Dunkles Schicksal
Kapitel 14
Merlin kam in das Haus, sein Mantel weiß mit Schnee und er schloss schnell die Tür. Es war nachmittags um vier Uhr, doch das sollte man nicht meinen, denn hier oben war es trüb und es wurde nicht richtig hell. Dazu kam, das immer noch der Schneesturm tobte, als wollte er die beiden mit Gewalt hier am Berg festhalten. Arthur, der am Kamin stand, drehte sich um. Er war vor zehn Minuten aus seinem Schlaf erwacht. Prüfend musterte er Merlin, der den Mantel auszog und über den Stuhl legte, damit er trocknete.
„Die Pferde sind versorgt und sie stehen trocken und windgeschützt. Ich habe sie gefüttert", sagte Merlin.
„Wie geht es dir?", fragte der Vampir, ohne darauf einzugehen.
Merlin war heute am frühen Morgen, als er Arthur Blut gab schon angeschlagen gewesen. Dazu kam die Müdigkeit und diese Kälte hier oben. Und anscheinend hatte er auch nicht lange geschlafen, denn er war vor Arthur wach. Arthur machte sich Gedanken, er hatte schon viel genommen, aber nicht so viel, das er in Lebensgefahr war. Sein Blut war so köstlich gewesen, das er sich mit Gewalt von seiner Ader losreißen musste. Er wollte ihm nicht schaden, nicht ihm.
Merlin warf ihm einen kurzen Blick zu, bevor er sich etwas von dem Whiskey einschenkte, der langsam zur Neige ging. Gestern hatte er Arthur Blut gegeben, mehr aus dem Grund, das er nicht mit aufgerissener Kehle aufwachen wollte. Der Vampir hatte mehrere Tage nicht gejagt und trotz seinen Beteuerungen, das er das locker wegsteckte, sah das Merlin nicht so. Er war im Moment noch bleicher im Gesicht, als er es normal schon war und Merlin wusste nur zu gut, das sein Blut, das er gestern getrunken hatte, nicht mehr war als ein kleiner Snack.
„Mir geht es gut", sagte er knapp und vermied es Arthur anzusehen.
Merlin hätte nie geahnt, wie intim es war, wenn ein Vampir von einem Menschen trank. Oder empfand nur er es so. Nomalerweise war es denen danach egal, ob sie es unangenehm fanden, den Vampir wiederzusehen. Denn in der Regel atmeten sie dann nicht mehr. Doch er lebte und wurde hart, als Arthur saugte. Er hoffte inständig, das er das nicht bemerkt hatte. Und noch etwas beschäftigte ihn. Wurde man automatisch sexuell stimuliert, wenn ein Vampir trank? Doch er würde lieber draußen in der Kälte erfrieren, bevor er Arthur das fragte. Merlin nahm sich etwas zu essen und sagte, um das bedrückende Schweigen zu brechen.
„Okay, Lebensmittel haben wir noch genug, wenn wir die einbeziehen, die in den Gläsern in der Kammer konserviert wurden. Zumindest was mich angeht. Deine Nahrung...nun ja, ich habe nur sieben Liter Blut oder so in etwa. Müsste dann ja auch reichen. So wie das aussieht, kommen wir noch nicht weg."
Er sagte das so locker, denn er wollte damit kompensieren, das er eigentlich verlegen war und sich mit so etwas nicht wohl fühlte. Na gut, er hatte schließlich nicht mit ihm geschlafen oder so was. Aber aus irgendeinem Grund fand er das gestern mit dem Blut trinken intimer als wenn er mit ihm gevögelt hätte.
„Sehr witzig", sagte Arthur sarkastisch „Wenn ich sieben Liter trinken würde, dann würdest du am Berg bleiben, als blutleere Leiche."
„Dann musst du dir das eben einteilen. Zuviel ich weiß, gleicht der Körper den Blutverlust wieder aus", flachste Merlin herum, nur damit Arthur nicht bemerkte, das er verlegen war. Das fehlte noch.
"Hattest du nicht gesagt, das dies eine einmalige Sache war?", fragte Arthur.
"Habe ich eine Wahl?"
Arthur gab keine Antwort. Was sollte er auch darauf sagen; Merlin verhielt sich seltsam. Und der dunkelhaarige Mann drehte sich zu ihm um, weil er keine Antwort gab und schaute ihn an. Das hätte er nicht tun sollen. Arthur stand unbeweglich am Kamin, als wäre er eine aus Marmor gemeißelte Statue und so schön. Seine weiße, makellose Haut spannte sich vollendet über seine wunderschönen Wangenknochen, sein voller, sinnlicher Mund lud eigentlich nur zum Küssen ein und erweckte die tollsten Fantasien, was er damit anstellen konnte. Aber was Merlin immer schwach werden ließ, waren seine Augen. Diese großen blauen Augen, dessen Farbe nicht natürlich war. Noch nie sah er jemanden mit solcher Augenfarbe und noch niemanden, dessen Augen so lebendig wirkten. Verrückt, dachte Merlin, wenn er daran dachte, das er tot war. Noch immer schaute er Arthur wortlos an, als könnte er den Blick nicht lösen und der Vampir erwiderte seinen Blick, seine Miene ausdruckslos.
Sein hellblondes Haar, das so weich war und Merlin wusste es, weil er durch dieses Haar strich, als er schlief. Es leuchtete im Schein des Feuers, tanzte über diese hellblonde Pracht, als wollte es darauf spielen. Ein paar Strähnen fielen ihm kokett in sein Gesicht, als er den Jäger anblickte. Merlin nahm Luft, als müsste er die Faszination abschütteln und doch konnte er nicht wegsehen. Die Zeit schien still zu stehen, selbst der Sturm schien nicht mehr um das Haus zu heulen. Bilder geisterten Merlin durch seine Gedanken, Arthur der über seinem Arm gebeugt war, seine kühlen Lippen an der Wunde und saugte sein Blut. Er fühlte schon wieder wie ihm heiß wurde und dieses Gefühl tiefer wanderte. Er wandte endlich den Blick ab und ging zu seiner Tasche, kramte darin herum, nur um etwas zu tun. Die Luft war zum Schneiden, so angespannt war sie.
„Merlin..."
Verdammt, sogar seine sanfte Stimme mit der er ihn ansprach,strich ihm über die Haut und liebkoste ihn, verursachte sanfte Schauer auf seinem Rücken. Aufhören! Aufhören. Er drehte sich zu dem Vampir herum.
„Mir geht es wirklich gut, keine Angst. Ich bin jung und gesund, auch wenn du etwas mehr getrunken hast. Ich werde schon nicht daran sterben", sagte er grantiger als er wollte.
Die Anziehungskraft, die von der blonden Vampirschönheit ausging, zerrte an ihm und er wünschte sich nichts mehr, als dieser nachzugeben und sich in seine Arme zu stürzen, um ihn zu küssen, bis er keine Luft mehr bekam. Diese kleine Gabe seines Blutes machte das Ganze noch schlimmer.
Nein! Nein! Niemals!
Wieder nahm er Luft und drehte sich um, schloss einen Moment seine Augen, um sich zu sammeln. Nein! Nein, er würde nichts mit einem Vampir anfangen, den er töten wollte, wenn das alles vorbei war. Konnte er Arthur jetzt noch töten? Himmel, er war so verunsichert und verfluchte den Abend, als er einverstanden war, ihn mitzunehmen. Es wäre eine Ironie des Schicksals, wenn er sich mit dem Feind einließ, indem er mit ihm schlief. Der bloße Gedanke daran trieb ihm Schauer über den Rücken und ließ ihn fast aufstöhnen und er griff nach seinem Glas, schüttete den Whiskey herunter, als wäre er die Medizin gegen diese Anziehung und diese erregende Vorstellungen.
„Ist ja gut", sagte jetzt der Vampir „Entschuldige, das ich fragte. Ich wollte nur sagen, das wir noch nicht los können. Bei diesem Sturm wäre das Selbstmord."
„Ja, ich weiß", sagte Merlin und öffnete einen der Läden, es dämmerte schon.
Durch das Wetter hier oben noch schneller als im Tal. Er schaute heraus in das Schneetreiben und wünschte sich nichts mehr als loszureiten. Als wollte ihn jemand prüfen und sperrte ihn hier mit diesem Mann, der jede Sünde wert war in dieses Haus ein. Doch er war sich sicher, das er Arthur widerstehen konnte. Konnte er das?
Wenn sie hier noch länger fest saßen, würde er Arthur wieder Blut geben müssen, bevor es gefährlich für ihn wurde. Allein der Gedanke daran ließ einen wohligen Schauer durch seinen Körper fahren. Verdammte Scheiße. Wenn sie hier noch viel länger blieben, dann würde er für nichts mehr die Hand ins Feuer legen.
Nein. Nein. Das musste er sich immer sagen, denn sein Körper gehorchte nicht und hatte seine eigene Meinung dazu.
Mieser Verräter!
Er schloss den Laden am Fenster, ging zum Tisch und setzte sich, goss Wasser in ein Glas und begann zu essen. Käse, Schinken und Brot und danach einen Apfel. Arthur stand immer noch am Kamin und ließ ihn nicht aus den Augen. Ohne von seinem Essen aufzusehen, sagte er.
„Hör auf mich so anzusehen. Ich sagte dir schon, das es mir gut geht."
Arthur verstand sein Verhalten nicht. Er hatte ihm Blut gegeben, ja. Und es hatte ihm geholfen und natürlich hatte er danach seine Erregung gerochen. Einem Vampir konnte man das nicht verheimlichen. Für Arthur war das ein Beweis, das Merlin auf ihn ansprach und er freute sich darüber. Doch er hatte nicht mit seiner Sturheit gerechnet. Hier, in der Einsamkeit und gezwungen im Haus zu bleiben, könnten sie ihrer Lust frönen. Aber Arthur wollte, das er es wirklich wollte und ihn nicht zwingen. Er hatte noch nie jemanden zum Sex gezwungen, zumindest nicht mehr seit er von Alexej weg war. Doch Merlin war jetzt mürrischer als jemals zuvor und er konnte sich keinen Reim daraus machen. Deshalb wollte er etwas wissen.
„Bereust du es?"
„Was?", fragte Merlin, obwohl er sehr genau wusste, was er meinte.
„Das du mir Blut gegeben hast."
Einen Moment war es still und Merlin schien darüber nachzudenken, doch dann sagte er.
„Nein", und das war die verdammte Wahrheit.
Noch immer schaute er ihn nicht an. Er war versucht ja zu sagen, aber das wäre gelogen und er hatte die Wahrheit verdient, trotz allem. Doch er musste ihm alle Illusionen nehmen und sagte dazu.
„Ich tat es aus einem zweckmäßigen Grund, denn ich wollte keinen Vampir an meiner Kehle haben, den die Blutgier im Griff hat."
„Das wäre nicht passiert. Ich sagte schon, das mir das nichts ausmacht."
Merlin schnaubte verächtlich und warf ihm einen vernichtenden Blick zu. Er war zornig, aber nicht auf Arthur, sondern auf sich selbst. Er wollte den Vampir nicht anziehend finden. Warum war er nicht dick und hässlich oder hatte furchtbare Augen. Warum war er nicht gehässig und bösartig, dann könnte er besser damit umgehen.
„Ja, klar. Nur das deine Augen so schnell grün wurden und deine Fänge mega lang, als ich in meinen Arm schnitt."
Arthur breitete überrascht die Arme aus und sagte frustriert.
„Du hast Nerven, wirklich Merlin. Ich kam prima damit zurecht, bis du dir deinen Arm aufgeschlitzt hast und ich das Blut sah und roch. Prima! Du servierst mir Blut fast wie auf dem Tablett und erwartest, das ich lässig abwinke und nein danke sage? Ich hatte zwei Tage nichts getrunken. Das kannst du vergleichen mit jemanden in der Wüste, der kein Wasser hat. Würdest du dann nein danke sagen? Ich bin ein Vampir...falls es dir noch nicht aufgefallen ist. Ich reagiere immer auf Blut und erst recht, wenn ich ausgehungert bin."
Merlin sagte nichts dazu und wusste, das er recht hatte. Er hatte alles im Griff, bis Merlin seinen Arm aufschlitzte. Doch er sagte ihm nicht, das er recht hatte. Er war wütend auf sich selbst. Weil er den Blutaustausch eigentlich toll fand. Warum war das nicht auch etwas, was furchtbar war, dann könnte er prima damit umgehen.
„Wenn wir hier nicht wegkommen, musst du wieder trinken. Ich habe keine Lust, die ganze Zeit wach zu bleiben, um bewaffnet in einer Ecke zu sitzen", sagte er unwirsch.
Arthurs Mund verzog sich ansatzweise zu einem angedeuteten Lächeln. Er könnte ihn nicht töten, selbst wenn er es wollte. Seine Pfeile und Pfähle hatten bei ihm den Schrecken verloren. Dagegen reine Silberklingen und die in sein Herz gestoßen und einmal umgedreht, würde es zerfetzen und er würde sterben. Aber Merlin hatte keine Silberwaffen. Das musste er ihm noch sagen, wenn er Alexej töten wollte, aber das hatte noch Zeit.
„Warum bist du denn so aggressiv, Jäger?", fragte er amüsiert „Wohl lange keinen Sex gehabt, was?"
Er wollte die Stimmung etwas aufheitern, doch erreichte damit nur das Gegenteil. Verdammt, dieser Tag hatte es in sich und er wusste immer noch nicht, warum der Jäger so grandig war. Na gut! Dann eben das grandige Spiel. Anscheinend wollte Merlin das Spiel namens Aggression spielen. Also los dann.
Merlin schaute ihn zornig an und antwortete auch so.
„Ich bin auf Reisen und habe für so was keine Zeit. Du etwa?"
Arthur lächelte jetzt offen. Das Spiel konnte beginnen.
„Sicher doch, schon ein paar Mal. Ich weiß mich auch auf Reisen zu amüsieren. Das letzte Mal in Mailand, einen Mann und eine Frau", er machte eine kleine Pause und sagte betont „Zusammen. Wir taten wirklich ein paar tabulose Dinge. Vorher eine Blondine, ich sage dir..."
Merlin schaute ihn wirklich wütend an und unterbrach ihn grob.
„Mich interessieren deine Sexabenteuer nicht, Vampir. Schlaf mit wem du willst, solange ich es nicht bin. Also...behalte das für dich."
Er biss zornig in sein Brot und er wusste, es gefiel ihm nicht, das Arthur in Mailand herumgehurt hatte. Es ging ihm wirklich gegen den Strich, entweder weil er neidisch war und selbst gerne etwas Dampf abgelassen hätte oder...
Und dieses oder gefiel ihm noch weniger. Oder er wollte nicht, das er mit jemanden schlief. Er wusste es nicht. Oder doch? Die Vorstellung, das er sich mit anderen im Bett amüsiert hatte, ging ihm gegen den Strich. Wahrscheinlich, als er nachts los ist und Merlin ihm nachsah. Verdammt, er musste hier raus, bevor er etwas sagte, was er nicht sagen wollte. Er packte das Essen weg und zog den Mantel an.
„Wo willst du denn hin?", fragte Arthur.
„Ich schaue nochmal nach den Pferden."
Und weg war er und Arthur lächelte vor sich hin. Merlin floh vor ihm und er wusste auch den Grund. Lance würde auf längere Sicht seine Wetten verlieren. Merlin war erregt, als Arthur sein Blut trank und das war nicht normal. Er wusste, das Menschen, die er auf der Straße aufgabelte nicht erregt waren. Der Biss eines Vampirs war angenehm und man triftete vor sich hin, gelöst und frei. Doch niemand wurde erregt. Höchstens beim Sex und das nur kurz vor dem Orgasmus. Wenn er dann zubiss, kamen die meisten und er auch.
Nun gut, er würde sich wieder abregen.
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Merlin stemmte sich gegen den Wind und betrat den kleinen Stall, der noch einigermaßen in Ordnung war. Trockenes Stroh lag auf einem Haufen und sogar etwas Heu. Anscheinend haben die Anwohner dieses kleine Dorf hoch in den Bergen verlassen und nur mitgenommen, was wirklich wichtig war. Die Pferde hatten gefressen und schnaubten, als er herein kam und die Tür schloss. Sie standen in zwei separaten Boxen, da sie beide Hengste waren. Doch die Charaktere der andalusischen Pferde waren eher ruhig, auch die der Hengste. Das änderte sich allerdings schlagartig, wenn eine Stute dazu käme.
Er schaute sich um. Hier standen anscheinend Pferde der Bewohner oder Maulesel. In einer Ecke sah er Striegel und andere Bürsten. Sie sahen aus, als wären sie nie benutzt worden. Merlin nahm sie und ging zu seinem braunen Hengst.
„Na, mein Guter", sagte er liebevoll und strich ihm über seinen Rücken. Das Pferd schnaubte und drehte seinen Kopf, ein langes Pony von schwarzen Haaren über den Augen. Merlin striegelte ihn ordentlich, kämmte seine lange Mähne und sein Pony. Er reinigte die Nüstern und strich ein paar Mal zärtlich über die weiche Nase. Zum Schluss kam der lange, dichte Schweif dran, den er ordentlich kämmte. Fertig! Sein Fell glänzte leicht und er nickte.
Dann sah er rüber zu Arthurs Hengst, der so schwarz wie die Nacht war. Kein Abzeichen, nichts Weißes an diesem Pferd. Merlin nickte grimmig, er war so schwarz wie die Seele seines Herrn.
Trotzdem ging er zu ihm und begann ihn zu striegeln und gab ihm die gleichen Zuwendungen wie seinem Pferd. Als er sich bückte, um seine Beine zu striegeln, drehte der Hengst den Kopf und knabberte an seiner Hose. Merlin kam hoch und drehte sich zu ihm herum, lächelte, als er zu ihm ging, um das lange, schwarze Pony zu kämmen.
„Na, du bist wohl ein ganz Frecher, was?", fragte er amüsiert, weil das Pferd an ihm knabbern wollte. Er hielt inne und strich ihm gedankenverloren über seine schwarzen, zarten Nüstern, das der Hengst wohl genoss.
„Du bist so schön wie dein Herr", sagte er leise zu dem Tier, dann lächelte er „Und auch so frech."
Er lehnte sich etwas gegen die Wand, noch immer strich er zärtlich über seinen Kopf.
„Er ist so verflucht schön und ich...verdammt. Warum muss er unbedingt ein verfluchter Vampir sein? Kannst du mir das sagen?", er lächelte „Ich denke, du konntest es dir auch nicht aussuchen, was? Ich bin ja schon froh, das dein ehemaliger Herr nicht das Zeitliche gesegnet hat. Ich denke, wir haben beide die schlechte Karte gezogen."
Der Hengst schnaubte, als würde er ihn verstehen. Merlin wusste nicht, ob er ihm beipflichtete oder das alles dementierte. Das er vielleicht meinte, das es doch egal wäre, was sein Besitzer war. Merlin striegelte ihn weiter, als er einen Luftzug spürte und sich umdrehte. Arthur stand angelehnt an der Tür, die Arme überkreuzt. Sein Gesichtsausdruck verriet nichts.
„Wie lange stehst du schon hier?", schnauzte ihn Merlin an. Der Gedanke, das er seine kleine einseitige Unterhaltung mit seinem Pferd mitbekommen hatte, verursachte in ihm ein Unbehagen.
„Noch nicht lange. Warum? Ich wollte nur mal sehen, wo du bist. Mit diesem Sturm ist nicht zu spaßen."
Merlin schnaubte abfällig.
„Hast wohl Angst, ich könnte erfrieren. Etwas, vor dem du keine Angst haben musst. Keine Panik, ich habe noch etwas zu erledigen."
Arthur kam näher und schloss die Tür vorher.
„Was bist du denn so grandig? Habe ich dir irgendetwas getan?", fragte er ruhig.
Nein, das hatte er nicht. Merlin behandelte ihn von oben herab, weil er sich unbewusst schützen wollte. Er wollte ihn hassen, oh ja. Aber er hasste ihn nicht und mit jedem Tag der verging, fühlte er sich mehr und mehr von ihm angezogen. Mit jedem Tag der verging, waren diese Bilder in seinem Kopf klarer und drängender. Arthur, der ihn leidenschaftlich küsste und er in seinen Armen lag. Arthur, der ihm die Kleider vom Leib riss und ihn mit seiner sechshundertjährigen Erfahrung in Höhen brachte, von denen er nur träumte.
Verdammt! Verdammt!
Der Vampir wartete immer noch auf eine Antwort. Merlin nahm theatralisch Luft.
„Nein, ich denke dieser Sturm und diese Kälte gehen mir aufs Gemüt", sagte er etwas ruhiger „Und die Tatsache, das wir hier festhängen."
„Merlin...", wollte er beginnen, doch dann stockte Arthur und lauschte.
„Was ist?"
„Der Sturm lässt nach", sagte er und ging zur Tür. Merlin folgte ihm.
Und tatsächlich, es schneite nicht mehr und der Wind hatte deutlich nachgelassen. Merlin schaute zum Himmel, es klarte auf, die Sterne waren zu sehen. Hier in den Bergen kamen die Unwetter so schnell wie sie wieder verschwanden. Es lag genug Schnee, aber war es nicht unmöglich zu reiten. Und auch nicht so schlecht, denn die weiße Landschaft gab etwas Licht in der Nacht. Man konnte besser sehen, was den Abstieg erleichterte.
„Wir können los, es ist erst neun Uhr", sagte Merlin und Arthur nickte.
„Ja, zumindest erreichen wir bis morgen früh das Dorf, das nicht mehr so hoch in den Bergen liegt. Lass uns zusammenpacken."
Beide gingen in das Haus, packten zusammen und tranken den letzten Whiskey. Mit ihren Taschen und Waffen gingen sie in den kleinen Stall und begannen ihre Pferde zu satteln. Merlin versuchte den Gurt nachzuziehen und mühte sich ab, als plötzlich zwei Arme um ihn kamen und Arthur dicht hinter ihm stand, so das er Merlin mit seiner Brust berührte. Er spürte, wie seine kühlen Hände seine sanft weg schoben und er mit einer Leichtigkeit den Sattelgurt nachzog.
Merlin war erstarrt, als er Arthur so dicht an sich spürte. Er stand angespannt und bewegungslos da, traute fast nicht zu atmen. Arthurs Geruch kam ihm in die Nase und er roch fantastisch. Nach frischem Regen und Meer. Verflucht, wie konnte er so gut riechen nach all der Zeit? Merlin nahm einen tiefen Atemzug und spürte, das Arthur immer noch hinter ihm stand, sein Atem strich sanft über seinen Nacken. Sie bewegten sich beide nicht und wieder schien die Zeit still zu stehen.
Moment mal? Atem? Der verfluchte Untote brauchte gar nicht zu atmen. Das tat er doch wieder extra. Merlin wurde zornig und rammte ihm den Ellenbogen in die Rippen.
„Danke und jetzt verschwinde aus meinem persöhnlichen Bereich, Vampir."
Arthur trat zurück, doch als er aufstieg, lächelte er hintergründig und Merlin warf ihm einen vernichtenden Blick zu. Er legte es darauf an, der Mistkerl. Doch er sagte nichts. Als sie hinaus ritten und den Weg ins Tal einschlugen, spürte er noch immer den sanften Hauch seines Atems in seinem Nacken.
Mistkerl!
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Sie waren schon einige Stunden unterwegs und schon wesentlich tiefer. Doch noch immer lag Schnee und sie mussten langsam reiten. Der Weg war teilweise vereist und sehr schmal. An der einen Seite nur Felswand, auf der anderen Seite einen Abgrund, der den Tod bedeutete, wenn man abstürzte. Der Weg war nicht sehr breit und die Pferde taxierten vorsichtig mit den Beinen. Auch sie spürten die Gefahr, die unter dem Schnee lauerte. Dazu kam loses Geröll und Steine.
Und dann passierte es. Merlin, der vor Arthur ritt war einen Moment unkonzentriert, als sein Hengst stolperte und rutschte. Das Pferd knickte ein, fing sich wieder und warf den Kopf hoch, um sein Gleichgewicht zu balancieren, rutschte wieder weg und bekam einen Moment Schräglage. Das ging alles so schnell, das Merlin nicht mit reagieren konnte und er verlor das Gleichgewicht, drohte in den Abgrund zu fallen und riss vielleicht das Pferd mit.
Doch plötzlich war die Zeit eingefroren. Merlins Pferd war zu einer Statue geworden, sein Reiter hing halb aus dem Sattel heraus, den größten Teil schon über dem Abgrund. Einzelne Schneeflocken standen in der Luft, als hätte ein Maler ein paar weiße Farbkleckse gemacht. Man hörte kein Laut, keinen Wind, nichts.
Die Zeit stand still.
Arthurs Pferd, das auch eine lebende Statue geworden war, hatte gerade einen Huf gehoben, als die Zeit seine Schritte einfror. Doch der Vampir war sehr lebendig. Noch immer hielt er eine Hand ausgestreckt und seine Augen leuchteten in flammenden smaragdgrün, als er seine Kräfte entfesselte.
Arthur war ein Meistervampir und mit dem Alter kamen Fähigkeiten dazu. Er hatte vor Kurzem herausgefunden, das er die Zeit anhalten konnte. Lance konnte seit neustem Wasser manipulieren. So bekam jeder Vampir mit fortgeschrittenem Alter mehr Macht. Das war unvermeidlich und auch die Fähigkeiten waren unterschiedlich von Vampir zu Vampir. Doch die meisten lebten nicht lange genug, um dieses Stadium zu erreichen.
Arthur musste sich beeilen, denn diese Fähigkeit zerrte an seinen Kräften und er war nicht annähernd genug mit Blut versorgt, um diese neue Fähigkeit lange zu nutzen. Er stieg ab und ging rasch zu Merlins Pferd, das sich wieder gefangen hatte, doch im Begriff war, seinen Reiter zu verlieren, endgültig. Der Vampir schaute in den dunklen Abgrund, hier ging es einige hundert Meter nach unten und es war klar, was demjenigen passierte, der hier fiel. Und Merlin wäre gefallen, er hätte sein Gleichgewicht nicht mehr regulieren können, so wie er schon über dem Abgrund hing, nur noch Kontakt mit den Steigbügel.
Arthur hatte instinktiv reagiert. Doch waren diese Kräfte neu und er wusste nicht, wie lange er diesen Zustand halten konnte. Und auch nicht wie lange, wenn er geschwächt war.
Vorsichtig berührte er Merlin und setzte ihn wieder so auf sein Pferd, das er nicht mehr fiel und die Gefahr vorüber war. Er prüfte, ob das Pferd nicht mehr in Gefahr war und nickte schließlich. Dann ging er wieder zu seinem bewegungslosen Hengst und stieg auf. Er spürte, das er nicht mehr lange die Zeit anhalten konnte und löste die Fähigkeit, seine Augen nahmen wieder den normalen Farbton an, als sich alles wieder bewegte.
Merlin hielt an, schaute sich verwirrt um. Er saß korrekt auf seinem Pferd und auch dieses hatte sich wieder gefangen. Doch er wusste, das er im Begriff war zu fallen, er war nicht blöd und hatte schon alle Szenario durch seinen Kopf gejagt, wie er verhindern konnte, das er fiel. Doch jetzt saß er auf seinem Pferd, als wäre das nie passiert. Was war hier los? Er wurde doch nicht verrückt. Er schaute hinter sich zu Arthur, der fragend eine Augenbraue hob.
„Was ist?"
„Ich war im Begriff zu fallen", sagte Merlin tonlos und starrte in den Abgrund „Und dann saß ich normal im Sattel."
„Du...bist doch nicht etwas eingeschlafen", fragte Arthur langsam, seine Miene zeigte keine Regung „Es wäre fatal, das hier auf dem Weg zu tun."
Merlin warf ihm einen finsteren Blick zu.
„Ich habe nicht geschlafen und ich weiß, was ich erlebt habe. Ich bin doch nicht bescheuert."
„Anscheinend doch, wenn du von so etwas träumst."
„Verdammt, ich habe nicht geträumt, du Idiot. Ich weiß, das ich fast gefallen bin. Hast du das nicht gesehen? Mein Pferd stolperte und rutschte und ich wäre beinahe abgestürzt. Du bist doch direkt hinter mir."
„Nein", sagte Arthur ernst „Können wir jetzt weiter, es wird bald hell."
Merlin schaute ihn lange an, doch nichts in Arthurs Gesicht verriet etwas. Schließlich drehte er den Kopf nach vorne und trieb sanft sein Pferd weiter. Noch immer raste sein Herz in der Brust, den bevorstehende Tod vor Augen. Sein Adrenalinpegel stand auf rot. Nein, er hatte nicht geträumt. Irgendwas war vorgefallen, aber er wusste nicht was. Er war im Begriff zu fallen und dann plötzlich nicht mehr. Das ging doch nicht mit rechten Dingen zu und nur einer war bei ihm. Und Arthur log, warum auch immer. Doch während sie langsam weiter ritten, schwor er sich dem nachzugehen. Er war sich fast sicher, das der Vampir etwas damit zu tun hatte. Und sollte er das, dann hatte er ihm schon wieder sein erbärmliches Leben gerettet. Zum wie vielten Male schon? Er sollte eine Liste führen.
Verflucht nochmal, er wäre schon ein paar Mal eine Leiche gewesen. Was hatte er diesmal getan?
Denn darauf hatte er überhaupt keine Antwort, aber die würde er bekommen.
Bei seinem Leben, das ohne den Vampir schon lange vorbei wäre, würde er die Wahrheit herausbekommen.
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Dunkles Schicksal
FantasyNach dem Tod seiner Eltern, die von Vampiren getötet wurden, wird der junge spanische Graf Merlin del la Vega zum Jäger. Sein Hauptmerkmal ist ein vermögender, hoch angesehener Vampir, den er für den Mörder seiner Eltern hält. Erbittert jagt er ihn...