mir, das du nicht immer meiner Meinung bist, weil du Angst hast. Denn das würde ich furchtbar finden und wir hätten keine Zukunft. Ich liebe dich und wenn du anderer Meinung bist und wir streiten, dann ist das in Ordnung. Ich will eine normale Beziehung haben, mit Freude, Spaß und auch mal heftigen Streit. Und kein Kräftemessen unter uns. Wir sind in erster Linie Gefährten und lieben uns. Unsere Kräfte werden für mich immer zweitrangig bleiben und sind kein Bestandteil unserer Liebe. Du und ich, das ist das was zählt und nicht was wir sind."
Lance schaute sie lange an. Das war exakt das, was er von ihr hören wollte. Er hatte nie Angst vor ihr gehabt und er sagte nichts, weil er auch der Meinung war, das Arthur mal eine Strafe für seine Zügellosigkeit verdient hatte. Doch das war bevor er wusste, was sein Freund mitgemacht hatte. Maria sah ihn amüsiert an.
„Und ich stelle mir gerade dich und Arthur als Beulenpaar vor", lachte sie. Jetzt musste auch Lance grinsen, seine Augen bekamen wieder normale Farbe.
„Wir wären ein armseliges Beulenpaar, würden uns gegenseitig etwas vorjammern", lachte er jetzt auch und zog sie an sich.
„Du bist ein richtiges Luder", sagte er zärtlich und küsste sie. Als er sie los ließ, nahm sie Luft und antwortete.
„Also gut. Ich denke auch, das er genug gelitten hat. Ich habe schon daran gedacht, es zu beenden. Bevor er wirklich in eine tiefe Depression fällt."
„Das fehlte noch zu seinen schlimmen Leben", sagte Lance. Maria küsste ihn auf die kühlen Lippen und lächelte.
„Aber zuerst möchte ich Versöhnungssex. Merlin sagt, das es der beste Sex ist."
„Jetzt sofort?"
„Ja, sobald wir eines der oberen Schlafzimmer in Beschlag genommen haben."
Lance zog sie wieder an sich und küsste sie, murmelte in ihr Ohr.
„Versöhnungssex? Hhm, hatte ich noch nie. Jetzt bin ich ja wirklich neugierig", lächelte er und hob sie hoch und trug die kichernde Hexe in den oberen Stock, als einer der Jungs die Tür aufmachte. Er sah ihnen amüsiert nach, als sie im ersten Stock verschwanden und ging zurück in die Küche.
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New Orleans...
Ein gutes halbes Jahr war Merlin jetzt in Amerika und er hatte sich gut erholt. Er hatte Farbe bekommen, war nicht mehr so weiß im Gesicht. Die Tage am Strand waren nicht ohne Wirkung geblieben. Normalerweise war er nicht so für den Strand, doch die Mädels hatten ihn immer mitgeschleppt. Einerseits war es gut, denn sie brachten ihn auf andere Gedanken, denn immer noch, wenn er allein war, dachte er darüber nach, was mit Arthur schief gelaufen war. Und noch immer war da der dumpfe Schmerz in seiner Brust, der ihm sagte, das er diesen Vampir immer noch liebte. Inzwischen regte er sich nicht mehr darüber auf, nahm die Tatsache hin, das er einfach nie von ihm los kam. Weihnachten stand vor der Tür und alle waren damit beschäftigt, es vorzubereiten. Er kam gerade aus der Stadt und ging in den Salon, doch er blieb wie erstarrt in der Tür stehen. Denn auf dem Sofa saß Sethos mit Serena und beide drehten den Kopf.
„Entschuldigung, ich wollte nicht stören."
Er drehte sich um und wollte wieder gehen, doch Sethos stand auf und rief.
„Merlin."
Merlin blieb stehen, doch drehte sich nicht um. Er wollte Sethos nicht sehen, denn der Schmerz in seiner Brust wurde stärker.
„Bitte, ich muss mit dir reden", sagte der ägyptische Vampir.
„Warum?", fragte Merlin, ohne sich umzudrehen „Ich denke, es ist alles gesagt oder besser...getan."
Sethos nickte wissend. Natürlich war ihm klar, das Merlin ihn nicht freudig begrüßen würde. Er war hierher geflogen, weil er fast sicher war, das er hier war. Da Serena seine Lehrerin und Ansprechpartner war, was seine Art anging, konnte er eins und eins zusammenzählen.
„Merlin, bitte", sagte jetzt Serena „Gib Sethos eine Chance, das Ganze klarzustellen."
Der Hexer nahm Luft, drehte sich langsam um. Er taxierte Sethos, doch dann nickte er.
„Also gut, reden wir."
Serena stand auf und verließ mit den Worten den Salon.
„Ich lass euch allein. Keine Gewalt in meinem Haus. Klar? Sonst werde ich wirklich sauer."
„Ich bin kein kleines Kind mehr", antwortete Merlin mit einem vorwurfsvollen Blick zu ihr.
Sie ging hinaus. Sethos ging an die Bar und machte einen Brandy und sich selbst einen Bourbon. Er reichte das Glas Merlin, der es annahm.
„Ich muss mal einiges klarstellen, denn diese Sache belastet mich auch", begann der Vampir zu sprechen „Ich hatte in Mailand keine Möglichkeit mehr, das zu tun, da du weg warst."
„Wundert dich das etwa?"
Er schüttelte den Kopf.
„Nein, war wohl das Beste, was du tun konntest, bevor noch etwas passiert wäre. Doch ich möchte dir hier und jetzt sagen, das ich Arthur nie angerührt hätte, wenn ich nur ansatzweise gewusst hätte, das ihr beide Gefährten seid."
„Jetzt nicht mehr", antwortete Merlin bitter „Ihr könnt eurer Leidenschaft weiter frönen."
Sethos lächelte leicht. Natürlich würde ihm Merlin nicht so leicht verzeihen. Wer würde das auch in seiner Situation?
„So einfach mag es für dich sein, da du kein Vampir bist. Aber für mich ist das alles andere als einfach. Ich habe...nein, Arthur hat mein Ansehen beschmutzt und ich hoffe sehr, das dies in unseren Kreisen bleibt, denn das was da vorgefallen war, wird bei uns direkt bestraft, sollte es jemals an die Öffentlichkeit kommen. Mein Ansehen wäre irreparabel zerstört unter Meinesgleichen. Verachtung würde mich erwarten und es war noch nicht mal meine Schuld. Normalerweise hätte ich Arthur dafür getötet, doch er hatte Glück, das ich ihn eigentlich sehr mag."
„Was willst du mir sagen, Sethos?"
„Es mag sein, das wir beide uns amüsiert haben, als Arthur noch solo war. Darin war ja auch nichts auszusetzen, denn ich bin mir ziemlich sicher, das du auch kein Kind von Traurigkeit warst, was Sex anging."
„Nein." Direkt und ehrlich.
„Doch nun, da ich weiß, das er über das Blut gebunden ist, wird das nie wieder eine Option für mich sein. Egal ob ihr zusammen seid oder getrennt. Arthur ist ab sofort tabu für mich und ich werde höflichen Abstand halten", er kam näher und blieb vor Merlin stehen, schaute ihn an „Ich selbst habe eine Übereinkunft mit meiner Gefährtin. Wir sind seit dreitausend Jahren glücklich verliebt und doch suchen wir von Zeit zu Zeit Abwechslung, was Sex angeht. Vielleicht kannst du das jetzt nicht verstehen, doch nach dreitausend Jahren sprechen wir wieder davon. Auch wir waren uns treu; am Anfang und die ersten tausend Jahre, doch danach hatten wir beschlossen, es anders zu machen."
Er lächelte leicht.
„Wir lieben uns und das wird sich nie ändern, doch der Trick dabei ist, das Liebe Liebe ist und Sex nur Spaß. Ich liebe Arthur nicht; wir hatten nur Spaß, was jetzt und für immer vorbei ist. Glaube mir, Merlin, das Letzte was ich jemals tun würde, wäre mit jemanden zu schlafen, der gebunden ist und sein Gefährte das nicht möchte. Anders ist das wiederum, wenn die Gefährten sich einig sind, das sie das auch wollen. Und da ich wusste, das du es nicht gutheißen würdest, hätte ich Arthur besucht, ja. Aber ich hätte ihn nie angerührt. Doch ich war lange nicht da und Arthur hatte dich mit keinem Wort erwähnt. Also ging ich davon aus, das du alt bist oder schon tot. Schließlich war eine lange Zeit vergangen und du warst für mich immer noch ein Mensch."
„Jetzt nicht mehr."
„Nein und du hast mich wirklich in Erstaunen versetzt. Serena hatte andeutungsweise erzählt, das eure Magie so was wie gebannt war."
Er nickte.
„Ja und wir wussten das nicht. Doch nun ist sie frei und Maria wie auch ich sind sehr mächtig und unsterblich."
„Ich weiß", antwortete Sethos und lächelte „Und glaube mir, das Letzte was ich haben will, ist dich als meinen Feind. Ich weiß, zu was ihr imstande seid und habe keine Lust das herauszufordern. Ich will eigentlich nur friedlich leben, Gefährten in Ruhe lassen und mein Leben genießen. Das alles hier tut mir so schrecklich leid. Es wäre nie passiert, wenn ich nur eine Ahnung gehabt hätte. Das ist alles, was ich sagen kann; ich kann es leider nicht ungeschehen machen und doch bitte ich dich höflich und untertänigst, mir zu verzeihen."
Merlin sah ihn groß an. Da stand ein über viertausend alter Vampir vor ihm, mächtig und das war nicht zu verachten und entschuldigte sich ehrfürchtig. Er hatte alles erwartet, doch nicht das. Er dachte eher, das Sethos es scheißegal war, was er ihm angetan hatte. Doch anscheinend waren nicht alle wie Arthur. Da hatte er sich gründlich getäuscht. Er hatte sich in letzter Zeit oft getäuscht. Er nickte langsam.
„Ich hatte mir das schon fast gedacht, das Arthur mich mit keinem Wort erwähnt hatte. Doch das hier, gebe ich ehrlich zu, habe ich nicht erwartet."
„Nicht jeder von uns ist wie Arthur", sagte Sethos „Wir achten unsere Gesetze und Sitten und ich gebe zu, wenn ich einen Fehler gemacht habe. Und das war eindeutig einer der Schlimmsten. Ich fühle mich beschämt und beschmutzt und eigentlich ist es nicht meine Schuld gewesen", er schüttelte den Kopf „Ich weiß nicht, wieso Arthur das mir verheimlicht hat."
Merlin seufzte und machte sich noch einen Drink, auch Sethos.
„Er hat sich so verändert", sagte er wehmütig „Und das nicht zum Vorteil. Diese Partnerschaft war nicht das, was ich wollte."
„Wieso?"
„Er hatte nur ein Bestreben...Sex. Und das nur und ausschließlich. Das kam mir nach ein paar Wochen schon seltsam vor. Nie ausgehen oder reden. Er fragte mich nie etwas über meine Person, gingen nur ein paar Mal aus, weil Lance tobte. Ansonsten kam ich in sein Haus, ein paar Drinks und ab ins Bett. In den Morgenstunden dann nach Hause. Das war keine Partnerschaft."
„Aber er hat mit dir das Blut Ritual durchgeführt."
Merlin lächelte traurig.
„Ja, er hat mich nach Vampir Sitten geheiratet, wenn du das meinst. Gleich am ersten Abend und ohne zu zögern."
„So kann man es nennen, denn es ist fast wie eine Hochzeit. Nur können wir das nur einmal tun."
„Ich weiß", antwortete Merlin „Ich habe das Buch gelesen. Serena meinte, wenn ich unter Vampire wandle, sollte ich mich mit ihren Sitten und Gesetze auskennen."
„Eine weise Entscheidung", pflichtete ihm Sethos bei.
„So weiß ich auch jetzt, das er dir auf keinen Fall gestatten durfte, das du sein Blut trinkst."
Sethos neigte den Kopf.
„Auch das ist richtig und machte die ganze Sache noch schlimmer und beschämender. Es tut mir leid."
Merlin winkte ab.
„Es ist gut, Sethos. Ich bin niemand, der jetzt hundert Mal hören will, wie du dich entschuldigst oder das du dich vor mir erniedrigst. Ich weiß, das es nicht leicht für dich war, hierher zu kommen und dich mir zu stellen. Du hast deinen Standpunkt klar gemacht und ich glaube dir. Ich weiß, das du anders reagiert hättest, wenn du es gewusst hättest."
„Du nimmst meine Entschuldigung an?", fragte er.
Merlin nickte.
„Wir werden uns im Laufe der Zeit immer wiedersehen und ich habe keine Lust, dir dann stetig aus dem Weg zu gehen. Die Fronten sind geklärt; wir beide waren Spielbälle in einem Spiel gewesen, das Arthur inszeniert hatte, ohne uns die Spielregeln zu erklären. Wir waren in diesem Fall die Opfer und wurden beide vorgeführt. Ich verstehe das schon, auch wenn es weh tut. Was ihr vor mir getan habt, das war mir natürlich auch nicht recht, weil ich diesen verfluchten Bastard immer noch liebe. Aber es war euer Recht zu tun, was ihr wolltet, trotz allem und ich war, wie du ja so schön gesagt hast, auch kein Kind von Traurigkeit. Also haken wir diese ganze leidige Sache ab und sehen nach vorne."
Sethos neigte in Ehrfurcht und Bewunderung wieder seinen Kopf. Merlin war etwas ganz Besonderes. Niemand, der sinnlos ausrastete und logisch, sachlich und ruhig argumentierte. Und Verständnis zeigte, obwohl Sethos ihn sehr verletzt hatte, wenn auch unbeabsichtigt.
„Er weiß eigentlich nicht, was er verloren hat", sagte er leise.
„Kommt vor", antwortete Merlin „Ich habe mein Bestes gegeben und habe verloren."
„Ich danke dir für dein Verständnis und du weißt nicht, was es für mich bedeutet. Ich konnte mich zu einem Teil von meiner Schande reinwaschen."
Merlin lächelte.
„Sei nicht so theatralisch. Es ist vorbei; die Sache geklärt und ich verzeihe dir. Doch hör jetzt auf darauf herumzureiten. Es ist gut."
„Vielleicht können wir beide irgendwann wieder die Freunde werden, die wir waren", sagte Sethos.
„Mit Sicherheit. Das alles braucht etwas Zeit, um zu verblassen."
„Sicher."
„Noch einen Drink?", fragte Merlin.
„Gerne."
Merlin gab ihm einen Drink und hob sein Glas.
„Na dann...auf bessere Zeiten."
„Ja", sagte Sethos und sie stießen an. Serena kam herein.
„Und? Lebt ihr noch?", fragte sie amüsiert. Merlin drehte sich um.
„Wir sind keine Barbaren. Wir haben uns ausgesprochen."
„Das ist schön und freut mich. Denn ich mag euch beide sehr gerne."
„Hört...Hört", sagte Sethos.
Sie winkte ab und machte sich einen Drink. Serena wusste, das Merlin nicht ausgerastet wäre. Dazu war er zu höflich und so gut erzogen worden. Seine Eltern hatten ganze Arbeit geleistet; in seiner Erziehung wie auch bei seiner Magie.
Sie konnten sehr stolz auf ihre Kinder sein, wo immer sie jetzt auch waren.
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Dunkles Schicksal
FantasyNach dem Tod seiner Eltern, die von Vampiren getötet wurden, wird der junge spanische Graf Merlin del la Vega zum Jäger. Sein Hauptmerkmal ist ein vermögender, hoch angesehener Vampir, den er für den Mörder seiner Eltern hält. Erbittert jagt er ihn...