Dunkles Schicksal
Kapitel 15
Sie erreichten zwei Tage später das Tal und niemand war mehr erleichtert als Merlin. Für ihn war diese Kälte mit Eis und Schnee nichts, das wusste er jetzt mit Sicherheit. Obwohl es wärmer wurde mit jedem Schritt, den sie näher zum Tal kamen, hatte er das Gefühl, als säße die Kälte in seinen Knochen, als würde Eis um sie gewickelt sein. Arthur hatte nicht mehr von ihm getrunken. Er hatte es mit keinem Wort erwähnt. Merlin hatte es einmal angedeutet, aber er hatte nur den Kopf geschüttelt. Wir sind bald im Tal, hatte er nur gesagt. Und Merlin war froh und gleichzeitig enttäuscht, das er nicht sein Blut wollte.
Froh, weil schon die bloße Vorstellung das Arthur wieder sein Blut trank, sein Schwanz sehr munter wurde. Und das er sich in den Boden schämen würde, wenn der Vampir das sehen würde und; das war eigentlich der Hauptgrund, das er ihm nicht zeigen wollte, wie er auf ihn reagierte.
Enttäuscht, weil er sich danach sehnte, das Arthur sein Blut nahm und er wieder so berauscht wäre und diese Wärme spürte. Und weil er es schlicht weg abgelehnt hatte, das er es fast als Beleidigung aufnahm.
Merlin schüttelte den Kopf, denn er bemerkte wie widersprüchlich er dachte und auch handelte. Auf der einen Seite wollte er nichts sehnlicher als Arthur nah zu sein und doch weigerte er sich vehement das zuzulassen. Langsam wurde er noch wahnsinnig. Und auch diese Sache auf dem Berg, wo er beinahe fiel, ließ ihn nicht in Ruhe. Das ging doch nicht mit rechten Dingen zu.
Es war zwei Uhr in der Nacht, als sie das nächste Land erreichten, das an die Alpen grenzte...Deutschland. Merlin hatte von diesem Land gehört, aber nie besucht. Längst war es nicht mehr so heiß wie in Sevilla, doch noch angenehm.
„Warst du schon mal in diesem Land?", fragte er Arthur.
Der Vampir nickte.
„Ja, ich denke, ich war schon in jedem dieser Länder, doch ziehe ich die südlichen Länder vor. Ich mag die Wärme, allerdings nicht die Sonne und die gibt es dort reichlich", er seufzte „ Aber man kann nicht alles haben."
Merlins Mundwinkel zeigten ein amüsiertes Lächeln, als er ihm einen Seitenblick zuwarf. Er wusste, das Sevilla wohl für Vampire nicht das geeignete Ziel war. Sie hatten so südlich in Spanien reichlich Sonne, auch im Winter. Die Nächte würden nie so lange sein als in den nördlichen Länder. Doch so heiß es im Sommer auch war, Merlin würde es nicht anders wollen.
Hinter ihnen ragten in der Dunkelheit unheimlich die dunklen Berge auf und Merlin fröstelte, als er sich kurz umschaute. Er wäre dort beinahe geblieben, hätte in einer Schlucht gelegen mit verrenkten Gliedern und seine Eingeweide neben sich. Wieder schaute er zu Arthur und er hatte das Gefühl, das er irgendetwas da oben getan hatte, als er im Begriff war zu fallen. Aber was?
Doch der Vampir hüllte sich in Schweigen. Natürlich hatte er ihn noch einmal gefragt, was denn da oben wirklich passiert wäre. Doch er hatte nur die Schultern gezuckt und gemeint, er wäre auf seinem Pferd eingeschlafen. Eingeschlafen? So ein Witz. Er wusste mit hundertprozentiger Sicherheit, das er nicht eingeschlafen war. Er fühlte sehr real, als sein Pferd wegrutschte und er die Balance verlor. Und er schaute auch schon über den Abgrund, sich sicher jetzt zu fallen und tausend Möglichkeiten gingen ihm da durch den Kopf, um das zu verhindern.
Aber der Pfad war viel zu schmal, um sich zu retten. Auf der anderen Seite ragte die Felswand hoch. Nein, das hätte er nie und nimmer überleben können. Und doch saß er plötzlich auf seinem Pferd, gerade und seine Füsse fest in seinen Steigbügel. Und sein Pferd sicher im Tritt. Das war Zauberei. Er war doch nicht vollkommen verblödet. Da war irgendetwas vorgegangen und dieses sündhaft gutaussehende Wesen neben ihm hatte etwas damit zu tun. Es war schließlich sonst keiner dort und seinem Hengst traute er keine Zauberei zu.
Er bemerkte, das seine Neugier und die Entschlossenheit, das endlich aufzuklären ihn fast umbrachte. Dieser Mann neben ihm war wohl das komplexeste Wesen, das er jemals gesehen hatte und so düster und voller Geheimnisse. Dazu so unverschämt schön und attraktiv, barg er wohl eine Macht in sich, die Merlin nur erahnen konnte. Und er wusste, das er sich der Faszination dieses Wesens nicht mehr entziehen konnte und er den unbändigen Wunsch hatte, alles über ihn zu erfahren.
„München ist eine schöne Stadt", sagte jetzt Arthur „Nicht so groß wie Mailand, aber schön."
„Ist es noch weit?"
„Nein, wir sind gut von dem Berg heruntergekommen. Ich denke noch eine Stunde."
Gut runtergekommen? Das war eine glatte Untertreibung. Sie hatten da oben in einem eisigen Schneesturm festgehangen und er beinahe den Flug in den Tod angetreten. Gut runtergekommen stellte er sich anders vor. Merlin fröstelte wieder, als er an die Berge dachte. Sie waren so schön wie tödlich. Harmlos und in voller Pracht mit den weißen Gipfeln war er sicher, das sie schon viele Tote auf ihrem Konto hatten und immer wieder welche dorthin lockten. Bergsteiger, die nie wieder zurückkamen. Er konnte die Leute nicht verstehen, die freiwillig auf so einem Berg lebten. Er schüttelte den Kopf. Nein, das wäre nichts für ihn.
Eine gute Stunde später ritten sie durch diese Stadt, die wirklich groß war und so ganz anders als Mailand oder Sevilla. Merlin schaute sich neugierig um, bestaunte die liebevollen Fachwerkhäuser, die wirklich eine kleine Kunst waren. Leute schauten sie neugierig an, denn es war anscheinend Wochenende und viele unterwegs, auf der Suche nach Vergnügen aller Art. Das war wohl in jeder Stadt so. Warum auch nicht?
„Welcher Tag ist heute?", fragte Merlin, der jegliches Zeitgefühl verloren hatte.
„Samstag", antwortete Arthur „Vergnügungszeit der Menschen."
Merlin sagte nichts, schaute sich weiter um. Diese Sprache war seltsam, dachte er, als er im Geist versuchte, diese Worte zu sagen, die auf einem Schild standen. Was ihn zu seiner nächsten Frage führte.
„Kannst du diese Sprache auch?"
Arthur warf ihm einen amüsierten Blick zu.
„Deutsch?", er schüttelte den Kopf „Nicht wirklich. Ich war nicht so oft hier und diese Sprache ist sehr komplex. Ein paar Worte, aber mehr nicht. Mit Englisch kommst du hier auch zurecht", er grinste „Aber sie haben in diesem Land tolles Bier, wenn du so etwas magst."
Merlin schüttelte den Kopf.
„Nein, ein ordentlicher Brandy wäre mir lieber."
Damit das Eis aus seinen Knochen verschwand. Und ein sehr heißes Bad. Merlin sehnte sich danach mehr als alles andere. Arthur blieb vor einem Hotel stehen, das etwas gehoben war. Ein paar Jungs lümmelten auf der Straße, zu jung für diese Zeit noch draußen zu sein. Arthur winkte einen zu sich, der gehorsam kam.
„Kennst du einen Stall für unsere Pferde?", fragte er auf englisch.
Mit Merlin sprach er spanisch, obwohl er englisch konnte. Doch Arthur war das egal, er beherrschte beide Sprachen perfekt und war sich sicher, das Merlin seine Muttersprache bevorzugte. Doch der Junge sah ihn skeptisch an, verstand ihn wohl nicht. Er war einer der Straßenkinder, die bestimmt keine Fremdsprachen konnten. Merlin ritt vor, zeigte auf die Pferde und machte mit beiden Händen ein Dach wie bei einem Haus.
Jetzt hellte sich seine Miene auf und er nickte eifrig und zeigte auf die andere Straßenseite.
„Ja, die nächste Straße. Soll ich die Pferde dorthin bringen?"
Beide sahen sich an, denn er sprach in seiner Muttersprache, das die beiden nicht verstanden. Merlin drehte sich um und schaute in die Richtung, in die er zeigte, doch sah er nichts. Eine Frau blieb stehen, ihre Haare lang und blond und kam langsam näher. Sie hatte sie beobachtet und schaute sie nun mit ihren dunkelbraunen Augen neugierig an. Sie war so Mitte dreißig und in Begleitung einer Frau in ihrem Alter. Arthur sagte ihr, das er ihn nicht verstand und der Junge zuckte die Schultern.
„Was wollen sie denn wissen?", fragte sie in englisch, fast fehlerfrei.
„Wir suchen einen Stall für unsere Pferde", sagte Arthur und sie lächelte, schaute zu dem Jungen und übersetzte dann seine Antwort.
„Er sagt in der nächsten Straße und ob er ihre Pferde dorthin bringen soll."
„Nein, das tun wir schon selbst", antwortete der Vampir und lächelte „Aber danke für ihre Hilfe, ihr englisch ist sehr gut."
„Ich bin Lehrerin", sagte sie knapp, aber lächelte „Und auf dem Weg nach Hause. Dann wünsche ich noch viel Spaß in München. Vielleicht sehen wir uns ja wieder", sagte sie und flirtete ganz offen mit Arthur.
Merlin verdrehte die Augen. Ja, er hatte wirklich keine Probleme, ob Mann oder Frau. Und er fühlte das es ihm nicht gefiel, das er diese Frauen so charmant anlächelte. Verdammt, sollten sie doch mit ihm gehen, dann würden sie schon feststellen, das es ein Fehler war, dachte er grimmig und hörte Arthur charmant sagen.
„Das wäre wirklich schön, so eine charmante Damen wiederzusehen."
Volltrottel!
„Danke und das hoffen wir auch."
Arthur nickte und sie gingen weiter. Er schaute zu Merlin, der interessant ein Haus musterte. Er wollte nicht, das Arthur sah, das es ihn ärgerte, das er mit den Frauen flirtete. Der Blick des Vampirs fiel auf den Jungen, der ihn immer noch anschaute. Er gab ihm ein wenig Geld, dessen Augen leuchteten und er sofort zu seinen Freunden rannte, um ihnen das zu zeigen. Diese Bengel gab es in jeder Stadt. Sie waren aus ärmlichen Verhältnisse und lümmelten herum, auf der Suche nach Touristen, um ihnen gute Hotels und auch Ställe zu empfehlen. Gepäck zu tragen oder sonst was. Für ein Kreutzer taten sie fast alles.
„Du kannst ja auch sehr nett und höflich sein", sagte Merlin auf dem Weg dorthin. Sein sarkastischer Unterton in seiner Stimme war nicht zu überhören. Arthur warf ihm einen nicht sehr freundlichen Blick zu.
„Natürlich. Auch wenn ich nachts durch die Straßen schleiche, weiß ich doch, was sich gehört. Ich hatte eine gute Erziehung", seine Augen wurden schmal, als er noch hinzufügte „Und das war eine Frechheit."
Das bezog sich auf Merlins Äußerung und Merlins Lippen kräuselten sich leicht, als er sich darüber amüsierte, doch er sagte nichts dazu. Das war die kleine Rache für seine Flirtereien mit den Frauen, aber das würde er nicht sagen, nicht in tausend Jahren. Der Vampir war schon eingebildet genug.
Vom Stall aus, nachdem sie sich sicher waren, das die Pferde dort gut unter waren, nahmen sie ihr Gepäck und Waffen und gingen das Stück zurück zu diesem Hotel. Da sie wieder aussahen, als wären sie in einen Tornado gekommen, wusste Merlin, das alle sie wieder anstarren würden.
Drinnen kamen sie in eine gemütliche und sehr hübsch dekorierte Lobby in blau weißen Farben gehalten. Das helle Holz der Rezeption war gepflegt und glänzte, als wäre es poliert. Auch hier starrten sie die gepflegten Menschen, was ihre Kleidung anging, beide an.
„Wir sehen aus wie zwei Revolverhelden aus dem amerikanischen Westen", murmelte Merlin.
Er hatte Bilder gesehen, auf denen sie solche langen Mäntel trugen wie sie beide und genauso staubig. Allerdings trugen sie nicht solche Hüte und Waffen in einem Gurt. Merlin hatte seine Waffen in der Tasche, sein Schwert allerdings bei sich an seiner Seite. Doch die Armbrust hatte er jetzt über dem Rücken. Arthur grinste und raunte leise, als er in die entsetzten Gesichter der Gäste sah und dann zu dem Mann, der sie argwöhnisch musterte.
„Wetten, das er uns keine Zimmer geben will? Das er uns höflich auf ein Zimmer in einer Taverne verweist. Diese Menschen sind doch so einfältig."
Merlin warf ihm einen Blick zu.
„Das heißt nicht, das du ihm an die Kehle gehst, verstanden? Ich will hier kein Aufsehen."
„Ich habe einen Mordshunger. Was erwartest du denn?"
„Arthur" , sagte Merlin eindringlich und tadelnd „Du wirst doch noch warten können oder willst du hier einen Aufstand riskieren?"
Dieser grinste, allein schon weil Merlin ihn bei seinem Namen nannte und nicht so unpersöhnlich Vampir. Und natürlich zog er Merlin auf. Er würde doch nicht hier in aller Öffentlichkeit jemanden anfallen. Er lachte leise und Merlin sah ihn kurz an.
„Du verarscht mich schon wieder, was? Ich hätte es mir denken können. Was soll man auch von so einem wie dir verlangen?"
Arthur grinste ihn an und Merlin seufzte leise. Er war müde und durchgefroren und hungrig und wollte ein großes Glas Brandy und ein schönes heißes Bad.
Sie erreichten die Rezeption und natürlich war der Mann dahinter nicht begeistert und wollte sie abwimmeln. Doch nach einem Blick in Arthurs grüne Augen war er sehr freundlich, sagte allerdings.
„Ich habe nur noch ein Zimmer, meine Herren", er sprach englisch, doch mit einem furchtbaren Akzent „Wenn sie damit zufrieden sind. Wir haben hier im Moment viele Touristen."
„Zu reisen scheint wohl sehr beliebt zu sein", murmelte Merlin. Arthur drehte sich zu ihm um.
„Wir müssen zusammen wohnen oder etwas anderes suchen."
Der Gedanke, das er Arthur wieder so nah wäre, ließ ihn schaudern. Er hatte gehofft, etwas Abstand zu bekommen, wenn er in seinem Zimmer wäre. Aber anscheinend war ihm das nicht vergönnt. Aber er war müde und durchgefroren und wollte nicht weiter. Er antwortete.
„ Ja, hab ich mitbekommen. Und nein, ich will nicht noch länger durch die Stadt rennen."
Nach Anmeldung und im Besitz des Schlüssels für ihr Zimmer, das Parterre lag, gingen sie den Flur entlang. Das Zimmer war groß, ein heller Holzboden, der glänzte wie die Rezeption, dazu helle Möbel. Ein großes Doppelbett, was Merlin Unbehagen bescherte, weil er mit Arthur zusammen schlafen musste. Ein schöner Teppich in weiß mit blauen Muster zierte ein Teil des Bodens, das Bett weiß überzogen mit dunkelblauen Kissen, eine Rose lag auf dem Bett.
Merlin verdrehte die Augen, als er sein Gepäck abstellte. War wohl die romantische Ausgabe eines Zimmers. Na klasse, das hatte ihm noch gefehlt. Arthur ging desweilen zu den Fenstern, ohne auf die Einrichtung des Zimmers einen Blick zu werfen und zog die Vorhänge auf und öffnete die Balkontür. Er trat hinaus und Merlin folgte ihm. Es war eine schöne Terrasse und er schaute in einen dunklen Garten, der selbst in der Nacht gepflegt aussah. Ein großer Springbrunnen aus einem hellen Stein plätscherte in der Mitte des Gartens. Seine Fontaine sprudelte in verschiedenen Farben, was sehr schön in der Dunkelheit aussah.
„Prima", sagte Arthur, der wieder nicht auf diese kleinen Dinge achtete „Von hier aus kann ich durch den Garten verschwinden und wiederkommen."
„Wie lange bleiben wir hier?", wollte Merlin wissen. Arthur schaute ihn an.
„Ich denke, nach diesem Berg würdest du gerne ein oder zwei Tage ausruhen. Aber wir können auch morgen weiter."
Merlin dachte nach und schüttelte den Kopf.
„Ich denke auch, wir sollten zwei Tage bleiben. Die Pferde waren sehr strapaziert, vor allem auf dem Weg ins Tal. Sie sollen sich ausruhen."
„Okay, dann zwei Tage", sagte Arthur.
Die Terrasse war ebenerdig, zwei Stufen führten in den Garten. Zwei Stühle und einen kleinen Tisch sah Merlin hinter ihm stehen. Es war eine sehr schöne Unterkunft. Er schaute zu seinem Begleiter, dessen Gesicht so bleich war und dann zum Himmel. Und dann sagte er etwas, was Arthur nie gedacht hätte, das er das jemals sagen würde.
„Geh jetzt", hörte er Merlin sanft sagen „Es wird bald hell. Du musst jagen."
Mit diesen Worten drehte er sich um und ging hinein. Deshalb entging ihm der wirklich überraschte Blick von Arthur, der ihm wortlos nachschaute. Hatte er das jetzt wirklich gesagt? Hatte Merlin ihn aufgefordert zu jagen? Perplex blinzelte er mit seinen Augen. Und er sagte das so sanft, nicht aggressiv und ohne mit ihm zu diskutieren. Normalerweise lehnte er es ab, wenn Arthur jagte. Doch er hatte recht, er musste trinken und es wurde bald hell. Er sollte sich später darüber Gedanken machen und rief kurz hinein.
„Bis später", sagte er nur und war dann verschwunden.
Merlin gab keine Antwort. Natürlich wusste er, was jetzt wieder geschah. Jemand musste sterben und er hoffte, das er einen der schlechten Menschen erwischte. Eines hatte er auf der langen Reise gelernt. Arthur brauchte Blut, um zu existieren. Und wenn er nicht trank, dann sah er so bleich aus wie der leibhaftige Tod. Arthur hatte recht. Er sollte es akzeptieren, doch tat er sich noch schwer damit.
Der dunkelhaarige Mann ging in das große Bad und frohlockte, als er die große Wanne sah. Er ließ Wasser ein und schüttete von dieser gut duftenden öligen Substanz hinein, die jetzt Schaum bildete. Arthur würde eine Zeit lang weg sein. Es klopfte an der Tür und der Junge davor brachte ihm eine Flasche Brandy, die er in der Lobby bestellt hatte. Er goss sich von der braunen Flüssigkeit etwas in ein Kristallglas und trank einen Schluck. Herrlich, das hatte er vermisst. Der Whiskey war nicht schlecht, doch zog er Brandy vor.
Er zog sich aus, schenkte das Glas voll und ging ins Bad. Langsam ließ er sich in das warme Wasser sinken und stellte das Glas auf den kleinen Tisch, der neben der Wanne stand. Er seufzte wohlig, als er sein Bad genoss und dabei seinen Brandy trank. So konnte er leben und nicht auf dem unbarmherzigen Berg, der seinen Tod wollte.
Nach dem Bad und reichlich Brandy war er müde genug. Eigentlich wollte er noch etwas essen, aber verwarf das dann doch. Er wollte nur noch schlafen. Er zog sich einen leichten Schlafanzug an, denn mit Arthur im Zimmer würde er anders nicht schlafen. Leicht lächelnd kuschelte er sich in die Kissen, trank seinen letzten Brandy. Arthur musste bald kommen, er hörte schon einige Vögeln singen. Doch seine Augen wurden schwer und einige Minuten später war er eingeschlafen.
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Arthur steuerte die Vergnügungsvierteln an. Er wollte sich nicht lange aufhalten, konnte er auch nicht, selbst wenn er wollte. Die Zeit arbeitete gegen ihn und er bog in eine dunkle Gasse ein, auf dem Weg ins nicht gehobene Viertel, das es in jeder Stadt gab. Hier Reichtum, auf der anderen Seite nicht und dorthin war er unterwegs. Männer und auch Pärchen musterten ihn, als er mit schnellem Schritt durch die Straßen ging. Sah er doch sehr gut aus und irgendwie düster in dem langen, dunklen Mantel.
Er blieb stehen und lauschte. Konzentrierte sein überaus feines Gehör auf bestimmte Geräusche und hörte...
„Bitte, tun sie mir nichts. Ich habe nur wenig Geld. Lassen sie mich doch gehen."
Das war eine Frau, die flehte und er schüttelte grimmig den Kopf. Überall gab es schlechte Menschen, man konnte reisen wohin man wollte. In dieser Zeit war Armut so angesagt wie Reichtum. Beides erzeugten Halunken, auf der einen Seite versuchten sie sich von Stehlen zu ernähren, auf der anderen Seite lockte das Gold der Reichen. Das Problem bei dieser Geschichte war, das ihre Opfer ermordet wurden, damit sie nicht auspacken konnten. Die Angst vor den grausamen Strafen war sehr real und deshalb töteten sie ihre Opfer.
Doch die Kerle, es waren zwei, hatten kein Geld im Sinn. Sie wollten was ganz anderes von der Frau. Arthur ging weiter, folgte der flehenden Stimme der Frau und dem dreckigen Lachen der Kerle. Seine Spur führte etwas aus dem belebten Viertel hinaus, in eine eher ruhige Straße. Jetzt waren die Stimmen nah, er hörte Stoff reißen und das Wimmern der Frau. Vor einem dunklen Hinterhof blieb er stehen und lächelte bösartig, als er durch die Dunkelheit ging. Eine einzige, armselige Gaslampe gab ein schummriges Licht, das mehr dunkel als hell war. Anscheinend hatten sie die Frau hier in den eigentlich düsteren, einsamen Hinterhof geschleppt.
Da er sehr gut im Dunkeln sah, überflog er die Szene. Zwei Kerle hatten eine junge Frau an die Wand gepresst, ihre Bluse zerrissen, was Arthurs Annahme bestätigte, das sie kein Geld wollten. Die Kerle sahen noch nicht einmal heruntergekommen aus, doch Arthur wusste, das es Menschen gab, die sexuell erregt wurden, wenn sie sich mit Gewalt nahmen, was sie wollten. Und wenn das Opfer das nicht wollte, wie diese junge Frau, deren Augen in Schrecken geweitet waren, dann noch besser.
„Guten Abend, meine Herren", sagte er sanft „Kann ich behilflich sein?"
„Verschwinde, bevor du es bereust", fuhr ihn einer der Kerle an, doch dann grinste er, als Arthur näher kam. Er hatte in seiner Verdorbenheit eine andere Idee. Schließlich lungerte er hier ja auch herum.
Arthur hob überrascht eine Augenbraue, als er näher kam und vor den drei stehen blieb. Noch immer hielten sie die Frau brutal an der Wand, ihre Bluse zerrissen, ein weißer Busen war zu sehen. Das waren keine Halunken, sondern so wie sie aussahen aus der gehobenen Gesellschaft und er sprach englisch, als Arthur ihn angesprochen hatte. Noch schlimmer. Das waren Kerle aus gutem Hause, die Gefallen daran fanden, Frauen Gewalt anzutun. Okay dann. Der Kerl riss ihn aus seinen Überlegungen.
„Oder du kannst mitmachen. Zu dritt macht es noch mehr Spaß sie zu ficken."
Der Vampir schaute zu der jungen Frau. Ihre blonden Locken lagen zerzaust um ihre Schultern, anscheinend hatte sie sich gewehrt. Sie starrte Arthur mit großen, verschreckten Augen an, ein flehender Blick darin. Sie sah nicht aus, als wäre sie freiwillig hier. Vielleicht ein anständiges Mädchen, das auf dem Nachhauseweg gewesen war, sich vielleicht mit Freunden getroffen hatte. Und diese feinen Herren hatten ihr aufgelauert.
Arthur lächelte die Kerle an. Eigentlich sahen sie nicht schlecht aus. Markante Gesichtszüge, beide so in den späten Zwanziger. Normalerweise sollten sie keine Schwierigkeiten haben, Mädchen zu finden, die Gefallen an ihnen hatten. Sie wirkten gepflegt, ihre Kleidung zeugte von keiner Armut. Aber anscheinend waren sie die verkorksten, verwöhnten Zöglinge von Edelleuten, die Gefallen daran fanden, Frauen mit Gewalt zu nehmen und ohne Einverständnis. Das turnte sie wohl an. Nun, heute hatten sie kein Glück und würden auch keines mehr haben.
„Okay, ihr lasst sie jetzt los und dann sehen wir weiter."
Die Kerle schauten sich an und derjenige, der mit ihm gesprochen hatte, schien zu übersetzen. Also konnte der Andere kein Englisch. Er wandte sich wieder dem Vampir zu, nachdem sein Freund etwas gesagt hatte.
„Wenn du nicht mitmachen willst; verschwinde und lass uns in Ruhe."
Arthur nahm theatralisch Luft und sagte mehr zu sich selbst, doch es klang genervt.
„Immer diese Diskussionen mit dem Abendessen."
„Was?", fragte der Kerl „Was redest du denn für einen Scheiß?"
Doch Arthur war ausgehungert und hatte keine Geduld. Schnell hatte er die beiden am Boden und sagte zu der Frau.
„Los, verschwinde!"
Sie bewegte sich nicht und er nahm ihren Arm und zeigte zu dem Ausgang aus dem Hinterhof und nickte lächelnd. Er ließ sie los uns sie sagte etwas zu ihm, was er nicht verstand, aber es klang erleichtert. Wahrscheinlich vielen Dank oder sonst etwas. Dann lief sie fort, so schnell sie konnte und Arthurs Augen wurden grün, als sich einer der Kerle stöhnend bewegte. Er zog ihn mühelos hoch und kam nah an sein Gesicht. Es war der Kerl, der englisch konnte. Und sowas war aus gutem Haus, lächerlich.
„So, du tust gern Frauen Gewalt an", sagte er sanft, tödlich sanft „Ich denke, das war dein letzter Übergriff dieser Art."
„Was willst du...Geld? Ich kann dir viel Geld geben, mein Vater ist vermögend."
Ah, auch noch diese Sorte, in der der vermögende Vater die Ausschweifungen seines Sohnes mit Geld aus der Welt schaffte, anstatt zu sehen, was sein Sprößling für Problem hatte. Arthur war das nichts Neues. Es war doch immer dasselbe. Sie hatten keine Zeit für ihre Kinder, überhäuften sie mit Geld und sie hatten alles. Da nichts mehr ihnen einen Kick gab, begannen sie wie in diesem Fall Frauen Gewalt anzutun. Meistens wurden aus so welchen die Kriminellen geboren, die es nicht mehr ließen und später auch vor Mord nicht zurückschrecken würden. Diese beiden würden das ab heute lassen.
„Das bin ich auch und Geld interessiert mich nicht", sagte er und lächelte leicht.
„Was dann? Bist du einer der Kerle, der mit Kerlen fickt?"
Arthur wiegte den Kopf leicht, als würde er nachdenken. Immer noch sprach er mit sanfter Stimme.
„Auch, aber heute will ich etwas anderes."
„Und was?", keuchte der Kerl, weil Arthur ihn noch näher zog.
Seine Augen leuchteten stärker und der Kerl schaute ihn entsetzt und mit Todesangst an. Aberglaube war in dieser Zeit weit verbreitet und er dachte wohl, der Teufel steht vor ihm. Nun ja, so unrecht hatte er ja nicht. Er sah teuflisch aus, teuflisch schön, so wie eine Freundin mal zu ihm sagte. Ein leichter grünlicher Schein lag auf den entsetzten Gesichtszügen des Mannes.
„Was bist du?", keuchte er atemlos.
„Dein Tod", war Arthurs knappe Antwort und dann biss er zu.
Er war nicht vorsichtig und der Kerl schrie, als er den schmerzlichen Biss spürte. Vampire konnten sinnlich schön beißen und auch grob. Der hier hatte nichts Schönes verdient. Arthur war sich sicher, das dies nicht die erste Frau war, denen die beiden Gewalt antaten. Er hasste so etwas, denn es gab genug, die es freiwillig taten. Entweder aus Gefallen oder für Geld.
Er saugte heftig, war er doch ausgehungert. Er trank nie bis zum letzten Tropfen, denn er wollte nicht in den Tod mit hineingezogen werden. Blut von Toten war für Vampire verheerend. Der Mann erschlaffte in seinen Armen, sein Herz unregelmäßig, als Arthur ihn zu Boden fallen ließ. Er wandte sich dem Anderen zu, der ihn mit Todesangst ansah und wimmerte. Auf dem Boden sitzend, robbte er von Arthur weg, um sein armseliges Leben zu retten. Doch es gab kein Entrinnen, nicht wenn Arthur so ausgehungert und zornig war. Ohne viel Aufhebens trank er auch genug von ihm, bis er ihn auch fallen ließ.
Er stöhnte auf, als die Wärme in ihm pulsierte. Das hatte er vermisst, obwohl es nicht lange anhielt. Doch er fühlte die Kraft, die durch ihn strömte und lehnte sich einen Moment an die Wand, berauscht von der Wärme, die durch ihn pulsierte und die Kraft, die das Blut ihm gab. Dann sah er verächtlich auf die Leichen und drehte sich um, verließ den Hinterhof mit schnellem Schritt Richtung Hotel. Die Vögel begannen zu zwitschern, ein Zeichen das der Tag nicht mehr fern war.
Er sprang mit Leichtigkeit über die Mauer, die ihn von dem Garten trennte und ging zügig zu der Terrasse. Er lächelte, als er sah, das Merlin die Balkontür aufgelassen hatte. Er drehte sich um, schaute zum Himmel, der die Morgenröte ankündigte. Er schlüpfte ins dunkle Zimmer und schloss die schweren, dicken Vorhänge, nachdem er die Tür verriegelte. Er machte ein kleines Licht an und lächelte.
Merlin lag im Bett und schlief tief und fest. Langsam ging er zu dem Bett, zu Merlins Seite. Der Jäger lag auf der Seite zum Balkon, seine Hände lagen auf der Decke, die etwas verrutscht war. Arthur zog sie vorsichtig höher und verharrte mit seiner Hand in der Luft. Doch dann senkte er sie und fuhr Merlin ganz zart durch sein lockiges, dunkles Haar. Er nahm Luft, wieder eine menschliche Geste, die sein Dilemma ausdrücken sollte.
Er sehnte sich so nach diesem Mann, der sich so garstig und abweisend in sein Herz geschlichen hatte. Er könnte jeden Mann haben. Aber all seine Sinne waren auf Merlin gerichtet, trotz seiner abweisenden, unwirschen Art. Vielleicht war er verrückt und Merlin würde ihn nie wollen. Aber noch wollte er nicht aufgeben. Es gab Augenblicke, in denen Merlin ihn manchmal mit so einem Blick ansah, der Arthur durch und durch ging. Er glaubte manchmal Verlangen darin zu sehen, aber vielleicht bildete er sich das nur ein.
Er löste seine Hand aus Merlins Haar und zog sich aus, ließ nur seine Hose an, als er sich neben Merlin legte. Er nahm die zweite Decke und deckte sich zu, obwohl er das nicht brauchte. Er fror nicht. Doch er merkte, wie sein Schlaf näher kam. Er legte sich entspannt zurück ins Kissen, draußen begann der Morgen und die Stadt erwachte zum Leben. Doch Arthur schlief jetzt neben seinem Jäger ohne zu atmen und ohne sich zu bewegen.
Und doch fühlte er sich lebendig.
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Dunkles Schicksal
FantasyNach dem Tod seiner Eltern, die von Vampiren getötet wurden, wird der junge spanische Graf Merlin del la Vega zum Jäger. Sein Hauptmerkmal ist ein vermögender, hoch angesehener Vampir, den er für den Mörder seiner Eltern hält. Erbittert jagt er ihn...