Dunkles Schicksal
Kapitel 89
Sie betraten den dunklen Raum, der jetzt von dem Licht der beiden Öllampen beleuchtet wurde. Er war nicht sehr groß, doch fielen sofort die Regale mit den Tinkturen ins Auge. Ein großer Tisch stand an der Seite und Bücher waren in einem Regal eingeordnet. Zutaten für Hexentränke wie getrocknete Leber von Hühner und anderes. Merlin und Maria sahen sich schweigend um, bis sie sagte.
„Das ist eine Hexenkammer. Vater hatte hier unten seine eigene Hexenkammer mit allen Zutaten für Hexentränke. Er war ein Hexer, sowie Mutter."
„Natürlich, Maria", antwortete Merlin „Sonst hätten wir keine Magie."
„Sicher. Doch ich kann es irgendwie nicht glauben. All die Jahre hatte er da unten eine geheime Kammer und wir haben es nie gewusst. Vater wirkte nicht wie ein Hexer. Oder Mutter."
„Das kommt davon, das sie sehr wenig ihre Magie angewendet hatten. Sie wollten ein normales Leben. Mag sein, das Vater ab und an noch Magie praktizierte. Serena sagte, das das Feuer im Bürgerhaus, in dem alle Papiere von uns verbrannt waren, einschließlich unsere Geburtsurkunden wahrscheinlich magisch war. Ich vermute, das sie beide nur noch Magie anwandten, um uns zu schützen."
„Warum haben sie sich damals nicht gewehrt?", fragte sie „Bei ihrer Macht wäre es ein Leichtes gewesen, die Vampire abzuwehren."
„Wir wissen nicht, was im Einzelnen geschah. Vampire sind schnell und Meister in der Tarnung. Vielleicht wurden sie überrascht und konnten sich nicht mehr wehren. Oder sie wurden ausgeknockt und dann ausgesaugt. Vampire wissen, wie mächtig Hexen sein können und waren wohl dementsprechend vorsichtig. Alexejs Männer waren geübt, schnell zuzuschlagen. Doch lass uns nicht anfangen zu fragen...Was wäre wenn."
„Du hast recht", sagte sie „Es ist vorbei und niemand kann etwas daran ändern."
Merlin ging zum Schreibtisch. Darauf lag eines der Bücher. Hexenbücher. Alle diese Bücher handelten von Magie und Hexensprüche. Er begann den Schreibtisch zu durchsuchen, fand handgeschriebene Notizen von seinem Vater. Merlin bückte sich und öffnete die kleinen Schränke unter dem Schreibtisch. Er stutzte, als er eine Box fand, die verschlossen war, aber kein Schloss hatte.
„Maria."
Maria kam zum Schreibtisch; sie hatte sich die Utensilien angesehen.
„Was hast du da?"
„Eine Box. Sie ist verschlossen, aber ich sehe kein Schloss", antwortete Merlin.
Sie sahen sich beide an und sagten gleichzeitig.
„Magie."
Merlin nickte.
„Es gibt nichts was sicherer ist, als etwas mit Magie zu tarnen oder zu verschließen. Es ist mir nur ein Rätsel, wieso Vater davon ausging, das wir es öffnen könnten. Sie hatten die Magie in uns mit einem sehr starken Bann belegt und sollten eigentlich davon ausgehen, das wir vielleicht nie Magie praktizieren."
„Anscheinend schien er sich sicher zu sein, das wir einen Weg finden würden, unsere Magie zu befreien. Vater war klug und vorausschauend."
„Ja, das war er."
„Dann öffne sie."
Merlin fing an zu hexen, sagte einen Spruch auf, der normalerweise alles öffnete. Doch nichts geschah. Er sah seine Schwester an.
„Okay", sagte sie „Das war der Standard Hexenspruch, um etwas zu entriegeln. Versuche etwas Stärkeres. Einen Spruch für einen Bann aufzuheben. Das war ihm wohl wichtig, was da drin ist und hat es mit stärkerer Magie verschlossen."
Merlin nickte und hexte wieder. Diesmal öffnete sich die Box einen Spalt. Merlin blies die Luft aus. Er war angespannt. Was war in dieser Box? Was würden sie finden? Merlin öffnete sie und beide schauten hinein. In dieser Box lag ein Einband, den Merlin herausnahm. Es wirkte alt. Doch als er das Buch öffnen wollte, fiel ihm das gelbliche Pergament Papier auf, das so typisch für die damalige Zeit war.
Ein Briefumschlag.
Merlin nahm ihn heraus und las das Wort, das mit Federhalter und Tinte geschrieben war. In der ihm wohl bekannte Handschrift seines Vaters.
Merlin.
Er schaute zu Maria, die es auch gelesen hatte. Auch sie wirkte jetzt nervös. Es war klar, das ihr Vater den Brief an den ältesten Sohn geschrieben hatte. Etwas so Typisches in der damaligen Zeit. Da Merlin sein Nachfolger war und junge Mädchen das damals nie sein würden, schrieb er natürlich den Brief an seinen Sohn. Merlin brach das Wachssiegel und entfaltete sorgfältig und vorsichtig das Pergament. Er hielt es etwas näher an die Öllampe, die er auf den Schreibtisch gestellt hatte. Er begann zu lesen. Maria wartete.
Mein Sohn.
Ich hoffe, das Du diese Zeilen nie lesen musst. Doch sollte das der Fall sein, dann gehe ich in der Annahme, das mir und deiner Mutter etwas zugestoßen ist und wir nicht mehr unter euch weilen. Sehr wahrscheinlich hat uns unsere Vergangenheit eingeholt oder wir starben aus einem anderen Grund. Deine Mutter, aber auch ich wollten euch nicht zurücklassen, ohne eine Erklärung. Wer ihr seid und was ihr seid.
Wenn Du diesen Brief liest, dann weißt Du mit Sicherheit, was ihr beide seid. Und auch Deine Schwester. Trotz allem sage ich es hier noch einmal. Wir alle sind Hexen. Und wenn Du diese Zeilen lesen kannst, dann werdet ihr einen Weg gefunden haben, eure Magie von dem Bannspruch zu befreien. Was mich nicht wundert, denn es gibt viele unserer Art, die mächtig genug sind, den Bannspruch zu lösen. Und doch möchte ich Dir hier einiges erklären. Es ist wichtig und auch sicherer, wenn ihr beide wisst, mit was ihr es zu tun habt. Und ich hoffe inständig, das ihr meinen Rat hier beherzigt.
Doch nun werde ich Dir sagen, wo unser Ursprung ist. Unser mächtiges, magisches Blut, das von Generation zu Generation weitergegeben wurde, angereichert mit Magie der verschieden Magiewesen, die sich mit uns gekreuzt haben und sich mit uns fortgepflanzt hatten.
Merlin nahm Luft und hielt zittrig den Brief in den Händen. Er las weiter.
Ich oder meine Blutlinie hatte ihren Ursprung in Rumänien. In den Karpaten, um genau zu sein. Wenn die Leute dort auch an Vampire glaubten, so war der Glaube an Hexen genauso stark. Kann sein, das Vampire ihren Ursprung auch dort haben, habe mich aber nie für diese Plage interessiert. Du wirst bestimmt noch mit ihnen Bekanntschaft machen.
Oh ja, das hatte er. Mehr noch. Er liebte einen von dieser Plage wie sein Vater sie nannte. Merlin fragte sich, wie enttäuscht sein Vater gewesen wäre, wenn er jemals herausgefunden hätte, das er dem männlichen Geschlecht zugetan war. Und vor allem, das er einen Vampir liebte. Er war froh, das er es nie herausgefunden hatte. Er war sich ziemlich sicher, das er es auf keinen Fall toleriert hätte, auch nicht die Liebe zu einem Vampir. Seine Mutter eher wie sein Vater, doch auch sie wäre geschockt gewesen. Und beide, Maria wie auch er hatten eine intime Beziehung zu Vampiren. Zumindest was das anging, war er froh, das seine Eltern das nicht mehr erlebt hatten.
„Merlin?"
Er sah auf, als Maria ihn aus seinen Gedanken riss.
„Du kannst den Brief lesen, wenn ich fertig bin", sagte er „Und aufmerksam. Du wirst überrascht sein. Er beantwortet unsere Fragen. Fast alle."
„Lies weiter. Sonst platze ich gleich vor Neugier."
Er lächelte halbherzig und las weiter.
Unser Clan und ich sage unser, denn das war er auch für Dich, denn dort liegen Deine Wurzeln. Vor vielen Jahrhunderten waren sie dort ansässig und praktizierten dunkelste Magie. Diese Art von Magie, die mehr anrichten konnte, als sie sich bewusst waren. Und letztendlich war das ihr Untergang. Die Clanmitglieder, die sich weigerten diese Magie anzuwenden, verließen den Clan. Darunter auch mein Ur Ur Ur Ur Großvater. Diejenigen, die blieben wurden wahnsinnig, böse und letztendlich starben sie oder wurden auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
Doch sie hinterließen ein Buch mit sehr mächtiger, schwarzen Magie. Magie, die anzuwenden dich mehr kosten würde, als Du dir vorstellen kannst. Einige, die zum Schluss einsahen, das diese Magie sehr gefährlich war, hatten das Buch versteckt, das seit dieser Zeit verschollen ist. Das Geheimnis seines Aufenthaltes nahmen sie mit in ihr Grab. Das Necronomicron. Es gibt nur eines, geschrieben in Blut und das Vermächtnis und Untergang vieler meines Clans, vor unendlicher Zeit.
Unser Vorfahre ließ sich in England nieder und lebte dort unerkannt unter den Menschen. Auch ich wurde dort geboren und auch in England lernte ich deine Mutter kennen und lieben. Auch sie war eine mächtige Hexe, angeblich reichte ihre Blutlinie bis zu den Hohepriester und Druiden zurück. Wir liebten und vereinten uns, wurden Gefährten.
Merlin legte zittrig das erste Blatt beiseite und sah kurz zu Maria, die wartete bis Merlin ihr den Brief geben würde. Das Licht war nicht hell genug, so das sie über seiner Schulter mitlesen konnte. Merlin begann weiterzulesen.
Mein Vater beschloss, seinen eigenen Clan zu gründen und so gingen wir mit ihm, ließen uns in der Nähe von Stonehenge nieder, da deine Mutter das Meer so liebte. Mein Vater; dein Großvater hatte eine Vision. Einen Clan zu erschaffen, der nicht nur aus Hexen bestand, sondern alle willkommen waren, die Magie hatten oder praktizierten. Kurz darauf wurde meine Mutter schwanger und gebar ein Mädchen; meine Schwester. Leider hat sie die Geburt nicht überstanden und starb. Unser Clan wurde groß und mächtig, bevölkert mit allen Wesen, die Magie hatten. Und von Generation zu Generation vermischte sich meine Blutlinie mit den anderen. Der Endeffekt war, das die folgenden Generationen Magie aller Arten im Blut hatten. So konnten sie auch darauf zurückgreifen. Meinem Vater war etwas Großartiges gelungen. Verschiedene Wesen lebten zusammen und mischten sich, sowie auch die Magie Blutlinien. Wir wurden stark und mächtig, auch gefürchtet.
Doch meiner Schwester war das nicht genug. Sie war bösartig, obwohl mein Vater sie sehr geliebt hatte und sie gierte nach Macht. Eines Tages fand ich meinen Vater tot in seinem Bett und noch heute weiß ich, das meine Schwester etwas damit zu tun hatte. Sie wollte die Clan Herrschaft, doch nach dem Gesetz war ich der rechtliche Nachfolger. Doch sie intrigierte gegen mich, stachelte die anderen zu einem Aufstand an und es kam, wie ich es kommen sah. Der Clan spaltete sich und bekämpfte sich gegenseitig. Als meine Schwester mich zum Kampf herausforderte, wandte sie die dunkle Magie des Necronomicron an. Da ich von meinem Vater wusste, wie gefährlich diese Magie war, beschloss ich nicht zu kämpfen, sondern mit deiner Mutter zu flüchten. Doch sie hatte meine Schwester sehr verletzt und ich weiß nicht, was mit ihr weiter geschah. Sie wendete unsere Magie an, so machtgierig und böse wie sie war und ich bin mir sicher, das sie nicht mehr lebt. Die dunkle Magie hatte sie aufgezehrt.
„Oh du lieber Himmel", flüsterte Merlin.
„Was ist?"
Er schüttelte den Kopf.
„Was sagtest du? Begegnung mit unserer Vergangenheit? Das ist genau das. Ich kann dir das nicht sagen. Ließ den Brief, denn er ist sehr umfassend."
Sie nickte und Merlin widmete sich wieder den Zeilen seines Vaters.
Deine Mutter und ich flüchteten aus England und ließen uns in dem damaligen kleinen Städtchen Sevilla nieder. Sie wollte in die Nähe des Meeres, das sie so liebte und in ein wärmeres Klima. Wir beschlossen wie die Menschen zu leben. Magie wandten wir nur noch an, um unser Alter zu verschleiern, weil wir unsterblich waren. Und wir waren sehr glücklich, doch unser Glück wurde gekrönt von Dir und Deiner Schwester. Sehr bald stellten wir fest, das ihr beide meine Blutlinie, die so angereichert von Magie der anderen Wesen war, geerbt habt. Doch das war nicht alles. Du und Deine Schwester hatten auch die Magie eurer Mutter geerbt, die nicht minder gefährlich war. Der Clan Deiner Mutter war auch mächtig und eine dieser Macht war Zeitmagie. Sie waren in der Lage die Zeit zu manipulieren oder zu verändern, auch Zeitreisen. Doch im Gegensatz zu meinem Clan oder anderen, gingen sie sehr weise damit um. Jede Zeitlinie zu kreuzen, bedeutete Gefahr die Zukunft zu ändern. Sie hatten Gesetze, die verboten, die Zeitlinie zu verändern. Wir stellten fest, das ihr auch diese Macht geerbt hattet.
„Du lieber Gott. Serena und ich wollten Antworten und da stehen sie", hauchte Merlin.
„Was denn?"
„Später."
„Verdammt, Merlin. Lies schneller. Ich platze vor Neugier", beschwerte sie sich.
„Geduld", antwortete er „Das muss ich selbst erst mal begreifen. Es ist...Der absolute Wahnsinn."
„Sei still und lies, bevor ich dir den Brief abnehme."
Merlin schaute wieder auf das Papier, drehte die Lampe etwas höher.
Entsetzt, das wir beide euch so viel Macht und auch sehr gefährliche Magie vererbt hatten, beschlossen Deine Mutter und ich, eure Magie mit einem sehr starken Bannspruch zu bannen. Doch wir waren uns sicher, das eure Magie stark genug war, um euch beide trotzdem unsterblich zu machen. Doch wir wollten, das ihr eine unbeschwerte, menschliche Jugend hattet und waren uns einig, euch einzuweihen wenn der Zeitpunkt der Unsterblichkeit kam. Doch da wir eigentlich auf der Flucht waren und immer damit rechnen mussten, das unsere Vergangenheit uns einholte, wollten wir einen Nachlass hinterlassen, sollten wir nicht mehr in der Lage sein, euch beide aufzuklären.
Verzeih mir, mein Sohn, das wir wenn Du diese Zeilen liest, Dir und Deiner Schwester nicht mehr beistehen können. Doch seit beide gewarnt. Wende nie die dunkle Magie des Necronomicron an oder die Zeitmagie. Solltest du es tun, so bedenke, das du bei Zeitreisen die Zeitlinie niemals verändern darfst. Es zieht immer verheerende Nachwirkungen mit sich.
Wir haben diese schwarze, gefährliche Magie mit einem Spruch gebannt, so das du nicht darauf zugreifen kannst, denn diese schwarze Magie und auch die der Zeit ist in deinem Blut. Ich hoffe, das du niemals darauf zugreifen kannst. Zumindest auf die dunkle, gefährliche Magie des Necronomicrons. Es ist nur zu deinem Schutz und von deiner Schwester.
Ansonsten werdet ihr beide sehr mächtig sein und deine Mutter und ich haben uns immer vorgestellt, wie stolz wir beide wären, euch in Sicherheit zu wissen. Maria und Du ward immer unser Stolz und habt uns nie enttäuscht. Ihr ward die Sonne an unserem Himmel und unser ganzes Glück. Wir haben euch beide sehr geliebt und werden euch immer lieben. Und Deine Mutter und ich haben uns immer vorgestellt, das auch ihr Glück, Liebe und Zufriedenheit in einer Partnerschaft und Familie findet.
Hiermit ende ich mit meinen Erklärungen. Anbei ist das Tagebuch meines Vaters, das ich nach seinem Tod weiterführte. Dort wirst Du noch Antworten finden, solltest Du noch Fragen haben. Und eine mehr detaillierte Aufzeichnung unserer Familie. Leb wohl, mein Sohn und achte auf Deine Schwester.
In Liebe Dein Vater.
Merlin hielt das Pergament in der Hand und starrte es fassungslos an. Er hatte nicht bemerkt, das Tränen seine Wangen herunterliefen und wischte sie etwas beschämt weg. Sein Herz schmerzte, den als der Brief endete, hatte er das Gefühl, das sein Vater endgültig gegangen war.
„Merlin?"
Er schaute nicht auf und sagte leise.
„Lass mir einen Moment, Maria. Bitte."
„Natürlich. Verzeih."
Nach einer Weile faltete er den Brief zusammen und legte ihn in die Box mit dem Tagebuch. Er wandte sich Maria zu.
„Lies es oben, Maria. Bei dem Licht hier ist es sehr anstrengend", sagte er zu ihr ernst.
Sie nickte und sah sich in der Kammer ihres Vaters um. Der Gedanke, das er hier viel Zeit verbracht hatte und er oft an diesem Schreibtisch saß, gab ihr ein Gefühl, als wäre er noch da. Doch ihre Eltern waren gegangen und keine Magie der Welt konnte sie zurückbringen. Schweigend verließen sie die Kammer. Merlin verschloss und tarnte sie wieder mit Magie. Sie warf Merlin öfter einen Blick zu, doch er ihr Bruder war ernst und in Gedanken. Nachdem alles wieder so war, wie sie es vorgefunden hatten, gingen sie nach oben. Merlin öffnete in der Bibliothek wieder die Box und gab Maria immer noch schweigend den Brief. Doch dann sagte er; inzwischen war es Abend.
„Ich ziehe mich zurück."
Sie nickte und Merlin nahm das alte Einband aus der Box und ging langsam die Treppe hoch. Maria sah ihm nach. So ernst und schweigend hatte sie ihn noch nie gesehen und seine Augen wirkten traurig. Sie schaute auf den Brief in ihren Händen; ihr Herz klopfte, als sie sich auf das Sofa setzte, das heute sehr viel wert war und den Brief öffnete.
Dann begann sie zu lesen. Und auch viel später saß sie auf dem Sofa und weinte. Für beide waren die letzten Zeilen ihres Vaters sehr emotional, auch die Dinge, die er geschrieben hatte. Sie wussten endlich, wer sie waren und auch wo sie ursprünglich ihre Wurzeln hatten. Sie wurden in Spanien geboren und waren spanischer Herkunft, doch ihr Blut hatte ganz andere Wurzeln. Irgendwann ging sie zu Bett, dachte noch lange darüber nach, bevor sie einschlief.
Die letzten Zeilen ihres Vaters auf dem Nachttisch.
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Am Morgen trafen sie sich zum Frühstück. Merlin hatte nicht gut geschlafen und noch in dem Tagebuch gelesen. Dort stand noch einiges, was sein Großvater und auch Vater gedacht und gefühlt hatten. Sie saßen schweigend am Tisch, bis Maria ihn ansah.
„Willst du darüber reden? Es war schon sehr schmerzlich, doch auch interessant."
„Ja. Und er gab mir die Antworten auf meine Fragen", sagte Merlin „Und er wäre nicht erfreut, das ich genau auf diese Magie zurückgegriffen habe, vor der er uns gewarnt hatte. Auch das das verschollene Buch nicht mehr verschollen ist. Serena hat es."
„Was? Wie kommt sie an das Buch?"
„Weiß ich nicht, aber ich werde sie fragen. Offiziell gehört das Buch eigentlich uns."
„Willst du es haben?", fragte sie.
„Ich weiß es nicht. Doch darin steht genau diese dunkle Magie, vor der uns Vater warnte und...Die ich angewendet habe."
„Die Zeit.", sagte Maria „Das warst du, der die Zeit in Schottland angehalten hatte."
Er nickte und legte das Messer weg, sah sie an.
„Und der auch diese gefährliche Magie angewandt hatte, um Arthur zu retten. Das kostete mich ein Stück meiner Seele und ich denke, das ist genau das, vor dem uns Vater warnen wollte."
„Aber wieso hast du das gekonnt? Er schrieb, das er sie extra noch unter einem Bann legte, so das wir nicht darauf zurückgreifen können."
Merlin seufzte und trank einen Schluck Kaffee.
„Ich weiß es nicht. Vielleicht weil Arthur im Sterben lag. Das hat irgendetwas in mir ausgelöst. Keine Ahnung", er sah sie an „Maria, versprich mir, das du nicht versuchen wirst, diese Magie in dir zu finden."
„Nein, werde ich nicht. Ich möchte meine Seele behalten. Und ich möchte, das Vater in Frieden ruht, weil er weiß, das wir nicht so gierig nach Macht sind. Wir beide sind auch sehr mächtig ohne diese Magie. Und mein geliebter Gefährte würde ausrasten, wenn ich sie anwenden würde. Aber ich möchte von dir das gleiche Versprechen. Tue das nie wieder, Merlin. Tue das nie wieder, was du in Schottland getan hast. Ich habe nur noch dich, was unsere Familie angeht."
„Das habe ich nicht vor."
„Gut. Ich meine, die Zeit anhalten ist ja nicht so schlimm. Das macht Arthur andauernd. Es ist doch seltsam, das du auch wie er diese Fähigkeit hast", sie lächelte „Wie ich schon sagte, Hexen und Vampire sind sehr kompatibel."
„Mag sein. Trifft aber nicht auf alle Vampire zu."
„Ich weiß, das du Arthur damit meinst. Merlin, du solltest wirklich mit ihm reden. Und ich meine nicht nur ihm vorzuwerfen, was er mal getan hat und nicht. Er bemüht sich und er liebt dich. Und früher oder später wirst du nachgeben, doch du solltest mal Klartext reden."
„Was meinst du?"
Maria schenkte ihnen beiden noch Kaffee ein und antwortete.
„Du gehst mit ihm essen und was sonst noch. Ihr beide seid die letzte Zeit viel zusammen und doch lässt du ihn im Ungewissen. Wir beide wissen, das du nur bei ihm das findest, was du suchst und wir wissen, das du es in Betracht ziehst, es noch einmal zu versuchen."
„Wie ich schon sagte...Habe ich eine Wahl?", sagte Merlin.
„Stell es jetzt nicht so hin, als müsstest du dich zwingen. Wir beide wissen, das du die letzten hundert Jahre an nichts anderes mehr dachtest als an diesen blonden Adonis von einem Vampir. Aber rede mit ihm über euch. Sag ihm, was du dir unter Gefährten vorstellst. Wegen mir auch, das dies seine letzte Chance ist. Hör dir an, wie er jetzt über euch denkt. Sagt euch die unverblümte Wahrheit und redet nicht drum herum. Nur klärt das endlich, auch die Vergangenheit. Erzähle ihm, was du bist und wo du herkommst. Und sage ihm, was du für ihn getan hast."
„Ich gehe nicht mit meinen Kräften hausieren oder will mich hervorheben", sagte Merlin.
„Das weiß ich und das solltest du auch nicht. Doch er hat ein Recht darauf zu wissen, was passiert ist. Schließlich ging es ja um seine Existenz. Ihr solltet, wenn du wirklich in Betracht ziehst, wieder mit ihm zusammen zu sein, nicht mit Geheimnissen anfangen. Spricht euch mal aus und wenn möglich, ohne das ihr euch an die Kehle geht. Ich denke, das diese viele Streitereien eure Frustration ist, weil ihr zu keinem Ergebnis kommt. Ob negativ oder positiv; ihr beide sitzt zwischen den Stühlen. Entweder setzt ihr euch oder jeder geht seiner Wege. Aber dieser Zustand jetzt ist nervig. Nicht nur für euch beide. Entscheide dich, Merlin. Arthur weiß, was er will...Dich. Es liegt an dir."
Merlin sagte nichts, doch was Maria sagte, war alles wahr. Zuviel prasselte im Moment auf ihn ein. Vaters Vermächtnis und Erklärung; Arthur, der ihn zurück wollte und keine Mühen scheute. Magie, die er praktizierte, vor der ihn sein Vater warnte und letztendlich auch diese Zeitmagie. Er musste sich mit jemanden darüber unterhalten, der ihm Ratschläge gab. Er sprach mit Maria, ja. Aber er musste auch mit Serena reden. Und ja; er musste sich endlich entscheiden, was er wollte, was Arthur anging. Alles Dinge, die ihn belasteten.
„Du hast ja recht", sagte er schließlich „Ich gehe etwas spazieren, bevor es richtig heiß wird. Muss den Kopf frei bekommen."
„Tu das. Und heute Mittag gehen wir in die Stadt. Ich möchte mal nach der Mode hier sehen."
Merlin seufzte und sie lächelte.
„Warum sind alle Männer immer so genervt, wenn ich das Wort Shopping sage? Lance auch; er hat tausend Ausreden um nicht mitzugehen."
„Das liegt wohl daran, das ihr euch alles so genau anschaut", schmunzelte Merlin und Maria war froh, das er etwas lockerer wurde „Ich gehe in die Stadt in ein Geschäft; greife mir, was ich kaufen will und bezahle. Dafür brauche ich nicht einen ganzen Nachmittag."
„Wie langweilig", sagte sie und Merlin lächelte jetzt „Bis später, Schwesterlein."
Dann ging er hinaus und Maria saß nachdenklich am Tisch. Es hatte sie sehr geschmerzt, die letzten Zeilen ihres Vaters zu lesen. Doch Merlin traf es bis ins Mark. Die Erkenntnis, was seine Magie anging und auch den Tod ihrer Eltern. Damals hatte er sich nichts anmerken lassen, kümmerte sich rührend um sie und um Vaters Nachlass. Früher bis vor Kurzem dachte sie, das Merlin den Tod ihrer Eltern wirklich gut im Griff hatte und er nicht so litt. Doch gestern sah sie, wie sehr er davon betroffen war, als er den Brief las. Und auch jetzt wirkte er noch bedrückt.
Schließlich stand sie seufzend auf und machte sich daran, den Tisch abzuräumen.
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Am Abend des gleichen Tages saß Merlin auf dem Sofa mit einem Glas Brandy. Maria war in der Küche; sie hatten gerade gegessen und es hatte sehr gut geschmeckt. Es war schade, das Maria für Vampire nicht kochen konnte, denn das machte sie sehr gerne und gut. Und das vermisste sie auch ein wenig.
Sie waren erst gegen Abend aus der Stadt gekommen. Maria und er bepackt mit vielen Taschen und es war genau so abgegangen, wie Merlin befürchtet hatte. Viele Geschäfte und stundenlang...Ein Horror für ihn. Er fragte sich ernsthaft, was man Stunden in einem Geschäft sehen konnte. Doch er ließ es Maria zuliebe über sich ergehen und lenkte ihn von seinen trüben Gedanken ab. Er stand auf und ging zur Bar, schenkte sich noch einen Brandy ein, als er aus dem Fenster sah. Es war fast dunkel und eine wunderschöne, warme Sommernacht.
Er wollte sich schon umdrehen, als er stockte und näher ans Fenster ging. Prüfend schaute er hinaus zum Weg, der zum großen Tor führte und dort am Tor stand jemand. Unbeweglich stand er dort und sah zum Haus und Merlin fühlte sich einen Moment, als wäre das ein Deja-vu. Denn damals vor so vielen Jahren stand schon einmal dort ein Mann, den Merlin nicht erwartet hatte. Arthur. Damals, als er so verzweifelt war, weil er dachte, das Arthur in Moskau ums Leben gekommen war.
Merlin wusste sehr genau, wer dort stand, ohne ihn wirklich zu erkennen. Der selbe Mann, der ihn damals in diese Verzweiflung getrieben hatte, durch seinen Tod. So viel zu Serenas Versprechen, ihm nicht zu sagen, wo er war. Merlin stellte das Glas auf den Tisch und ging hinaus in die Küche.
„Arthur ist hier", sagte er zu Maria.
„Wo?"
„Er steht oben am Tor."
„Er hat wohl viel Sinn für das Dramatische. Was?", grinste Maria „Dort stand er doch damals auch."
„Ja. Ist fast wie ein Deja-vu."
„Klar. War wohl seine Absicht, was immer er auch damit bezwecken will."
Da Merlin sich nicht bewegte, hörte sie auf, die Tische abzuwischen und sah ihn an.
„Was ist? Worauf wartest du? Geh zu ihm."
Merlin drehte sich um und sie rief ihm hinterher.
„Denk daran, was ich heute morgen sagte. Spricht euch mal aus und hier stört euch niemand. Ich werde meine neuen Kleider anprobieren, also lasst euch Zeit."
Merlin ging die Haustür heraus und den langen Weg zum Tor. Er sah zum Himmel...Sternenklar. Ein lauer Wind ging und es war immer noch warm. Sein Herz klopfte schneller, als er Arthur erkannte, der immer noch bewegungslos dort stand und ihm entgegenblickte. Er versuchte sich zu beruhigen, denn er wollte nicht, das Arthur bemerkte, wie aufgeregt er war, wenn er den blonden Vampir sah. Schließlich blieb er vor ihm stehen; Arthurs Augen dunkel in der Nacht und er sagte nichts. Merlin hatte sich wieder im Griff, doch auch er sagte nichts. Sie sahen sich nur schweigend an und nichts existierte im Moment um sie. Nach dem kurzen Schweigen sagte der Vampir.
„Nun stehen wir wieder hier, wo alles angefangen hatte. Ist doch seltsam."
„Nein, eigentlich nicht", antwortete Merlin „Serena sagte dir wohl, wo ich bin. War wohl deine Absicht, die Vergangenheit aufleben zu lassen."
„Ja. Aber ich weiß, das wir Vergangenes nicht auslöschen können", sagte Arthur „Doch welche Stelle ist besser geeignet für einen Neuanfang als hier? Wie damals, als alles mit uns begann."
Merlin dachte flüchtig daran, das er das ja könnte. Dank seiner Mutter, die ihm diese Zeitmagie vererbt hatte. Doch Merlin wollte nicht mit dem Feuer spielen.
Eines zieht das andere nach. Es ist wie ein Dominoeffekt. Und kann eine verheerende Wirkung haben.
Das sagte mal Serena über Zeitreisen, als sie ihn und Maria warnte, mit der Zeit zu spielen. Und nun sagte das auch sein Vater in seinem letzten Brief. Würde er Arthurs Vergangenheit ändern, würde er ihn vielleicht nie treffen. Merlin konnte darauf verzichten. Arthur zu treffen war ihm bestimmt und er wollte es nicht ändern. Niemals...trotz allem, was beide mitmachen mussten.
„Ja, aber in dieser Zeit dachten wir, das wir sehr glücklich werden würden. Weit gefehlt", antwortete Merlin etwas sarkastisch.
„Sicher. Aber das können wir immer noch werden. Es ist nie zu spät", antwortete der Vampir „Vielleicht sagte Serena mir auch deswegen, wo du bist. Sie möchte für dich nur das Beste."
„Und du denkst, das du das Beste für mich bist?", fragte Merlin „Den Eindruck hatte ich bis jetzt nicht."
„Ich sagte dir jetzt schon hundert Mal, das ich mich verändert habe. Scheinbar hörst du nicht zu, Merlin. Es wird alles anders. Das sagte ich auch Serena und deshalb verriet sie mir, wo du bist."
Merlin sah ihn skeptisch an. Das war nicht Serenas Art, obwohl sie wirklich das Beste für Merlin wollte. Doch er kannte Arthur, wahrscheinlich wurde er sauer und hatte ihr gedroht. Was Serena bestimmt nicht sehr beeindruckt hatte. Trotzdem fragte er nach.
„Das glaube ich eher nicht, das sie es deswegen tat. Was hast du getan, das sie ihr Schweigen brach? Hast du sie bedroht?"
„Ich hatte sie unter Druck gesetzt. Ja. Aber ich würde ihr nie etwas tun. Und ich musste unangenehme Fragen beantworten", sagte Arthur wahrheitsgemäß „Diese Hexe tut nichts umsonst."
„Welche Fragen?"
„Über meine Vergangenheit in Moskau. Das fand ich nicht lustig."
Klar. Das wusste Merlin nur zu gut. Das war etwas, was Arthur niemanden erzählen wollte. Und doch hatte er es getan, um Merlins Aufenthaltsort zu erfahren. Merlin fühlte sich geschmeichelt, doch ließ sich nichts anmerken.
„Und warum stehst du jetzt hier?", fragte Merlin.
„Ich wollte sicher gehen, das du dich nicht wieder absetzt. Einhundertdreißig Jahre Suchen war mir genug."
„Ich sagte schon, das ich nicht mehr fortlaufe", antwortete Merlin „Ich werde mich dem Problem stellen."
„Meiner Wenigkeit. Nicht wahr?", fragte Arthur.
„Seit wann bist du so bescheiden und wenn wir gerade davon reden. Wieso bist du so nett und höflich? Das bist nicht du, Arthur. Du versteckst dich hinter Eigenschaften, die dir fremd sind oder fremd geworden sind."
„Ich dachte, das du darauf Wert legst."
Merlin überkreuzte seine Arme vor seiner Brust; es sah trotzig aus.
„Nein. Tue ich nicht. Nicht, wenn du mir das vorspielst."
„Verdammt", sagte Arthur „Bin ich wie ich bin, gefällt dir das nicht. Versuche ich so zu sein, wie du mich haben willst, gefällt es dir auch nicht. Was willst du, Merlin?"
Merlin ließ die Arme sinken und trat einen Schritt näher.
„Ich will, das du der bist, der du bist. Mit all deinen schlechten Eigenschaften und den guten. Obwohl die schlechten Eigenschaften in der Mehrzahl sind. Aber das bist du, Arthur und der Mann, den ich so kennenlernte und letztendlich..."
„Was? Sag es Merlin", sagte Arthur „Du beschwerst dich, das ich dir etwas vormache, aber du selbst tust es auch. Sag es."
„Okay. Reden wir Klartext", antwortete Merlin nach einem Moment und benutzte Marias Worte „Ich wollte sagen, den ich so kennenlernte und liebte."
„Liebte?"
Merlin nahm genervt Luft.
„Übertreib es nicht, Arthur. Reden wir oder nicht?"
„Ja, gut."
„Und Arthur. Wenn du jemals wissen willst, ob das mit uns beiden noch einmal etwas werden kann, dann sag mir die Wahrheit. Keine Geheimnisse oder etwas verschweigen. Das gilt auch für mich. Du willst einen Neuanfang? Dann ohne Geheimnisse. Bist du dazu bereit?"
Der Vampir nickte und schaute über die dunkle Landschaft.
„Lass uns spazieren gehen."
Merlin nickte und ging neben ihm über den Feldweg. Einen Moment sprachen sie nicht, gingen nur schweigend nebeneinander. Doch nach einer Weile setzte sich Arthur auf einen Baumstamm, der am Wegrand lag. Er schaute Merlin fragend an. Schließlich sagte er.
„Okay, dann fang ich an. Ich habe sehr viel Schlimmes, was dich betrifft, getan. Das bestreite ich nicht. Und ja, abgesehen von der Zeit, als ich die Vampir Bestie war, hatte ich dich betrogen und belogen. Diese Sache mit Sethos...In seinem Haus damals. Ich dachte mir nicht wirklich etwas dabei. Es war nur Sex. Ich mag Sethos, aber ich liebe ihn nicht. Und er mich auch nicht. Es war Spaß und ich muss dir gestehen, das ich dabei nicht an dich dachte. Das du zu Hause wartest und dir Sorgen machst. Ich sah es als selbstverständlich, das ich trotz dir tun kann, was ich möchte."
Er machte eine Pause; Merlin sagte nichts. Arthur sprach weiter.
„Ich weiß auch nicht. Ich kann dir nicht einmal sagen, wieso das so war", er sah Merlin an „Gut, keine Geheimnisse", sagte er, als wollte er sich das wieder bestätigen „Ich schlief auch mit Anchar, aber nur einmal."
„Na toll", sagte jetzt Merlin grimmig „Das wusste ich noch nicht."
„Du sagtest; keine Geheimnisse."
„Ja, sagte ich."
„Also gut, das mit deinen Schwestern weißt du ja schon und das eine Mal mit Sethos in Mailand."
„Da war ich live dabei", sagte der Hexer sarkastisch „Das weiß ich nur zu genau. Sonst noch irgendjemand?"
„Nein. Und das ist die verfickte Wahrheit", sagte Arthur „Außer diese Zeit, in der ich dich suchte, aber das hatte einen anderen Grund."
„Der einzige Grund, den ich verstehe", sagte Merlin „Ich habe Noel und Lance gefragt und sie haben bestätigt, das Vampire das tun müssen. Sonst werden sie aggressiv."
Arthur machte eine gebende Handbewegung, doch Merlin sagte.
„Das rechtfertigt aber nicht das andere."
„Ich habe keine Rechtfertigung dafür", antwortete der Vampir „Ich war krank. Psychisch krank und du weißt warum."
Merlin setzte sich neben ihn.
„Ja. Diese Sache in Moskau...Vor mir. Du hast das nie richtig verarbeitet, weil du darüber geschwiegen hast, anstatt dich jemandem anzuvertrauen. Und dieses letzte Mal, als du dich Alexej geopfert hast, um uns Zeit zu geben, war falsch. Ich wusste es damals schon, als ich dagegen war. Letztendlich brachte es dieses Trauma wieder ans Tageslicht."
Arthur nickte.
„Ja und laut dem Menschenarzt versuchte ich das auszugleichen, indem ich andauernd Sex hatte. In dieser Zeit, wenn ich jemanden fickte, fühlte ich mich irgendwie gut. Ich weiß, es ist eine lausige Entschuldigung."
„Nein...Nein", sagte Merlin „Da ist etwas Wahres dran. Abgesehen davon, das du gerne Sex hattest. Doch ich habe das mal nachgeschlagen. Es beeinträchtigt das Denken und Fühlen, was richtig ist und falsch. Dieser Arzt für seelische Krankheiten bei Menschen hatte schon recht. Das hat aber nichts mit deiner Treue zu tun. Nicht wirklich."
„Ja, du hast recht und Sex mag ich immer noch sehr", gestand er „Doch ich hatte viel Zeit zum Nachdenken. Und letztendlich herausgefunden, was mir wichtig ist und was ich will", er sah Merlin an „Du bist mir wichtig. Das Wichtigste überhaupt. Ich hätte noch tausend Jahre gesucht. Ich liebe dich und ich möchte die Ewigkeit nicht ohne dich verbringen, denn dann hat alles keinen Sinn."
Arthur schwieg und schaute ihn jetzt an.
„Du bist dran."
Merlin schaute über das dunkle Land. Er liebte Spanien und seinen Geburtsort. Hier war er immer glücklich gewesen und hier fand er Arthur. Trotz allem war er dafür sehr dankbar. Arthur existierte nur, um Merlin zu treffen. Und er liebte diesen unmöglichen Vampir und würde wohl nie damit aufhören. Er hatte es versucht, sich mit anderen eingelassen, aber er konnte nicht aufhören, Arthur zu lieben. Und sich nach ihm zu sehnen.
Und die Ewigkeit ohne ihn zu verbringen, gefiel Merlin auch nicht. Er war hundertdreißig Jahre ohne Arthur gewesen und es hatte ihm nur Kummer gebracht. Und die Tatsache, das er ihn nicht vergessen konnte. Maria sagte ihm, er sollte sich endlich entscheiden, was er will. Und Merlin hatte entschieden. Er entschied sich wieder für das Risiko. Es würde ein Risiko sein, denn es könnte wiederholt schiefgehen. Er war bereit dafür und er war bereit, es wieder zu ertragen. Doch sollte Arthur die Wahrheit sagen, war er mehr als bereit dafür, endlich glücklich zu werden. Denn das konnte er nur mit Arthur werden; soviel wusste er schon mit Sicherheit. Also war er wieder so blöd und ließ sich auf Arthur ein. Unverbesserlich, dachte er. Aber was hatte er für eine Wahl? Doch er würde es ihm nicht leicht machen.
„Also gut", sagte er jetzt, ohne den Vampir anzusehen „Mit Treuebruch kann ich nicht dienen. Ich hatte genug Affären, doch nichts Ernstes. Und zwar nach dir. Bis ich Dante traf. Dante war so sehr das, was ich wollte...Was ich mir unter Gefährten vorstellte. Und er fragte mich, ob ich sein Gefährte sein will. Ich wollte es so sehr, um dich zu vergessen. Doch Dante sah letztendlich ein, das ich ihn für diesen Schritt nicht genug liebte. Und ich wusste es auch und hätte ihn unglücklich gemacht, weil meine Gedanken bei jemand anderem waren. Bei dir. Ich habe wahrlich versucht, dich hinter mir zu lassen, aber es half nichts. Nicht die Entfernung oder andere Partner. Schließlich sah ich ein, das ich nur mit dir Glück und Frieden finden würde. Doch ich habe Angst, Arthur. Ich bin schon so oft durch die Hölle mit Kummer und Schmerz gegangen und ich habe die Schnauze gestrichen voll davon."
„Du wirst nicht wieder leiden und ich auch nicht", sagte Arthur.
Merlin sah ihn an.
„Wirklich? Denn ich würde wieder unbedingte Treue verlangen. Kannst du jetzt damit umgehen? Ich möchte nicht erneut die Tür aufmachen und dich in Flagranti erwischen. Einmal reicht für die Ewigkeit."
„Ich kann damit umgehen. Solange du das von mir verlangst", beteuerte Arthur „Glaube mir. Wenn ich nichts gelernt habe; diese Lektion bestimmt. Du hast mich verlassen und ich habe dich hundertdreißig Jahre gesucht. Und ich würde jetzt immer noch suchen, wenn ich dich nicht gefunden hätte. Es gibt keinen Anderen als dich, Merlin. Und ich will alles von dir wissen."
„Warum?" Eine berechtigte Frage, wenn Merlin bedachte, das es ihn früher nie interessiert hatte.
„Weil alles was dich betrifft mich interessiert. Ich habe dir nicht diese Achtung und Aufmerksamkeit gegeben, die du verdient hast, auch nicht das Interesse, das ich als deinen Gefährten haben sollte. Ich kenne dich eigentlich nicht. Ich weiß nicht, was du magst und was nicht. Welche Lieblingsfarbe du hast oder deine Lieblingsspeise. Ich habe mich in der Vergangenheit nur für deinen Körper interessiert. Das wird nicht noch einmal passieren. Ich will alles von dir wissen, alles über deine Magie. Denn ich weiß eigentlich nichts darüber und andere kennen dich besser als ich es jemals tat."
„Du meinst das ernst?"
„Merlin. Du bist ein Hexer und kannst mir sonst etwas anhexen. Man sollte sich nicht mit Hexen anlegen", grinste Arthur, doch wurde ernst und nachdrücklich, als er weitersprach „Ja, ich meine das ernst. Und ich sage das nicht nur so dahin; ich will es wirklich wissen. Du bist mein Gefährte und ich kenne dich eigentlich gar nicht."
„Selbst schuld. Du hast nie gefragt oder dich jemals für meine Person interessiert."
„Nein, ich wollte dich nur im Bett", gestand er „Diese...Gefährtensache hatte Lance versucht mir zu erklären, doch ich hörte nicht zu. Und sollten wir wieder zusammenfinden, dann bin ich nicht perfekt, Merlin."
Der Hexer sah ihn an.
„Du denkst, ich will etwas Perfektes? Nein, auf keinen Fall. Ich will eine ganz normale Beziehung mit Liebe, Spaß und Leidenschaft. Aber auch Streit und Unstimmigkeiten. Ich möchte einen Gefährten, der mir nicht immer recht gibt, weil er mir etwas Gutes tun will. Ich will lieben, streiten und auch mal zwei Tage beleidigt sein, nur um mich wieder zu versöhnen. Eine ganz normale Partnerschaft. Aber wenn möglich, ohne das ich ins Zimmer komme und mein Gefährte über dem Tisch liegt und sich von einem anderen vögeln lässt."
„Das hältst du mir wohl noch in tausend Jahren vor. Was?"
Merlin grinste.
„Hatte ich vor."
„Komm schon, Merlin. Du sagtest aussprechen und Vergangenes Vergangenes lassen und nach vorne sehen."
„Hast du schön gesagt. Auswendig gelernt?", fragte Merlin belustigt.
„Verdammt. Nein. Ich meine es ernst."
„Ich weiß. Und ich möchte dir etwas über meine Magie erzählen und was in Schottland wirklich passierte."
Merlin erzählte, was er erlebt und getan hatte. Arthur schaute ihn unentwegt an und in seinem Gesicht war Unglauben, Erstaunen und Zärtlichkeit. Als Merlin endete, entstand eine Stille, bis Arthur leise nachfragte.
„Du...Hast ein Stück deiner Seele für mich geopfert?"
„Ja, aber da wusste ich das noch nicht."
„Sonst hättest du es nicht getan. Ja?", fragte Arthur. Merlin schaute ihn an, sein Blick vorwurfsvoll.
„Ich liebe dich, du Volltrottel. Als du da lagst und ich sah, das du aufhören würdest zu sein und ich dich niemals wiedersehen würde, hatte ich das Gefühl, das ich sterben würde. Ich schrie und war so verzweifelt, das irgendetwas diese Magie ausgelöst hatte. Ich hatte plötzlich diese Hexensprüche im Kopf und wusste, was ich damit tun konnte und ich tat es. Die Geister meiner Vorfahren taten das nicht umsonst, indem sie mir Macht von sich gaben; ihr Preis war ein Stück meiner Seele. Und um deine Frage zu beantworten...Ich würde wieder so handeln, auch wenn ich wüsste, was der Preis ist. Ich liebe dich, du Vollpfosten und kann das nicht ändern. Denkst du wirklich, ich stehe untätig neben dran und siehe zu, wie du stirbst, wenn ich die Möglichkeit habe, dich zu retten? Eigentlich sollte ich jetzt beleidigt sein."e
Arthur lächelte vor sich hin, doch Merlin sah es trotz der Dunkelheit.
„Das heißt aber noch nicht, das ich auf einen Neuanfang einwillige."
„Ich weiß", sagte Arthur „Du willst mich auf Knien rutschen und betteln sehen. Deine ganz persöhnliche Rache. Aber ich werde es tun, wenn du es verlangst. Ich werde alles tun, was du willst. Sag mir, was du von mir willst."
„Mhm...Der Gedanke war mir noch nicht gekommen", sagte Merlin amüsiert „Keine schlechte Idee. Dich auf Knien zu sehen, dafür würde Lance wieder über den Atlantik fliegen."
„Sehr lustig."
„Okay. Du fragst mich, was ich von dir will", nahm Merlin wieder die Frage auf „Ich sag es dir. Ich will, das du mir nichts vorspielst. Sei einfach Arthur, so wie ich dich kenne. Arrogant, überheblich, aggressiv, aber auch zärtlich und liebevoll. Denn das warst du auch. Ich liebe dich so wie du bist, mit allen Höhen und Tiefen. Aber spiele mir nicht den netten Vampir von nebenan vor, denn das bist du nicht. Ich will, das du du selbst bist, so wie ich dich kenne. Desweiteren verlange ich, wie schon angesprochen, unbedingte Treue. Und Arthur, wenn du dich diesmal nicht daran hältst, bin ich weg und du wirst mich nie mehr finden. Ich bin ein Hexer mit großer Macht, mehr Macht als mir lieb ist. Wenn ich ganz verschwinden will, dann bin ich vom Radar."
„Ich werde dich nicht mehr enttäuschen."
„Das sagst du andauernd, aber ich habe meine Bedenken. Und noch etwas. Ich liebe dich, aber ich vertraue dir nicht mehr. Maria sagte, das Vertrauen langsam kommt, also verdiene es dir."
„Werde ich. Sonst noch etwas?"
„Ja, ich möchte, das du mit mir sprichst. Deine Probleme sind auch meine Probleme, wenn wir Gefährten sind und wir beide lösen sie. Rede mit mir, Arthur. Was dir gefällt und nicht. Auch solche Dinge, die die Vergangenheit betreffen, wie Moskau. Ich war dabei, Arthur...Als du von Alexej kamst und ich half Noel, dich zu versorgen. Es ist nichts, vor dem du dich bei mir schämen musst. Ich war damals dagegen, das du es tust. Doch nach dieser Sache hatte ich solch eine Achtung vor dir. Du hast es wieder ertragen, obwohl du wusstest was passiert. Also rede mit mir auch darüber, wenn du das Bedürfnis hast. Kommuniziere mit mir und behalte nicht alles für dich."
Arthur schwieg, doch dann sagte er.
„Und wenn ich das nicht so hinbekomme? Das ist etwas, was mir nicht leicht fällt. Ich war noch nie sehr gesprächig, was mich angeht."
„Nein, aber dann lernst du es. Ich verlange ja nicht, das dies alles auf Anhieb klappen muss. Doch das wären die wesentlichen Dinge, die mir in einer Beziehung wichtig sind", sagte Merlin „Und ich möchte meine Partnerschaft nicht nur im Bett verbringen. Ich möchte ausgehen, etwas erleben, mich mit Freunden treffen. Reisen und etwas Schönes mit meinem Gefährten erleben. Schau doch Lance und Maria an. Sie leben es vor."
„Lance ist so anders als ich."
„Ja, mag sein. Ich bin mir sicher, das auch er sich etwas umstellen musste, als Maria kam. Arthur, ich sage es noch einmal. Keine Affären oder hinter meinem Rücken mit anderen vögeln. Ich meine es todernst. Ich werde dir nicht wieder verzeihen. Das hier ist deine letzte Chance. Vermassele es nicht."
Arthur nickte.
„Werde ich nicht. Nie wieder."
„Dein Wort in Gottes Ohr, Vampir."
Arthur sah ihn an.
„Heißt das jetzt, das wir..."
Merlin nahm Luft.
„Das heißt, das der Hexer wieder so blöd ist und sich auf einen Vampir einlässt, der den Schwanz nicht in der Hose lassen kann."
„Das werde ich. Ich werde ihn nur für dich herausholen. Versprochen."
„Wir werden sehen."
Wieder entstand eine Stille und wieder war es Arthur, der sie brach.
„Bist du glücklich?"
„Noch nicht. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt", antwortete Merlin wieder so sarkastisch.
Arthur lachte leise.
„Gott, ich liebe dich. Ich liebe deinen schwarzen Humor, deinen Sarkasmus und..."
„Sag jetzt nur nicht meinen Schwanz und meinen Arsch."
„Muss ich nicht sagen, denn...Das weißt du ja."
„Nur zu gut", antwortete Merlin „Schließlich war das früher alles, was dich an mir interessiert hatte."
„Du musst nicht denken, das ich mit dir schlafen will."
Merlin grinste und sah ihn an.
„Ach? Nein? Du willst also nicht mehr mit mir schlafen."
„Verflucht. So meinte ich das nicht", sagte Arthur „Natürlich will ich das. Mehr als du dir vorstellen kannst, aber nicht mehr so wie früher. Es wird anders sein."
„Da bin ich mal gespannt."
„Oh man. Du verdrehst mir meine Worte im Mund."
Merlin kicherte und Arthur griff nach seiner Hand.
„Danke. Danke, das du mir noch eine Chance gibst. Ich werde dich nicht enttäuschen. Wenn doch, gehe ich in die Sonne."
„Versprich nichts, was du nicht halten kannst."
„Ich meine es verflucht ernst. Ich will nicht ohne dich sein, Merlin. Nie wieder."
Merlin seufzte.
„Also gut. Wir sind offiziell zusammen. Ich hoffe, ich bereue es nicht."
„Wirst du nicht", sagte Arthur „Und wir werden unseren Blutbund erneuern. Nicht jetzt...Wenn du dazu bereit bist, Merlin."
„Gut", sagte dieser und sah hoch zum Himmel „Denn ich werde nicht wieder gleich mit dir ins Bett springen. Das kannst du vergessen."
„Ich wusste, das die Sache einen Haken hat", sagte Arthur frustriert „Muss ich jetzt hundertdreißig Jahre warten, bis du Ja sagst?"
„Wäre eine Überlegung wert", schmunzelte Merlin, als er in Arthurs Gesicht sah.
„Na toll."
Er war sternenklare Nacht und Merlin zog die Luft ein. Er fühlte sich frei, als wäre eine große Last von seinem Herzen gefallen und er fühlte sich...Zufrieden und ein klein wenig glücklich. Aber da war noch die Sache mit seines Vaters Brief und seiner Magie, was ihm Sorgen machte. Doch das hatte jetzt etwas Zeit, bis er mit Serena sprechen konnte.
„Du kannst im Haus den Tag überdauern", sagte Merlin „Wenn du das willst."
„Im Keller?"
„Ja, er hat keine Fenster. Leider ist die Hazienda nicht so komfortabel wie Marias Haus in Paris."
„Es genügt mir", sagte Arthur „Wenn ich nur in deiner Nähe sein kann."
Merlin schaute ihn an und Arthur beugte sich vor und küsste ihn. Sanft und fragend. Doch als Merlin den Kuss erwiderte, zog er den Hexer näher und küsste ihn richtig. Merlin seufzte. Meine Güte. Er hatte schon so viele Männer geküsst, doch Arthur zu küssen fühlte sich so verdammt gut an, richtig. Als wäre er nach Hause gekommen und er hoffte, er konnte bleiben. Arthur ließ ihn los und Merlin stand auf.
„Lass uns zurückgehen, sonst macht Maria sich Sorgen."
Arthur stand auf und sie gingen den Weg zurück. Der Vampir nahm Merlins Hand und so gingen sie schweigend zurück, bis Arthur leise sagte.
„Ich liebe dich, Merlin."
Merlin blieb stehen und zog ihn an sich, küsste den Vampir, der seine große Liebe, sein Seelengefährte war. Er musterte Arthurs schöne Züge in der Dunkelheit und sagte.
„Ich liebe dich auch. Ich habe nie aufgehört damit, Vampir."
„Ich weiß. Ich auch nicht."
Sie gingen weiter und Merlin wusste, das Maria es auch wusste, wie dieses Treffen ausgegangen ist. Sie kannte ihn einfach zu gut; zumal sie sich das auch wünschte. Jeder, der Arthur und Merlin in einem Raum sah, wusste was Sache war.
Auch Dante hatte das gesehen und hatte letztendlich eingesehen, das er gegen diese Liebe nicht ankam.
Sie hatte Jahrhunderte überdauert. Und begann wieder dort, wo sie ihren Anfang hatte.
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Dunkles Schicksal
FantasyNach dem Tod seiner Eltern, die von Vampiren getötet wurden, wird der junge spanische Graf Merlin del la Vega zum Jäger. Sein Hauptmerkmal ist ein vermögender, hoch angesehener Vampir, den er für den Mörder seiner Eltern hält. Erbittert jagt er ihn...